Ohne auf die Argumentation jetzt eingehen zu wollen:
1. Dachkantgläser erfordern einen weitaus höheren Aufwand in der Fertigung als Porrogläser, und zwar auf mehreren Ebenen: Die Dachkanten müssen mit sehr hoher Präzision und äußerst geringen Toleranzen gefertigt sein. Die Phasenkorrekturbeläge müssen ebenfalls höchsten Ansprüchen genügen, die Verspiegelung (außer bei Abbe-König) ebenfalls. Jeder auch noch so kleine "Fehler" wirkt sich unmittelbar auf die Bildqualität aus.
2. Die meisten modernen Dachkantgläser sind als eierlegende Wollmilchsäue konzipiert: Extrem kurzer Nahbereich (das Fernglas als Binolupe sozusagen), schnelle Innenfokussierung, um möglichst schnell vom extremen Nahbereich in die Ferne fokussieren zu können, und - bei einigen Herstellern - möglichst große Bildfeldebnung. Dass alle modernen Gläser mit Brillenträgerokularen ausgestattet sind, ist sowieso klar, auch wenn das bedeutet, dass die Gesichtsfelder kleiner sind. Außerdem sollen die Gläser möglichst kompakt sein, daher auch die Präferenz für Schmidt-Pechan.
All dies bedeutet, dass auf der einen Seite die optische Konstruktion starken Beschränkungen unterliegt, die Abbildungsleistung also nicht mehr das einzige wirklich wichtige Kriterium ist, was wichtig ist. Gleichzeitig wird so die mechanische Konstruktion der Fokussierung schwieriger und potentiell anfälliger.
3. Aus 1. und 2. folgt, dass moderne Dachkantgläser sehr aufwändig und kostenintensiv in der Herstellung sind, auf jeden Fall aufwändiger als Porrogläser, und dass in der Fertigung deutlich mehr schief gehen kann. Beispiele dafür gibt es einige, angefangen von Dachkantgläsern, bei denen die Phasenkorrektur nicht optimal ist, über Gläser, bei denen die Fokussierung nicht sauber ist, sich also z.B. der Dioptrienausgleich immer wieder leicht verschiebt, bis hin zu Gläsern, bei denen beide Seiten nicht genau gleich sind. Das ist mit einer Testtafel und einem Booster leicht nachzuweisen, habe ich schon bei mehr als einem Glas eines Premiumherstellers gesehen.
4. Es ist daher meines Erachtens nicht verwunderlich, wenn ein altes Fernglas, das "einfach" konstruiert ist und nicht als eierlegende Wollmilchsau konzipiert wurde, bei *einem* Kriterium, nämlich der Bildschärfe in der Mitte, besser ist als viele, vielleicht die meisten modernen Dachkantgläser. Die modernen Dachkanten haben andere Vorzüge, z.B. die schnelle Fokussierung (wenn man diese wichtig findet), die größere Bildfeldebnung, Brillenträgerokulare und Dichtigkeit. Ich kenne das Binuxit nicht gut genung, um mir dazu ein Urteil erlauben zu können, habe aber sehr oft ein Zeiss West 10x50 Porro von 1961 benutzt, dass in der Bildmitte eine bessere Schärfe zeigt als die 10fachen Dachkantgläser, mit denen ich es vergleichen konnte.
5. Was ist allerdings bedauerlich finde, ist, dass ich als Benutzer heute keine echte Wahlmöglichkeit mehr habe. Ich benötige nicht zwingend Brillenträgerokulare, eine weit getriebene Bildfeldebnung und einen extremen Nahbereich. Dafür ist mir die maximale Abbildungsqualität in der Bildmitte, ein großes Gesichtsfeld und ein plastisches Bild wichtig, außerdem eine neutrale Farbwiedergabe und eine möglichst hohe Transmission bei gleichzeitiger Reflexfreiheit im Gegenlicht - und genau das ist mit Porros leichter und einfacher zu erreichen als mit Dachkantgläsern. Und natürlich auch kostengünstiger.
6. Nur werden heute außer den Nikon SE und den Habichten keine hochwertigen Porros für den zivilen Gebrauch mehr produziert, sieht man einmal von Sonderkonstruktionen wie dem Zeiss 7x50BGAT oder den Fujinons mit einzelokularfokussierung ab. Weder von Leica noch von Zeiss. Und das ärgert mich schon. Genauso, wie es mich ärgert, dass Swarovski die optisch sehr schönen Habichte nicht mit *etwas* moderneren Okularen ausstattet.