Oh, das tut mir leid, das wollte ich natürlich nicht! War auch ein bißchen satirisch gemeint, muß ich wohl dazu sagen.
Im großen und ganzen bleibe ich aber bei meiner Einschätzung.
Mich erinnert die allzu aufgeregte Suche nach dem ultimativen Fernglas an meine Jugendzeit; und ich hoffe, Sie bekommen nicht schon wieder schlechte Laune, wenn ich erzähle warum. Aber gemach, es ist auch wieder bloß eine Satire:
Damals, in den Siebzigern, brach die ganz große Musikanlagen-Hysterie aus. Die entsprechenden Läden schossen wie Pilze aus dem Boden, sie hatten etwas von heiligen Stätten an sich, und die Verkäufer waren die Priester. Oder Psychiater, wie man will, wenn Seelentrost aufgrund zwanghafter Entscheidungsunfähigkeit vonnöten war.
Da saß man dann, ich natürlich auch, und versuchte bis zum Nervenzusamenbruch herauszufinden, auf welchen Boxen und bei welchen Anlagen mit welchem sensationellen Klirrfaktor denn nun das Crescendo irgendwelcher Krawallbands am "präsentesten" oder "mittigsten" im einzig möglichen Direktvergleich zu vernehmen wäre. Und wie der Priester dazu erklärte, war das nur bei höchstens zwei Vergleichen pro Tag möglich, sonst könne das überforderte akustische Wahrnehmungssytem des Menschen nicht herausfinden, auf welchen Lautsprechern die Höhen bei Eric Claptons Gitarrensoli "am linearsten" wiedergegeben wurden.
Und das zu wissen war schließlich lebenswichtig.
Alle lasen sich in bunten Prospekten zu Experten der Akustik und etliche verschuldeten sich bis über die Ohren, um die "optimale" Anlage nach Hause tragen zu können. Natürlich nicht, um Beethovens Neunte zu hören, und die Hersteller überboten sich mit irrwitzigen "Leistungsdaten" die für das menschliche Ohr garnicht mehr wahrnehmbar und daher völlig irrelevant waren, sondern allenfalls im Labor mit hohem Aufwand meßbar. Das störte aber Niemanden.
Dabei gab es eine DIN-Norm, 45.500 glaube ich, in der exakt definiert war, welche relativ bescheidenen Kriterien eine Musikanlage erfüllen muß, um ausreichenden Musikgenuß zu liefern. Praktisch alle Kaufhausanlagen zu erschwinglichen Preisen erfüllten diese Norm und alles was darüber hinaus ging, hätte auch Herbert von Karajan nicht hören können. Aber so eine Schneider oder Nordmende-Anlage auch nur in Erwägung zu ziehen, machte einen zum Banausen und war daher undenkbar.
Obwohl das alles solide und vernünftige und vor allem preiswerte Produkte waren. Es mußte aber Hitachi, Pioneer oder dergleichen Wunderbares sein. Die meisten deutschen Hersteller gingen damals daran zugrunde und der Stern des modernen "marketing" aus Asien und Amerika ging am Konsumhimmel auf. Rationale Gründe gab es dafür keine, - nur solche, die sich aus raffinierten und milionenteuren Werbestrategien und der geschickt genutzten menschlichen Psyche ergaben.
Natürlich gab es damals trotz DIN auch reale Unterschiede - wie bei Ferngläsern -, besonders wichtig waren sie nicht, aber das brachte so manchen Musikfanatiker erheblich aus dem inneren Gleichgewicht. (Es gab auf einmal hundertausende davon, auch wenn die meisten eine Klarinette nicht von einer Blockflöte hätten unterscheiden können; auch auf der teuersten Anlage nicht)
Und das Prinzip ist bis heute aktuell, nicht nur auf dem Musiksektor. Bei Ferngläsern tanzt inzwischen auch Zeiss den Tango um immer "aktuellere" "Innovationen" und bahnbechende Designfortschritte mit. Geht auch nicht mehr anders in einer übersättigten und überdrehten Konsumgsellschaft.