Wie hier schon von anderen (insbesondere Dr. Severin) erwĂ€hnt, ist die SchĂ€rfentiefe bei identischer VergröĂerung und Austrittspupille, also bei FernglĂ€sern identischer Kenndaten, z.B. bei allen 7x50-FernglĂ€sern, fĂŒr ein und denselben Beobachter unter gleichen Lichtbedingungen gleich. Ein und denselben Beobachter muĂ ich unterstellen, weil fĂŒr die wahrgenommene SchĂ€rfentiefe auch das Akkomodationsvermögen des Beobachters eine Rolle, und zwar eine SEHR groĂe Rolle spielt *). Die gleichen Lichtbedingungen sind deshalb nötig, weil bei unterschiedlicher Helligkeit die Augenpupillen unterschiedlich groĂ sind und dann, wenn sie (bei groĂer Helligkeit) kleiner als die Austrittpupille des Fernglases werden, die SchĂ€rfentiefe zunimmt â aber natĂŒrlich wieder fĂŒr alle genannten FernglĂ€ser in gleicher Weise.
*) Deshalb werden ĂŒbrigens SchĂ€rfentiefeprobleme von Ă€lteren Beobachtern mit verminderter Akkomodationsbereite, speziell solchen ĂŒber ca. 50 Jahren (Alterssichtigkeit!), sehr viel stĂ€rker wahrgenommen als von jungen, die aufgrund ihres âNachfokussierens durch das Augeâ (nichts anderes ist âAkkomodationâ) scharf sehen, was das Fernglas eigentlich gar nicht mehr scharf, d.h. weit ab von der Fokusebene abbildet. Ein und dasselbe Fernglas wird daher von jungen Beobachtern bei Entferungswechseln viel seltener nachfokussiert als von alten Beobachtern.
Wenn man also die nicht vom Fernglas abhĂ€ngigen Parameter (Akkomodationsvermögen und Motivhelligkeit bzw. AugenpupillengröĂe) ausklammert bzw. konstant hĂ€lt und nur die Parameter betrachtet, die vom Fernglas abhĂ€ngen, dann ist die SchĂ€rfentiefe ausschlieĂlich eine Funktion der VergröĂerung und der Ăffnung, wobei die VergröĂerung (weil sie rechnerisch im Quadrat eingeht!) die gröĂere Rolle spielt. [Wenn man FernglĂ€ser gleicher Kenndaten mit sehr unterschiedlicher Transmission vergleicht, kann noch ein (allerdings nur marginaler) Effekt beobachtet werden, der EinfluĂ auf die SchĂ€rfentiefe nimmt: Beim Fernglas gröĂerer Transmission ist die Bildhelligkeit gröĂer, und dann kann sich unter UmstĂ€nden die Augenpupille sehr geringfĂŒgig verkleinern, was die SchĂ€rfentiefe minimal steigern könnte.]
Es gibt keine konstruktive Möglichkeit, die SchĂ€rfentiefe unter Beibehaltung der Kenndaten (z.B. 7x50) zu steigern, weder durch Verwendung anderer Bauweisen (z.B. Keppler- oder Galilei-Typ), noch durch andere Umkehrprismen (z.B. Porro- oder die unterschiedlichen Dachkantprismen) noch durch spezielle Okularkonstruktionen, wie es ein bekannter und erfolgreicher, aber in physikalischen Sachverhalten wenig kundiger AstrohĂ€ndler unter Berufung auf nicht nĂ€her genannte âMilitĂ€rexpertenâ behauptet hat.
Ein einziger Effekt kann einen gewissen EinfluĂ haben, spielt aber bei hochwertigen FernglĂ€sern keine Rolle, weil diese eine sehr gute SchĂ€rfe haben mĂŒssen: Wenn man eine stĂ€rkere sphĂ€rische Aberration zulĂ€Ăt, dann hat man zwar bei optimaler Fokussierung eine schlechtere SchĂ€rfe, aber beiderseits dieser optimalen Fokussierung verschlechtert sie sich langsamer als bei einem Fernglas ohne oder mit geringer sphĂ€rischer Aberration. Dieser Umstand wird beim Rodenstock-Weichzeichnerobjektiv âImagonâ benutzt, um einen zarten âSchmelzâ an Lichtkanten zu bekommen (ein relativ scharfes Kernbild, das von den nahe der Pupillenmitte durchs Objektiv fallenden Strahlen erzeugt wird, ist von einem weichen Schein, dem sog. âHaloâ umgeben, der von der Randstrahlen wegen deren von der sphĂ€rigen Aberration bewirkten Fokusabweichung erzeugt wird). Diese sphĂ€rische Aberration vergröĂert bei verminderter AbsolutschĂ€rfe die SchĂ€rfentiefe. Dieses Objektiv war deshalb frĂŒher nicht nur ein beliebtes PortrĂ€tobjektiv (wegen der Weichzeichnung), sondern auch als sog. âTiefenbildnerâ bei Sachaufnahmen in Gebrauch, wenn man mit anderen Objektiven zu wenig SchĂ€rfentiefe erreichte. Geometrisch kann man sich das leicht klarmachen, wenn man den Strahlengang fĂŒr mehrere Strahlen zeichnet, die die Pupille (= Blendenöffnung) in unterschiedlichem Abstand von der Mitte durchtreten. Die sĂ€mtliche Strahlen einhĂŒllende FlĂ€che ist dann nicht ein Doppel-Kegelmantel (dort wo die Spitzen beider Kegel zusammenstoĂen, liegt der scharfe Bildpunkt), sondern ungefĂ€hr ein Hyperboloid, der an er engsten EinschnĂŒrung NICHT punktförmig ist.
VerstĂ€rkt wird in diesem Falle der Eindruck erhöhter SchĂ€rfentiefe, weil man nirgendwo perfekte SchĂ€rfe hat und darum die Grenze zwischen âscharfâ und âunscharfâ verschwimmt.
Man mĂŒĂte, um dieses Thema erschöpfend und besser verstĂ€ndlich darzustellen, einen sehr langen Beitrag schreiben und ihn mit anschaulichen Zeichnungen illustrieren. In meinem Fernglasbuch wird das der Fall sein. Wer vorab jedoch noch mehr zu diesem Thema lesen möchte, dem empfehle ich, meine (und auch die anderen) BeitrĂ€ge in der vor mehr als einem Jahr in Astronomie.de gefĂŒhrten Diskussion zu studieren, die mit folgender Adresse aufgerufen werden kann:
[
forum.astronomie.de]
Walter E. Schön