Hallo Herr Madagan,
Ihrer Meinung und Erfahrung nach sollte man beim Kaufentscheid unbedingt den Service bedenken. Sie raten sogar ein in der Gesamtleistung optisch schwächeres Glas mit prominentem Namen vorzuziehen, der Verzicht auf optische Mehrleistung werde irgendwann durch besseren Service mehr als aufgewogen. Weil ich diesen Rat für ungut halte, glauben Sie ich hielte ihn für naiv und vermuten dahinter eine Spur Überheblichkeit eines akademischen Theoretikers bar jeder praktischer Erfahrung. Aber ich bin einfach nur anderer Ansicht.
Ich weiß nicht was die BAT-Welt sein soll (Beamte, Akademiker, Theoretiker vielleicht?), aber ich weiß, was durchwachsene Erfahrungen mit Premiumservice sind. Vier Ferngläser, drei Objektive und drei Kameras, wenn ich mich recht erinnere, vielleicht auch mehr, manches davon mehrfach. Die Resultate waren im großen und Ganzen zwar in Ordnung, aber so Einiges kam mir da auch fragwürdig vor und im Ergebnis nicht berauschend. Ich kam und komme nicht umhin, unwillkürlich Vergleiche zum medizinischen Sektor ziehen... Verbreitete Praxis scheint z.B. zu sein, schon mal Dinge zu justieren oder neu einzustellen, die eigentlich gar keiner Neujustage bedürften. Der Belichtungsmesser wurde bei den Kameras immer neu eingestellt, auch wenn er noch so einwandfrei funktionierte. Die Empfehlung das Bajonett zu tauschen kam ebenso regelmäßig. Handlungsbedarf erzeugen, wo keiner besteht. Vermutlich haben die Werkstätten für jedes Produkt ein paar entsprechende Standardaktionen im Programm. Mit solchem Aktionismus schindet man entweder Eindruck, z.B. wenn es ein Garantiefall ist, oder erweckt Fürsorglichkeit; oder man rechnet überflüssige Leistungen ab, wenn man verdienen will. Bei Ärzten und Zahnärzten ist das auch nicht viel anders, wer als Laie kann schon beurteilen was nötig ist, was nicht.
Das Arbeitsergebnis schien mir oft mehr davon abzuhängen, in welche konkreten Hände ein Gerät gelangt war und wieviel Zeit man sich dafür genommen hatte, als davon, bei welchem Hersteller man es abgab. Ein erfahrener, konzentriert arbeitender Feinmechaniker hinterlässt keine Spuren, z.B. keine Grate an Schräubchen. Andere dagegen benutzten offenbar auch schon mal nicht mal geeignetes Werkzeug, hinterliessen viele Spuren und schraubten gedankenlos ruckzuck irgendwie herum, Hauptsache schnell fertig und hält am Ende irgendwie, egal wie lange. Zeit ist Geld, nächster Kunde. Auch das ist in der Medizin vergleichbar. (Bei einem anonymen Vergleich der unabhängigen Stiftung Warentest lieferten Zahnärzte zu einem Drittel nicht fachgerechte Arbeit ab. Und die vielen überflüssigen Operationen...)
Weitere Parallelen wären: missverständliche Kommunikation, und zwar auf beiden Seiten, schlechte oder falsche Fehlerbeschreibungen, unrichtige Angaben, sei es unabsichtlich und aus Unwissenheit, sei es vorsätzlich, um Fehlverhalten oder Fehldiagnosen oder Behandlungsmißerfolge zu vertuschen. Und dann wäre da schließlich noch das Jovi-Bovi-Prinzip. Auch bei Premiumdienstleistungen werden schon mal Unterschiede gemacht: je nach Ansehen der Person, ob sie ein guter Kunde, oder nur jemand sind, der sich mal ins Premiumsegment verirrt hat, je nachdem, ob der Fall in die Öffentlichkeit gelangt und Reputation kosten könnte, ob die Firma gerade Sparkurs fährt, oder verdienen muß, oder je nachdem, wie man den Kunden einschätzt, ob er das Ergebnis überhaupt wird beurteilen können.
