Die Betrachtung eines nach Art der bekannten „Sonnenprojektion” erzeugten reelen Bildes ist möglich, aber nicht zur Qualitätsbeurteilung geeignet.
1. Das projizierte Bild auf einer Mattscheibe oder einem (Auflicht-)Schirm wäre von der Mattscheiben oder Schirmstruktur überlagert, so daß Sie über die zur Qualitätsaussage zu beobachtenden Feinstrukturen des Bildes so gut wie nichts aussagen könnten.
2. Bei einer solchen Projektion arbeitet das Okular nicht im Abbildungsmaßstab unendlich (wie bei Erzeugung des virtuellen Bildes im afokalen Fernrohrsystem), sondern in einem viel kleineren Maßstab. Bei jedem Objektiv ändern sich aber die Aberrationen mehr oder weniger mit dem Abbildugsmaßstab, und so ließe sich die festgestellte Qualität der Projektion nicht auf die bei visueller Beobachtung des virtuellen Bildes übertragen.
3. Wird das derart projizierte Bild in so großem Abstand aufgefangen, daß a) die Mattscheiben- oder Schirmstruktur relativ zur nunmehr stark vergrößerten Bildstruktur keine Rolle mehr spielt und b) der Abbildungsmaßstab so groß wird, daß die Aberrationen schon fast denen bei unendlich entsprechen, dann ist das Bild so dunkel, daß man wieder nicht viel über die Bildqualität aussagen kann.
Man kommt also über Meßinstrumente und Spezialgeräte (z.B. Punkt- oder Spaltlichtquelle und Kollimator vor dem Fernglas, Drehteller mit Winkelteilung als Auflage des Fernglases und langbrennweitiges Fernrohrobjektiv mit Abtastspalt und Photosensor hinter dem Okular) und z.B. Computer- und Softwareaufwand zur Auswertung der MTF (Modulationsübertragungsfunktion) nicht aus. Das wäre aber erst mal nur eine Vorrichtung zur Prüfung der Schärfe radialer und tangentialer Strukturen. Um die Farbsäume, Verzeichnung, Bildfeldwölbung und Transmission zu beurteilen, braucht man wieder andere oder zusätzliche Einrichtungen. Und wenn man dann mit großem meßtechnischen Aufwand alles Wichtige erfaßt und Zahlenwerte für alle Parameter vorliegen hat, stellt sich die große Frage, welche Relevanz die einzelnen Werte überhaupt für den visuellen Bildeindruck haben ...
Also schaut man am besten gleich ohne all diesen nur für Fernglaskonstrukteure und Qualitätskontrolleure in der Fertigung interessanten Apparatepark einfach mit dem Auge durchs Fernglas — und siehe da, was man nun an Qualität oder an Mängeln erkennt, hat allerhöchste Relevanz für den visuellen Bildeindruck!
Wählen Sie also die letztgenannte Alternative, und Sie haben dann sogar den Vorteil, daß sogar Ihre ganz individuellen Gegebenheiten in die Beurteilung eingehen, z.B. Ihre Sehschärfe, ein eventuell vorhandener Astigmatismus, Ihre maximale Pupillengröße und Ihr Akkommodationsvermögen, falls Sie Brillenträger sind, auch die aus den Eigenschaften Ihrer Brille (Hornhautscheitelabstand, Dioptrienzahl, bei Weitsichtigkeit auch Mittendicke des Brillenglases), die für den von Ihnen benötigten Austrittpupillen-Längsabstand maßgeblich sind. Besser kann man es sich doch gar nicht wünschen!
Walter E. Schön