Zur Stützung Ihrer Aussagen möchte ich noch darauf hinweisen, daß die Lichtstreuung in der Atmosphäre je nach Wellenlänge sehr unterschiedlich ist: Die sogenannte Rayleigh-Streuung (an den Luftmolekülen) führt zu einem etwa 10mal so hohen Anteil des kurzwelligen Blaus relativ zum langwelligen Rot. Das ist übrigens der wesentlich Grund dafür, daß uns der Himmel bei Tag intensiv blau erscheint und nicht wie nachts schwarz ist.
Nun hat UV-Strahlung noch kürzere Wellenlängen als blaues Licht, und daher ist dessen Anteil im gestreuten Himmelslich nochmals etwas größer. Die gilt nicht nur sogar, sondern erst recht dann, wenn die Sonne leicht verschleiert ist und keine Schatten wirft. Denn dann ist das Verhältnis von gestreutem zu nicht gestreutem Licht noch stärker zugunsten des gestreuten verändert. Träger von Korrekturbrillen mit phototropen Gläsern wissen, daß sich diese Gläser nicht nur bei hellem Sonnenschein, sondern auch bei diesigem Wetter stark verdunkeln, und dieser Verdunkelungseffekt wird von der UV-Strahlung verursacht!
Aus Ihren Bemerkungen zu den früher leicht gelbstichigen und heute eher neutralfarbenen Ferngläsern könnte man schließen, daß der heutige Trend zu gleichmäßiger Transmission übers volle Spektrum von Nachteil wäre. Ich halte es für gut, farbneutral beobachten zu können, und ich möchte kein gelbstichiges Fernglas haben (einer von mehreren Gründen, warum ich mein leicht gelbgrün verfärbendes Canon 15x50 IS verkauft habe).
Da ich Ihnen aber zustimme, daß eine Abschwächung des kurzwelligen Blaus zu einer Kontraststeigerung bei Fernsichten (speziell, aber nicht nur im Hochgebirge) führt – nach demselben Prinzip, warum gelbe Nebelscheinwerfer dem Autofahrer eine klarere Sicht ermöglichen als die relativ weiß leuchtenden normalen Scheinwerfer –, schlage ich vor, bei Ferngläsern, die ein Filtergewinde bieten oder an denen mit ein bißchen Bastelarbeit anderweitig Filter angebracht werden können, einfach normale Gelbfilter aus dem Fotohandel zu verwenden. Da ich das B+W-Filterhandbuch erstellt und dafür alle Transmissionskurven auf den Seiten 60 und 61 mit meinem Mac anhand exakter Meßwerte im 10-nm-Abstand gezeichnet habe, kann ich sagen, daß z.B. das helle B+W-Gelbfilter 021 mit dem Schott-Glas GG 455 sehr steilflankig alles unter ca. 440 nm auf weniger als 1% und alles unter 450 nm auf weniger als 24% reduziert, aber schon bei 480 nm 92% Transmission erreicht. Dieses helle Gelbfilter verursacht also nur einen zarten Gelbstich (der nur Farben mit Blauanteil unter ca. 450 nm leicht verfälscht), hat aber schon eine beträchtliche kontraststeigernde Wirkung – nicht nur bei Fotos, wie leicht sehr deutlich nachzuweisen, sondern auch visuell. Dieses B+W-Filter gibt es in allen gängigen Gewindegrößen von M 19x0,5 bis M 122x1 sowohl mit Einschicht- als auch (ein wenig teurer, aber unbedingt zu empfehlen) mit MRC-Mehrschichtvergütung (die MRC-Mehrschichtvergütung weist eine noch höhere Transmission auf und ist extrem kratzfest sowie wasser- und schmutzabweisend, also auch ideal als mechanischer Schutz).
Umgekehrt wäre es bei Verwendung eines gelbstichigen Fernglases alten Typs nur mit extremem Lichtverlust (und leider nicht durch einfaches Aufschrauben eines zarten Blaufilters) möglich, den Gelbstich zu eliminieren, falls er bei der Beobachtung stört, z.B. bei der Beurteilung von Gefiederfärbung.
Walter E. Schön