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Frage: Kann man an Hand der Reflexe die Qualität einer Vergütung beurteilen? Ja, man kann anhand der Intensität der Reflexe zumindest grob auf die Güte der Vergütung schließen, wenn man dabei auf folgende ganz wichtige weitere Punkte achtet, der fast immer übersehen werden: Wenn die spiegelnde Linsenfläche eben ist, entsteht eine Spiegelbild der Lichtquelle wie in einem normalen Spiegel, nur von sehr viel schwächerer Intensität (Helligkeit). Ist die spiegelnde Fläche aber gewölbt, und das ist bei Linsen überwiegend der Fall, dann entsteht je nach Krümmungsradius und Form (konvex oder konkav) sowie je nach Abstand des Betrachterauges einerseits und der Lichtquelle andererseits eine verkleinernde oder vergrößernde Wirkung (evtl. verbunden mit Bildumkehrung bei starker konkaver Wörlbung und großen Abständen). Die Größe des Reflexbildes (also des Spiegelbildes der Lichtquelle) hat aber großen Einfluß auf seine Helligkeit, denn wenn zwei Spiegelflächen gleich stark reflektieren, die eine aber ein Bild von halber Fläche des Bildes der anderen Spiegelfläche erzeugt, dann heißt das nichts anderes, als daß dieselbe „Lichtmenge” auf die halbe Fläche konzentriert und somit die Leuchtdichte verdoppelt wird. Man muß also bei der Beurteilung der Reflexhelligkeiten diese immer in Relation zu den Reflexgrößen sehen und müßte sie umrechnen, was aber ohne Meßgeräte nur nach „Empfinden” und Augenmaß sehr fehlerträchtig ist. Wenn Sie ferner verschiedene Farben in den Reflexen wahrnehmen, ist das nicht allein eine Folge unterschiedlicher Güte der Vergütung, sondern es hängt auch mit dem Brechungsindex des Substrate (also der Glassorten der einzelnen Linsen) zusammen. Strenggenommen müßte man im einfachsten Falle einer Einschichtvergütung (Mehrschichtvergütungen hier zu diskutieren, ist viel zu kompliziert) ein Vergütungsmaterial haben, dessen Brechungsindex gleich dem geometrischen Mittel aus den Brechungsindizes der aneinandergrenzenden Medien (Glas und Luft) ist, und da der Brechungsindex von Luft fast exat 1 ist, läuft das darauf hinaus, daß der Brechungsindex des Vergütungsmatrials gleich der Wurzel aus dem Brechungsindex des Glases sein sollte. Nun hat man aber in einem Fernglas mehrere, vielleicht sogar viele verschiedene Glassorten, und je besser die chromatische Korrektion ist, um so exotischer können die Glassorten sein, also erheblich unterschiedliche Brechzahlen haben, etwa zwischen 1,48 und 1,7. Nun gibt es aber nicht beliebig viele dielektrische Materialen, die sich als Vergütungsmaterial eignen*, und so nimmt man in der Regel MgF2, das mit einem Brechungsindex von 1,38 so einigermaßen bei den meisten Glassorten paßt, ideal aber nur bei einem Glas mit dem Brechungsindex 1,38ˆ2 = 1,9 wäre, das es gar nicht gibt. Man kann also mit MgF2 bei hochbrechenden Gläsern noch recht gute Reflexunterdrückung erzielen, bei niedrigbrechenden aber nicht, denn dafür würde man ein Vergütungsmaterial von sehr viel kleinerem Brechungsindex brauchen. So bekommt man, selbst wenn man über MgF2 hinaus weitere Metallsalze zur Vergütung benutzt, nie auf allen Linsen gleich gute Reflexunterdrückung, insbesondere nicht auf den Linsen, deren Glas einen kleinen Brechungsindex hat. [* Zur Eignung als Vergütungsmaterial gehören viele Eigenschaften, nicht nur der Brechungsindex: Das Material muß aufdampfbar sein, muß dann am Glas fest haften, muß scheuerfest sein, darf nicht bei Feuchtigkeit oder Temperaturschankungen abblättern, muß gegen zahlreiche in der Umwelt vorkommende Gase und Säuren (Kohlensäure, Salzsäure, Schwefelsäure, die alle in geringster Konmzentration in der Luft vorkommen) halbwegs beständig sein usw.] Wenn nun ein Fernglashersteller als erste Objektivlinse eine aus Glas mit hohem Brechnungsindes verwendet, dann wird er hier eine gute Reflexunterdrückung erzielen. Da er aber zur chromatischen Korrektion irgendwo auch Gläser mit niedrigem Brechungsindex braucht, wird er auf innenliegenden, also von außen bei der Beobachtung weniger gut sichtbaren und vor allen wegen der Abschirmung durch den Tubus von weniger Licht beleuchteten Flächen stärkere Reflexe haben müssen. Ein anderer Fernglashersteller, der als erste Linse eine aus niedrigbrechendem Glas hat, hat dort die stärkeren und auf innenliegenden Linsen die schwächeren Reflexe. Der „naive” Anwender hält das erste Fernglas daher für das viel besser vergütetet, weil er die Reflexe auf der Frontlnse am deutlichsten und die auf den innenliegenden Linsen kaum bis gar nicht sieht. Bei der Durchsicht aber spielt es absolut keine Rolle, in welcher Reihenfolge das Licht durch Linsen mit mehr oder weniger Reflexverlusten hindurchtritt, denn die Gesamttransmission ist das Produkt der Einzeltransmissionen, und weil a·b·c = a·c·b = b·a·c = b·c·a = c·a·b = c·b·a (man sagt: die Multiplikation ist „kommutativ”, d.h. invariant gegenüber Vertauschung), kann es durchaus sein, daß beide in meinem Beispiel genannten Ferngläser dieselbe Gesamttransmission aufweisen, obwohl man beim ersten viel weniger Reflex sieht, wenn man es von vorn beleuchtet und hinein schaut. Mit anderen Worten: Die Sache ist viel kompliziertet, als es auf den ersten Blick aussieht, und was man gelegentlich – speziell auf einigen amerikanischen Internetseiten selbst renommierter Organisationen oder Firmen (z.B. betterviewdesired) sieht, wo Ferngläser mit dem Okular nach unten auf einen Tisch im Freien gestellt und dann die Spiegelung des Himmelslichts in der Frontlinse als Kriterium für die Güte der Vergütung herangezogen wird, ist teilweise absoluter (nur den Laien „überzeugender”) Humbug und zeugt nur von mangelndem Fachwissen der Autoren. Gerade im genannten Falle mit Prüfung durch gespiegeltes Himmelslicht kommt noch die erhebliche Verfälschung durch die sehr spezielle spektrale Verteilung hinzu, denn im blauen Himmelslicht ist aufgrund der ca. 10mal so starken Rayleigh-Streuung des kurzwelligen Lichts im Vergleich zum langwelligen viel zu viel Blau enthalten. Eine Vergütung, die Blau stärker unterdrückt als eine andere Vergütung, aber Gelb, Grün oder Rot viel stärker reflektiert als diese, wird bei einem solchen Test unzulässig begünstigt. Fazit: Man genieße solche Vergleiche, die sich gern „Tests” nennen, mit höchster Vorsicht und hüte sich vor voreiligen Schlussfolgerungen. Das einzig verlässliche Kriterium ist eine korrekt nach DIN bzw. ISO gemessene Transmissionskurve. Spiegelungsdeuterei ist eher mit Kaffesatzlesen verwandt als mit physikalisch korrekter Messung und ist sehr fehlerträchtig. Walter E. Schön