Ich spekuliere mal ganz intuitiv, ohne genügend tiefe Sachkenntnis, einfach aus Spass an der Freud:
Es ist doch ziemlich wahrscheinlich, dass man die Phasenverschiebung in Dachkantprismen mathematisch und physikalisch äquivalent als geometrische Phase auffassen und beschreiben kann. Denn "as a rule of thumb, it occurs whenever there are at least two parameters affecting a wave, in the vicinity of some sort of singularity or some sort of hole in the topology", und diese Bedingungen sind um die Dachkante herum erfüllt. Aber eine neuartige mathematische Beschreibung ein und desselben Phänomens bedeutet ja noch nicht, dass sich auch neue Apekte zu seiner Korrektur ergeben. Ich halte das in diesem Fall sogar für eher unwahrscheinlich. Angenommen es gäbe eine kompensierende Geometrie, was Weyrauch/Doebrand aber nicht bedacht oder gesehen hätten. Sollte man dann nicht eher erstmal mit ihrem auch empirisch sehr erfolgreichen theoretischen Ansatz danach suchen? Aber nehmen wir an eine neue mathematische Methode erlaubte eine einfachere Behandlung der Frage. Wäre es als Ergebnis wirklich aufregend, mit einer besonderen Geometrie den P-Belag überflüssig machen zu können? Ich halte so ein Ergebnis sogar für ziemlich wahrscheinlich, denn was ist eine zusätzlich aufgedampfte Schicht im Grunde anderes als eine modifizierte Geometrie der Prismenoberfläche? Aber ich glaube dieses Ergebnis wäre nicht so aufregend. Denn es dürfte einige Vorteile haben, die Geometrie mit Belägen zu modifzieren, statt das Glas an der Prismenoberfläche zu formen:
1. Eine modifizierte Prismengeometrie könnte die ohnehin vorhandenen Bildfehler der Planoptik vielleicht unerwünscht beeinflussen, zB. den Astigmatismus oder die Chromasie. (Ebenso wie man auf rein geometrischem Weise die Bildfehler einer Linse oder Planplatte nie durch eine optimale Oberflächenform vollständig auskorrigieren kann, sondern sich immer an anderer Stelle gewisse Nachteile einhandelt).
2. Die nötige Glasgeometrie wäre mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit asphärisch und mit hoher Oberflächengenauigkeit in der Größenordnung von Wellenlängen auszuführen, und damit vermutlich viel schwieriger und teurer herzustellen, als einen Belag aufzudampfen.
3. Eine solche Geometrie dürfte ebenso wenig in der Lage sein über einen großen Teil oder das ganze sichtbare Spektrum zu wirken, wie eine einzige P-Schicht. Die Winkel- und Wellenlängenabhängigkeit liesse sich vermutlich ganz im Gegenteil eher mit einem Mehrfach-Paket von P-Schichten mit jeweils raffiniertem Schichtdickenprofil kompensieren. (Ähnlich einem apochromatischen Linsenaufbau, wo für eine befriedigende spektrale Drei-Farben-Korrektur auch drei "Schichten" verschiedener Brechzahlen, sprich ein Linsentriplett mit raffiniert geschichteten Oberflächengeometrien nötig ist. Wobei wir nicht wissen, ob nicht schon längst Mehrschicht-P-Beläge im Einsatz sind, aber das halte ich für unwahrscheinlich, weil sonst die Werbung...)
4. Vielleicht bietet eine wählbare Brechzahl der P-Schicht als zusätzlicher Freiheitsgrad irgendwo Vorteile bei der optischen Auslegung, was bei Beschränkung auf ein einheitliches Prismenmaterial hinfällig wäre, dessen Brechzahlauswahl aus anderen Gründen eingeschränkt sein wird.
Von diesen Punkten abgesehen funktionieren die heutzutage aufgebrachten vermutlich einschichtigen P-Beläge so gut, dass mit veränderter Prismengeometrie nicht mehr viel zu holen sein dürfte - sonst sprächen Bildqualtitätsvergleiche von Porros und Dachkanten heute noch immer eine deutliche Sprache zugunsten der Porros, was ich aber so klar und eindeutig nicht erkennen kann. (Die sofort merklichen optischen Vorzüge für das Beobachten mit Porros liegen für mich woanders: bei Weitwinkligkeit und 3D-Blick trotz geringerem Gewicht und Preis. Die Porroentwicklung hätte aus Anwendersicht eigentlich eher ein Revival und Weiterentwicklungen verdient, als bei der ohnehin teuren Dachkanttechnologie den Aufwand mit fragwürdigem Erfolg immer weiter zu steigern. Aber ich mache mir da keine Illusionen. Da kommt sofort die Schutzbehauptung vergleichbare Porros wären genauso teuer und aufwendig).
