Erfahrungsbericht Canon 12x36 IS II
3 Tage nach der Bestellung ist das Canon vorgestern bei mir angekommen, ein Lob an der Internethändler Pixxass und auch noch der ergänzende Hinweis, dass das Glas absolut ohne jegliche Gebrauchsspuren und in versiegelter Originalpackung angekommen ist.
Ich erlaube mir einmal, die Gliederung von Herrn Schön zu übernehmen:
1. Aussehen, Verarbeitung, erster Eindruck:
Entgegen erster Befürchtungen wirkt das Glas solider als ich gehofft habe. Kein Plastikspielzeug, sondern ein hochwertiges optisches Gerät, dieser erste Eindruck bestätigt sich später. Das Material der Gehäuseoberfläche scheint eine relativ feste Gummierung zu sein, die sich recht angenehm anfühlt, gegebenenfalls aber bei verschwitzten Fingern etwas 'glitschig' werden könnte. Die Fokussierung läuft ausreichend leichtgängig, es liegt ein klitzekleines Spiel beim ändern der Drehrichtung vor, maximal aber 0,5mm (wenn man den Rand des Rädchens als Anhaltspunkt heranzieht). Dem Glas liegt ein Kunstoffgewebebeutel mit Reißverschluss bei, sowie ein Tragegurt und 2 Okularkappen (die fest sitzen). Der Batteriedeckel ist sehr solide gefertigt, kein bisschen klapperig.
Es ist insgesamt viel hochwertiger Kunststoff verbaut, an die gefühlte Wertigkeit eines Trinovids beispielsweise jedoch kommt das Canon nicht heran.
2. Größe und Gewicht, Haptik:
Das Glas lässt sich ergonomisch bedienen. Drückt man mit dem Mittelfinger die Stabilisierungstaste, so lässt sich mit dem Zeigefinger gleichzeitig noch gut die Fokussierung betätigen. Die Dioptrienverstellung ist nicht zu leichtgängig. Das recht geringe Gewicht (ca. 740 gr. inkl. Batterien) erlaubt langes ermüdungsfreies Beobachten, das Glas wirkt recht kompakt.
3. Augenmuscheln und Einblickverhalten:
Ich trage beim Beobachten keine Brille und kann mit ausgeklappten Gummiaugenmuscheln das volle Sehfeld bis zur Feldblende überblicken. Der AP-Längsabstand ist so groß, dass ich die Okularlinsen nicht (bzw. nur ganz leicht) mit meinen Wimpern voll schmiere. Praktisch, da weniger Putzerei. Da ich das Glas alleine anwende, ist für mich die Konstruktion der GAM nicht problematisch. Das mögen andere Anwender aber berechtigterweise anders beurteilen. Bedingt durch die relativ kleine Austrittspupille (ca. 3mm) ist das Einblickverhalten nicht vollkommen unproblematisch. Beim Schwenken bemerke ich einen geringen Kidney-Bean-Effekt. Ich nehme an, dass ich durch etwas Übung hier optimieren kann.
4. Dioptrienkorrektur und Überhub:
Hier fehlt mir das Know-how. Wenn ich auf ‚unendlich’ fokussiere, kann ich noch ca. 190° über 'unendlich' das Fokussierrädchen weiterbewegen (meine Sehstärke liegt vermutlich bei +/- 1 Dioptrien).
5. Sehfeldgröße:
Lt. technischer Spezifikation 60°. Man fühlt sich sehfeldtechnisch bestens versorgt, die Praxis bestätigt das. Kein Superweitwinkel, aber voll befriedigend !
6. Fokussierung und Nahgrenze:
Die Fokussierung ist leichtgängig und für mein Empfinden gut übersetzt. Ein ganz leichtes Spiel hatte ich angesprochen, man bemerkt es, es stört mich jedoch nicht. Die Nahgrenze liegt bei meinem 12x36 bei ca. 6,8 Metern, damit kann ich leben, wenn es auch nicht ein 'Makro'-Glas ist. Da gibt es Verbesserungspotential. Slip-Stick-Effekte sind mir nicht aufgefallen.
7. Stativbefestigung:
Habe ich nicht gefunden, ist Dank der Stabilisierungsfunktion auch nicht erforderlich.
8. Transmission und Farbtreue:
Das Glas wirkt sehr hell. Der Test gegen ein weißes Blatt Papier bei Blick auf dasselbe durch die Objektive ergibt ein annähernd farbneutrales Ergebnis.
