Es wäre praxisgerecht, den AP-Längsabstand statt ab letztem Linsenscheitel ab Augenmuschel-Auflagefläche zu bestimmen. Ob Herr Meijerink das so gemacht hat, konnte ich beim Überfliegen einiger Texte (und ohne Kenntnis des Niederländischen) nicht feststellen. Vielleicht kann Herr van den Berg das klären. Ich vermute allerdings, daß die Messung so erfolgt ist, weil die angegebenen Werte bei einigen Modellen, bei denen ich verglichen habe, geringer sind als die Herstellerangaben.
Die Messung könnte auf die folgende Weise erfolgt sein: Man stellt das jeweilige Fernglas mit dem Objektiv nach unten auf einen eingeschalteten Leuchtkasten. Dann ist über dem Okular schwebend das AP-Scheibchen sichtbar. An einfachsten, aber am wenigsten genau (für die Praxis aber noch genau genug), kann man ein kleines weißes Blatt Papier (z.B. 5x5 cm) mit einer Kante vertikal auf den eingedrehten, eingeschobenen oder umgeklappten Augenmuscheln so aufstellen, daß die Kante wie ein Durchmesser des Augenmuschelkreises verläuft. Hält man nun das Papier ein klein wenig schräg, so kann man auf dem Papier einen hellen Doppelkegel sehen, der sich zum Ort der AP hin verjüngt und oberhalb der AP wieder divergiert. Der Ort der engsten Einschnürung gibt die Lage der AP an, die man nun mit einem feinen Faserschreiber durch einen kleinen Strich markieren kann. Nun muß man nur das Papier mit der Kante, die auf der Augenmuschel lag, an die Null-Linie eines Lineals mit Millimeterteilung legen und kann dann am Strichlein den AP-Längsabstand ablesen. Der Ort der engsten Einschnürung ist insbesondere bei Ferngläsern mit stärkerer Pupillenaberration (es handelt sich vor allem um sphärische Aberration) nicht ganz präzise auszumachen, weil der Doppelkegel dort etwa die Form eines Rotations-Hyperboloids hat, die Einschnürung also - populärer ausgedrückt – nicht einen scharfen „Knick“ bildet, sondern einen weichen Verlauf hat.
Präziser wird das Ergebnis, wenn man ein Stereomikroskop einsetzen kann, das möglichst für die Höhenverstellung eine feine Skala hat. Ich habe mir dafür eine Nonius-Skala aus Papier gebastelt, die ich mit speziellem, leicht abziebarem Klebeband am Stereomikroskop befestige. Ich stelle das Mikroskop an einem Ausleger (also nicht unter Verwendung des normalen Standfußes, der nicht hoch genug für ein aufrechtstehendes Fernglas ist) über das Okular und fokussiere bei einer Vergrößerung von mindestens 40fach auf den Rand (Auflagefläche) der Augenmuschel. In dieser Position bringe ich die selbstklebende Nonius-Skala in Einstellung auf Null am Zahntrieb der Mikroskop-Höhenverstellung an. Dann fokussiere ich auf den mehr oder weniger scharfen Rand des AP-Scheibchens und kann an der Nonius-Skala ablesen, um wieviel ich beim neuen Fokussieren das Mikroskop angehoben habe. Der abgelesene Wert ist der AP-Längsabstand ab Augenmuschel-Auflagefläche. Auch hier wird die Messung bei Ferngläsern mit stärkeren Pupillenaberrationen ungenauer, weil die AP-Begrenzung über eine kleine Höhendifferenz hinweg annähernd gleich (un)scharf bleibt. Man muß versuchen, etwa die Mitte dieses Bereichs zu finden.
Ich möchte noch ergänzen, daß man für den ab Augenmuschel-Auflagefläche gemessenen Wert zur Vermeidung von Mißverständnissen immer z.B. als „AP-Längsabstand AB AUGENMUSCHEL“ bezeichnen sollte, weil der AP-Längsabstand ansonsten ab letztem Linsenscheitel definiert ist. Noch besser wäre es, wenn sich die Hersteller auf eine ganz neue und unmißverständliche Bezeichnung einigen könnten, die dann auch in die einschlägige DIN-/ISO-Norm einfließt.
Noch eine Anmerkung für Herr Jülich: Die Differenzen zu den Herstellerangaben sind deshalb nicht für alle Ferngläser gleich, weil der Rand der Augenmuscheln unterschiedlich weit oberhalb des letzten Linsenscheitels liegt. Ich konnte bei den bisher von mir diesbezüglich untersuchten Ferngläsern Differenzen zwischen etwa 0,5 mm und 8 mm (letzteren Wert bei älteren Ferngläsern) feststellen!
Walter E. Schön