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"Übersättigung" der Luft? Kondensationskeime - es geht auch ohne

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16. Oktober 2006 18:24
Zu Beginn möchte ich wiederholen, dass die folgenden Betrachtungen für naturwissenschaftlich weniger Interessierte entbehrlich sind, und ich hier niemanden unnötig langweilen möchte, geschweige denn in entlegene Sphären abheben...


Wie schon angedeutet sind Phasenübergänge nicht trivial. Mit einer rein energetischen Betrachtungsweise kann man das Phänomen der Übersättigung, einer Zwischenstufe beim Wechsel von Aggregatzuständen, nicht verstehen. Denn wenn man die Sache sozusagen wie ein Bilanzbuchhalter betrachtet, also vom rein energetischen Standpunkt aus vorher (Dampf) und nachher (Kondensat) vergleicht, kann man zwar das Endergebnis (die Zustandsform, den sog. Aggregatzustand) begründen, nicht aber sein Zustandekommen und auch nicht mögliche Zwischenstufen. Hierfür muß man die Reaktionskinetik (die Geschwindigkeit mit der die Moleküle interagieren, den Verlauf der Molekülzusammenstöße usw.) und die Reaktionsentropie (ein Maß für die Ordnung bzw. Unordnung einer Molekülanhäufung) mit heranziehen, also eine dynamische Betrachtungsweise. Das macht die Dinge wieder mal hübsch kompliziert.


Die energetische Betrachtungsweise

Zunächst muß man sich entscheiden, ob man die Vorgänge der Kondesation oder Verdampfung in einem abgeschlossenen Volumen betrachten möchte (diesen Fall lassen wir hier mal weg) oder bei "offenem Gefäß" unter konstantem Athmosphärendruck. In letzterem Fall, der im Alltag meist vorliegt (nicht aber in Ihrem Schnellkochtopf) wird ein Teil der Energie, die bei einen Phasenübergang aufgewendet (Verdampfung) oder frei wird (Kondensation) für die sogenannte Volumenarbeit gegen den Athmosphärendruck verwendet. Bei der Kondensation quetscht der Athmosphärendruck die vorher im Dampf schnell und weit umherfliegenden Wasserteilchen sozusagen zusammen und er kann dies nun deshalb tun, weil die Teilchen durch die Temperaturabsenkung (den Wärmeentzug) genug von ihrem hohen Tempo verloren haben und die zwischenmolekularen Anziehungskräfte durch die Abstandsverringerung nun zu wirken beginnen.

Lagern sich die Teilchen nun soweit zusammen, das eine Art lockeres Netzwerk entsteht, eine fluide Phase, wird die dabei frei werdende Energie, die zuvor im hohen Tempo der isolierten Teilchen steckte, an die Umgebung durch Wärmetausch weitergereicht. Diesen zweiten Anteil der Energie, der für die Bilanzbetrachtungsweise der thermodynamisch entscheidende ist, und der bei einem Prozess unter konstantem Druck als Wärme übertragen wird (Wärme ist Energie, die infolge einer Temperaturdifferenz übertragen wird), nennt man Enthalpie. Bei der Kondensation wird also Enthalpie frei und nicht benötigt, wie sie angenommen haben. (Nur bei der Umkehrung, der Verdampfung, wird sie benötigt).


Die dynamische Betrachtungsweise

Nach dem bisher gesagten sollte man also annehmen, das bei Entzug einer bestimmten Energiemenge, genauergesagt Enthalpiemenge, unser Wasserdampf automatisch kondensieren muß. Das sieht der Wasserdampf anders. Denn die Wasserteilchen müssen nicht nur zusammentreten, sie müssen es aufgrund ihrer molekularen Struktur auf eine bestimmte Weise tun, nämlich in einer geeigneten Orientierung zueinander. Wassermoleküle haben eine gewinkelte Dipolstruktur und können es nahe beieinander nur in bestimmten Orientierungen zueinander bequem aushalten. Die möglichen Netzstrukturen sind aeusserst vielfältig, von der Temperatur abhängig, und haben oft verblüffende Eigenschaften. (Die Eskimos haben nicht umsonst viele verschiedene Bezeichnungen für Schnee- und Eissorten, und auch die Tatsache, dass Eis eine geringere Dichte als flüssiges Wasser hat, ist auf das im Eis grobmaschigere Molekülnetzwerk zurückzuführen)

Wenn die Wasserteilchen nun beim Kondensieren eine energetisch favorisierte Netzstruktur finden müssen, dann hängt die Geschwindigkeit mit der sie diesen Zustand erreichen können nicht nur von ihrer momentanen Eigengeschwindigkeit ab, sondern auch davon, wie schnell sich ihre Eigengeschwindigkeit gerade verändert, bei der Kondesation also verlangsamt. Anders gesagt, das Tempo der Abkühlung bestimmt mit, wie oft die Teilchen durch Lageveränderung ausprobieren können, in welcher Stellung sie am bequemsten "beieinanderliegen" können. Beim schnellen Abkühlen werden die Teilchen, die schon günstig positioniert sind tendenziell so orientiert bleiben und auf die Ordnung der anderen, auf das "Einrasten", warten. Eine einmal vorgebildete fluide Kleinstruktur lässt die noch freien Teilchen der Umgebung schneller ihren Platz finden.

