Hans Weigum schrieb:
-------------------------------------------------------
> 1: Patente sind nur so gut wie deren Formulierung.
> Patentumgehungen sind ebenso sehr Teil des
> Geschäfts wie Patentverletzungen.
D'accord.
> 2.. Bisherige Nikon IS-FGs mit kardanisch
> aufgehängtem Prismenstuhl sind baugleich mit
> Stabiscopes von Fujinon, beide möglicherweise
> hergestellt bei Kamakura.
Ja - und sie sind außer für spezielle Anwendungen wenig hilfreich. Für die Vogelbeobachtung würde ich sie eher nicht verwenden wollen. So richtig ernsthaft hat Nikon das Thema nicht angepackt, und dort dürfte auch kaum etwas Bahnbrechendes in der nächsten Zeit kommen. Momentan ist Nikon zu sehr damit beschäftigt, die Z-Serie auszubauen, um auf dem Kameramarkt zu überleben.
> 2. Solange nicht mehr Käufer selbst merken, oder
> die Erkenntnisse von Brunnckow (1943!) oder
> Vukobratovich anwenden, dass IS wesentlich mehr
> Nutzen bringt, als zu versuchen aus den
> Glaskomponenten noch ein Quäntchen mehr
> herauszuholen, kann man mit der entsprechenden
> Werbung (und Markenprestige) munter weiter IS-lose
> Optik verkaufen.
DAS ist der entscheidende Punkt. Klar, es wird immer Leute geben, die schon auf die Idee, in einem Fernglas Batterien zu haben, allergisch reagieren. Und das, obwohl dieselben Leute eben auch Handys etc. benutzen und nicht einen Käfig mit Brieftauben zur schnellen Kommunikation dabeihaben. Oder Bongotrommeln. Und Bärenfelle tragen sie auch nicht.
Aber die meisten Leute lassen sich auch allzugern auf die Argumentationen der traditionellen Hersteller ein - etwas besserer Nahbereich, etwas mehr Transmission, größeres Gesichtsfeld: Kauft, Leute, kauft! Und die Leute kaufen, z.T. gibt es dem Vernehmen nach wohl schon Wartelisten bei den Swarovski NL Gläsern.
Dabei liegen die Daten zum Wirkungsgrad unstabilisierter Gläser allesamt auf dem Tisch, vgl. Brunnckow et al. 1943 und Vukobratovich 1989. Aber da setzt sicher auch ein frommer Selbstbetrug ein, nach dem Motto: Ich habe ruhige Hände und kann 10x noch richtig gut ruhig halten. Dabei kann man das wunderbar ausprobieren: Zwei 10fache Gläser, eins freihand, eins auf dem Stativ, dann mal schauen, wieviele Details man sieht. Und wenn man körperlich vorher etwas belastet hart, z.B. im Gebirge, werden die Unterschiede noch viel größer.
> 3. Wenn gewisse Hersteller schon Mühe haben,
> einen leichtgängigen, spielfreien Mitteltrieb ohne
> Defekte während der Garantiezeit hinzukriegen,
> sind Zweifel angebracht, ob IS (vor allem passive)
> so trivial ist.
Netter Seitenhieb, und völlig gerechtfertigt. Interessant übrigens, dass Swarovski die offene Mittelbrücke mittlerweile wieder aufgegeben hat - nachdem die anderen alle auf den Zug aufgesprungen sind. Wie war das noch mit den Lemmingen?
Wobei passive Stabilisierungen sicher alles andere als trivial sind. Aktive hingegen sollten leichter machbar sein, da gibt es ja mehr als hinreichend Erfahrungen aus dem Objektivbau. Und dort zeigen sich wenig Probleme mit den Stabilisierungen, selbst bei Billigobjektiven. Diese Technologie haben die großen Hersteller (Canon, Nikon, Panasonic, Sigma, Sony, Tamron etc.) allesamt im Griff.
> 4. IS-Technologie kann man mangels eigener
> Kompetenz bestimmt auslagern. Es fragt sich nur
> wohin. Für die Anforderung an (zumindest passiver)
> IS: Extrem leichtgängig, kompakt,, stossfest und
> möglichst kostengünstig müsste man halt die
> Branche verlassen und etwa zu einem Hersteller
> mechanischer Zeitzünder für Artilleriegeschosse
> gehen. Dort sind diese Eigenschaften am ehesten
> beisammen. Das Zeiss 20x60S funktioniert zwar gut,
> aber mit einer stossempfindlichen und sehr
> kostspielig zu fertigenden IS-Technik.
Passive Stabilisierungen sind eine Sache, aktive eine andere. So nett ich die passiven Stabis finde (ich habe ein altes 20x60S Mono), heute würde ich eine aktive Stabilisierung vorziehen.
> 5. Bei Leica wurde vor Jahren sehr wohl ein
> IS-Fernglases mit hauseigener Technologie
> entwickelt (noch(?) im Museum Wetzlar zu sehen).
> Das Projekt wurde dann aber vom Marketing beendet.
Mir wurde von Vertrieblern der großen Drei in den letzten Jahren mehrfach gesagt, die optische Leistung würde unter Stabilisierungen leiden, daher würde man so etwas nicht bauen wollen. Was für ein Unfug. Denn: Das Canon 8x20 IS, ein Plastikbomber, zeigt im Freihandgebrauch bei Tageslicht mehr Details als jedes 8faches Glas der großen Drei. Deutlich. Man muss die konventionellen Gläser schon auf ein Stativ packen - mit allen Nachteilen, die das mit sich bringt - um die eindeutig vorhandenen optischen Vorteile auszuspielen - und tatsächlich so viele Details zu sehen wie mit dem Canon.