Alle Kunden wollen kompakte und leichte Ferngläser. Also bauen die Hersteller solche Ferngläser, und dabei bleibt eine vernünftige Streulichtunterdrückung auf der Strecke. Auch wenn intern Abschattblenden eingebaut und alle potentiell Streulicht erzeugenden Tubusinnenwände und andere innere Bauteile wie Schneckengangführungen, Zahntriebe, Gestände der Innenfokussierung usw. gut geschwärzt würden (geschwärzt sind sie fast immer, gut geschwärzt jedoch selten), wäre noch mehr zu tun: Der Tubus sollte innen weiter und vor allem vor dem Objektiv länger sein. Zusätzlich wären ausziehbare Streulichtblenden wie bei einigen astronomischen Großferngläsern und bei Spektiven nützlich, zumindest aber Einschraubgewinde vorn an den Objektiven mit gängigen Filtergewindegrößen, damit notfalls Tele-Streulichtblenden aus dem Fotobereich aufgeschraubt werden können. Hier böte sich ja zudem auch noch ein Zubehörartikel an, der Geld in die Kasse bringt. Leider gibt es hier mit nur ganz seltenen Ausnahmen (z.B. Canon 10x42 L IS WP, Canon 15x50 IS und 18x50 IS) Fehlanzeige.
Ferngläser hinsichtlich ihrer Streulichtanfälligkeit vor dem Kauf zu beurteilen, ist nicht einfach, weil jedes Fernglas sichtbare Reflexe bei irgendwelchen anderen Lichteinfallswinkeln zeigen kann. Mancher Käufer hält sein Fernglas lange Zeit für streulichtfrei oder zumindest streulichtarm, bis dann eines Tages doch eine Beobachtungssituation auftrat, bei der das Gegenlicht (direkt von der Sonne oder nächtlich vom Vollmond oder gespiegelt von einer Wasser- oder Scheefläche) aus genau der richtigen – oder besser: der falschen – Richtung kam und dann doch störende Reflexe auftraten.
Weil dieser Mangel, von dem auch die Elitegläser nicht frei sind, beim Kauf und oft sogar noch eine längere Zeit danach nicht erkannt wird, scheinen die Hersteller zu meinen, auf diesem Gebiet etwas schlampen zu können. Jedenfalls stelle ich bei ALLEN meinen Topferngläsern beim Blick von vorn durchs Objektiv fest, daß keineswegs so schwarze und matte Farbe verwendet wurde, wie sie hätte verwendet werden sollen. Und oft genug sehe ich schwarz GLÄNZENDE Metallteile wie Gestänge, Schrauben, Bleche oder Gewinde an Stellen, von denen bei entsprechendem Lichteinfall hundertprozentig Steulicht ins Bild gelangt. Wir müssen hier diese Schwäche wirklich mit Entschiedenheit immer wieder anprangern, damit sich die Hersteller, die ja an der Optik gar nicht mehr so viel verbessern (oder nur noch mit stark preistreibenden Maßnahmen marginalen Fortschritt erzielen) können, darauf besinnen, daß auf diesem Gebiet noch ein Verbesserungspotential schlummert, das mit noch relativ billigen Mitteln ausgeschöpft werden könnte und vielfach mehr Wirkung bringt als eine weitere 5-Nanometer-Schicht gegen Marienkäferkot auf den Linsen!
Mir ist durchaus klar, daß sich nicht jede Farbe für das Innere eines hermetisch abgedichteten und mit trockenem Stickstoff befüllten Tubus eignet, weil z.B. etwas ausdampft und sich auf den Linsen niederschlagen kann oder die Dichtungen angreift. Ich weiß auch, daß eine reflexarme Beflockung die Gefahr birgt, daß sich Teilchen lösen und dann unkontrolliert innen umheschwirren. Aber ich bin sicher, daß zu vertretbaren Kosten ein erheblich besseres Mattschwarz auf allen Innenteilen möglich wäre. Übrigens sollten dort, wo gefettete oder durch andere Schmier- oder Gleitmittel glänzend gewordene Gewinde von außen sichtbar sind und somit gleichfalls zu Quellen von Streulicht werden können, Abschattblenden den Lichteinfall verhindern. Meine Damen und Herren bei Leica, Swarovski, Zeiss und Co., es gibt noch viel zu tun - packen Sie's an!
Walter E. Schön
PS.: Ich bin gespannt, welcher Hersteller als erster die bei Teleobjektiven schon lange üblichen ausziehbaren Streulichtblenden an einem Fernglas anbietet. Ich wette, es wird ein japanischer oder gar chinesischer Hersteller sein, wenn die europäischen nicht bald aufwachen.