Beim langsamen Abkühlen dagegen probieren alle länger herum und verlassen auch schon mal eine eigentlich gute Orientierung wieder. Wenn man nun langsam genug abkühlt kann man erreichen, das die Teilchen so langsam werden, das sie die eigentlich energetisch gesehen schon längst bevorzugte Anordnung zum Flüssigen nicht finden. Man muß sie quasi darauf aufmerksam machen aber wenn man das dann tut, gehts zackig: eine unterkühlte Flüssigkeit (das Pendant zu einer übersättigten Gasphase) wird bei Zufuhr einer minimalen Aktivierungsenergie schlagartig fest. Wenn sie Wasser unterkühlen, also so langsam abkühlen, dass es auch weit unter null Grad Celsius flüssig bleibt, reicht ein minimaler Stupser ans Gefäß und alles Wasser wird schlagartig zum Eisblock. Die vorherige flüssige unterkühlte Zustandsform war nur ein instabiler Zwischenzustand im Phasenwechsel, der normalerweise beim raschen Abkühlen so schnell durchlaufen wird, dass man ihn nicht wahrnimmt.

Ein anderer Weg, den Wassermolekülen die richtige Orientierung nahezulegen besteht darin, ihnen eine Oberfläche anzubieten, an die sie sich passend anlagern können. Kondensationskeime (oder wenns ums Verfestigen geht Kristallisationskeime) sind solche Oberflächen, und wenn sie im Voralpenland wohnen sollten haben sie vielleicht schon einmal von den "Regenmachern" gehört, Flugzeugen, die durch Ausbringen von Silberhalogenidsalzen in eine übersättigte Regenwolke diese zum Abregnen bringen, bevor die Unterkühlung bis zur Hagelbildung fortschreitet, die nicht nur die Ernte bedroht. Kondensations oder Kristallisationskeime spielen meines Wissens in Bezug auf den Energiehaushalt keine Rolle, sie wirken quasi nur vorsortierend und beeinflussen die Entropiekomponente des Geschehens. Kondensationskeime sind also nicht zwingend notwendig, aber sie bringen Dynamik ins Geschehen.



Uff uff. Nach diesen für manche vielleicht ermüdenden Betrachtungen leiste ich mir noch eine kleine Frechheit. Ich wünsche ich mir sehr, wie Herr Lüpke, dass Herr Schön bald sein Fernglasbuch herausbringen kann, und nicht auch noch ein Kapitel über die Thermodynamik der Phasenübergänge aufnehmen wird.



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.10.06 18:56.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Anti Beschlag Gläser

Ralf Wiinter 2101 15. Oktober 2006 00:48

Re: Anti Beschlag Gläser

Ralf Wiinter 1246 15. Oktober 2006 00:49

Re: Anti Beschlag Gläser

P. Nisius 1381 15. Oktober 2006 12:41

Re: Anti Beschlag Gläser

Lüpke 1441 15. Oktober 2006 13:13

Re: Anti Beschlag Gläser

P. Nisius 1249 15. Oktober 2006 13:38

Re: Anti Beschlag Gläser

Jens Stolpmann 1274 15. Oktober 2006 21:18

Re: Anti Beschlag Gläser

Thomas 1102 15. Oktober 2006 23:18

Re: Anti Beschlag Gläser: ein wenig Physikalische Chemie

konfokal 1528 16. Oktober 2006 01:03

Re: Anti Beschlag Gläser

Thomas Becker 1344 16. Oktober 2006 12:31

Re: Anti Beschlag Gläser

Thomas Becker 1161 16. Oktober 2006 12:20

Leider enthalten manche (ältere) Antibeschlagmittel Silikon oder Öle

Walter E. Schön 1384 16. Oktober 2006 13:27

Nanotechnologie für hydophile Oberfläche und „Selbstreinigung“

Walter E. Schön 2277 16. Oktober 2006 00:30

Re: Nanotechnologie für hydophile Oberfläche und „Selbstreinigung“

Frank 1147 16. Oktober 2006 07:13

Nebenbei: Was ist eine "Übersättigung" der Luft?

Lüpke 1398 16. Oktober 2006 14:45

Gleichgewicht zwischen Verdunsten und Kodensieren ist dynamisch

Walter E. Schön 1496 16. Oktober 2006 15:39

"Übersättigung" der Luft? Kondensationskeime - es geht auch ohne

konfokal 1621 16. Oktober 2006 18:24

Ich liebe dieses Forum.

P. Nisius 1277 16. Oktober 2006 19:03

Literaturhinweis

Carsten Brühl 1170 01. November 2006 18:00

Re: Literaturhinweis

Armin Stoll 1280 02. November 2006 06:59

Re: "Übersättigung" der Luft? Kondensationskeime - es geht auch ohne

Lüpke 1271 16. Oktober 2006 21:25

Re: Nanotechnologie für hydophile Oberfläche und „Selbstreinigung“

Jinchen Liu 1383 03. August 2007 17:16

Suchen Sie sich mit Google ein passendes Mittel

Walter E. Schön 1184 03. August 2007 17:53

Eher Probleme mit den Okularen

Holger Merlitz 1254 16. Oktober 2006 03:17



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