Mit "geometrischen" Maßnahmen für die Anwender deutlich sichtbare Verbesserungen zu erzielen, wäre nach meinem Dafürhalten an anderen Stellen im Fernglas eher möglich und viel nötiger und effektiver. Raffiniertere innere Fassungsgeometrien, z.B. mit Schneidblenden und ausgeklügelten Flächenprofilen als Lichtfallen, mit Einkerbungen der Prismen zur Abblendung von Nebenpupillen usw. sollten zu besserer Lichtführung, Streulichtunterdrückung und höherem Kontrast führen, besonders im Gegenlicht. Statt zu versuchen den P-Belag loszuwerden und seine Wirkung glasgeometrisch zu ersetzen, würde ich quasi umgekehrt vorgehen. Ich würde versuchen, die Effekte zusätzlicher neuer Beläge theoretisch und praktisch auszuprobieren und/oder Beläge mit raffinierterer Geometrie aufzutragen. Weniger auf dem mutmaßlich einschichtigen P-Belag oder den Prismenverspiegelungen (aber warum nicht auch da) sondern eher z.B. auf den Mehrschichtvergütungen der Linsen zur Reduzierung der Winkelabhängigkeit von Reflexionen. (Wie es Zeiss schon angefangen hat, siehe die neue ringförmige Schichtgeometrie. Oder wie es manche Hersteller schon mit neuen mikrokristallinen Vergütungsprofilen machen). Und noch wichtiger fände ich neue Beläge beim Thema Streulichtunterrückung durch bessere Schwärzung auf allen reflektierenden inneren Oberflächen peripher zum Strahlengang. (Linsenränder, Prismenränder, Blenden, Fassungen, Schrauben etc. Wie es Zeiss ebenfalls schon versucht hat, leider mit bröckligem Ergebnis. Vielleicht wäre auch da eine Art Mehrfachschichtsystem vorteilhaft, einerseits zur Haftverbesserung, andererseits zur besser angepassten absorbierenden Mikro-Oberflächengestaltung, weil auch die Absorption von Schwärzungen stark winkelabhängig ist).
Schließlich möchte ich Deine Überlegungen, bekannte Phänomene mathematisch neu anzugehen und komplexer zu behandeln, bei allem Respekt vor Deiner Neugier und Deinen Fähigkeiten, mit einem nicht-inhaltlichen Punkt kommentieren, in dem Herr Schön m. E. bei aller Kritik an seinem Verhalten nicht ganz Unrecht hat. Man kann verhältnismäßig leicht etwas anders, größer und komplizierter darstellen oder komplexer machen, als es für einen Anwendungszweck vielleicht nötig ist. Umgekehrt sind kluge Vereinfachungen prinzipiell viel schwieriger und oft die viel größere Kunst. (Andererseits würde ich Herrn Schön entgegenhalten, dass man die Dinge zwar laut Einstein so einfach wie möglich machen soll, aber eben auch nicht einfacher. Sonst wären Weyrauch/Doerband kaum zu einem Ergebnis gekommen). Es kommt auf die Verhältnismäßigkeit der Mittel im Hinblick auf ein Ziel an. Die geometrischen Auseinandersetzungen in Sachen Globuseffekt oder Deine Anmerkungen zur Phasenkorrektur finde ich theoretisch hoch interessant und anregend, mal physikalisch, mal sinnesphysiologisch. Aber dass durch eine neue mathematisch komplexe geometrische Behandlung der Phasenkorrektur visuell gut sichtbare Verbesserungen überraschend herausspringen könnten, dass hier für Anwender noch lohnendes Verbesserungspotential erschlossen werden könnte, das glaube ich eher nicht. Ich glaube aber, dass großes Verbesserungspotential bei der Streulichtunterdrückung steckt und sich da mehr Sorgfalt im konstruktiven geometrischen Detail beim Beobachten ganz deutlich auszahlen würde.