Mich haben die Ergebnisse meist, aber nicht immer rundum zufriedengestellt. Bei einer Kamera hatte die Werkstatt den Spiegel beschädigt, es musste nachgebessert werden. Schwere Objektive mit gelockertem Schneckengang waren zweimal im Service, es hielt beide male nur kurze Zeit und so beschloss ich, mich an das Geschlacker der bei beiden zu schwachen Auslegung gewöhnen. Bei einem Premiumtaschenglas, dessen heftige Streulichtprobleme ich erst ein paar Tage nach dem Kauf bemerkt hatte, half der Hinweis auf die viel bessere Falschlichtunterdrückung eines zweiten Vergleichsmodell wenig höherer Seriennummer gar nichts, beim Händler wie beim Service galt gekauft wie gesehen, Nachbesserung ausgeschlossen, ich war ja nur ein dummer Schuljunge. Der Wertverlust beim Verkauf, die Enttäuschung nach dem langen Sparen, dass selbst mein älteres Schülerporro das bessere Bild zeigte, haben mich früh gegen übergroßes Markenvertrauen skeptisch gemacht.
Ich habe auch Verschlimmbesserungen erlebt. Bei einem angestoßenen Premiumdachkant einer anderen Marke wurde eine minimale binokulare Dejustage wurde zwar behoben, dabei durch Dezentrierung in einem Tubus aber sichtbare CA erzeugt. Die lag aber angeblich innerhalb der Toleranz und sei nicht weiter zu verbessern... Inzwischen habe ich "downgesized", nur ein Taschendachkant behalten, und ansonsten auf altmodische Porros umgestellt. Für ein gebraucht und defekt gekauftes und vermutlich über 10 Jahre altes 8x32 Ultima hat mir der Service neulich anstandslos, günstig und sehr schnell passende Ersatzteile und Augenmuscheln geliefert. An soviel Spass wie mit diesem leichten Ding kann ich mich eigentlich bei keinem älteren Edel-Dachkant erinnern.
Alles Einzelfälle, gewiss. Dennoch würde ich nicht mal basierend auf dem Insider-Wissen, wer unter den Topherstellern die deutlich wenigsten Servicefälle hat, wer die meisten, und wer die teuersten, den Namen oder das Servicekriterium zum kaufentscheidenden Grund machen. Den Service sogar als regelmäßig notwendige Pflege zur Werterhaltung zu betrachten, wie z.B. beim Auto, halte ich bei Dachkanten für ziemlich überzogen. Ich würde ihn eher als eine Rettungsstation für Ausnahme- und Notfälle sehen. Bei ungedichteten Porros mag es je nach Einsatzbedingungen anders sein, aber die bieten dafür den Vorteil, dass man evt. auch selbst was ausrichten kann, wenn man nicht gerade linke Hände hat.
Würde ich also den Glauben an einen lohnenden besseren Service von Premiumherstellern, wenn man all die Unwägbarkeiten bedenkt, naiv nennen? Vielleicht ist es das falsche Wort, die falsche Frage. Natürlich achten Premiumanbieter auch auf ihren Service. Ich wäre beim Kauf aber einfach pragmatisch: Ich kaufe mir ein Glas nicht für den Service- sondern den Beobachtungsfall. Wenn man ein schwächeres Glas nach dem Service beim Premiumhersteller wieder zurückkriegt, ist es danach immer noch kein Premiumglas, die geringere Leistung wird auch durch besten Service um keinen Deut besser. Optische Minderleistung habe ich im Beobachtungsfall ständig vor Augen, sie kann mich womöglich sogar unbewußt andauernd beeinträchtigen. Die Wahrnehmung ist ein sensibles Pflänzchen und mir ist inzwischen klar, dass sie unbewusst Dinge mitkriegt, die sich vielleicht erahnen, aber bewußt nur schwer fassen lassen (und für die erst noch neue psychophysikalische Methoden zu entwickeln sein dürften). Eine - nur eventuell - längere Servicezeit im - nur eventuellen - Reparaturfall geht dagegen vorüber und ist normalerweise schnell vergessen, sobald die Freude am besseren Glas wieder weitergeht.