9. Schärfe und Kontrast:
Die Auflösung ist bis zum Bildrand auf einem sehr gutem Niveau. Angeregt durch Robert Fritzen teile ich gerne mein Alter mit:39. Der Kontrast ist auch bei problematischen Beobachtungssituationen gut. Anders als vielfach behauptet, lässt die Güte der Bildstabilisierung mit Blickrichtung auf höhere Objekte NICHT signifikant nach. Hält man das 12x36 etwas konzentriert halbwegs still, wird dies einem mit einer fotoartigen Bildruhe belohnt. Der Detaillgewinn ist extrem. Die Wirkung der Stabilisierung setzt nach dem Drücken des Knopfes schlagartig ein und ist dann nach weiteren 1-2 Sekunden optimal.
Saturn war gestern Abend als scharfe Ellipse zu sehen. Weitere ausführlichere Beobachtungen bei astronomischem Einsatz hänge ich hier noch ran! Das Wetter ist einfach nicht danach, momentan.
Ein neues Hobby scheint sich anzukündigen: Flugzeugbeobachtung! Erkennen der Linie, Spiegelungen der Sonne am Flugzeugkörper, die Kondensstreifen, einfach schön anzusehen.
Das Glas ist auf das hochfrequente Zittern der menschlichen Muskulatur ausgelegt. Größere Auslenkungen des Glases kann die Stabilisierung nicht kompensieren. Für die Beobachtung aus dem fahrenden Jeep im Gelände gibt es ja aber auch andere Ferngläser. Dafür lässt das Canon Schwenks zu (z.B. beim Beobachten fliegender Vögel), ohne dass es zu unschönen Korrekturversuchen der Regelung kommt.
10. Streulicht und Reflexe:
Der klassische Test in der Dämmerung (dunkler Wald gegen hellen Himmel) liefert gute Ergebnisse. Es sind keine signifikanten sichelförmigen Erscheinungen bzw. generelle Aufhellungen des Sehfeldes festzustellen. Das Streulichtverhalten scheint sehr unproblematisch zu sein. Der Blick auf die am Horizont untergehende Sonne wird untermalt von pechschwarzen Ästen im Vordergrund, es sind kaum Bildaufhellungen festzustellen. Der Test am Mond steht mangels Mond noch aus; die nächste übliche Verdächtige, die Straßenlaterne, die als Testobjekt erhalten muss, liefert nur geringe Reflexe, dafür aber Farbsäume. Siehe nächster Abschnitt. Lichtquellen außerhalb des Sehfeldes beeinflussen das Bild praktisch nicht, hier muss aber noch etwas genauer getestet werden.
11. Farbsäume:
Das System 'Gaebe-IS12x36' funktioniert hier noch nicht optimal. Der Blick in Baumkronen bei hellem Hintergrund ergibt ein Zwischenurteil aus "recht passabel" bis 'purple fringing'. Die Venus wurde heute Abend annähernd punktförmig dargestellt, machte aber einen relativ bunten Eindruck. Hohe Kontraste (z.B. Schornstein gegen hellen Himmel) ergeben deutliche blaue bzw. gelbe Farbsäume. Diese lassen sich durch exaktes Einstellen des Augenabstandes zwar verringern, aber sie sind noch auffällig.
Das mag mit etwas Übung zu optimieren sein, ich berichte hiervon noch. Ich vermute, dass ich die optimale Einstellung bzgl. der Augenweite noch nicht gefunden habe.
Eine soeben abgeschlossene Kurzexkursion in´s Blockland zeigt, dass durch eine pingelige Justage des Okularabstandes sich die Farbsäume besser in den Griff bekommen lassen. Sie bleiben aber deutlich wahrnehmbar. Nun ist leider ein ausgewachsener Höckerschwan auch ein fieses Testobjekt ;-)
12. Verzeichnung:
Leicht kissenförmig, recht gering, aber deutlich zu erkennen. Kein 'Globuseffekt' beim schwenken.
FAZIT
Negativ festzuhalten wären die:
- vereinzelt festzustellen Farbsäume bei Motiven, die einen extremen Kontrast aufweisen.
- verbesserungswürdige Nahgrenze
- Gummiaugenmuscheln zum Umstülpen, wer dies häufiger tun muss, hat ein gewisses Handicap
Positiv:
- Beeindruckende Bildschärfe, insb. im Stabi-Modus, der sehr gut funktioniert.
- Auflösung und Kontrast
- Gewicht und Handlichkeit
Kaufempfehlung für jeden Optikliebhaber, dem noch ein bildstabilisiertes Fernglas in seiner Sammlung fehlt.
Der aktuell zu zahlende Preis von ca. 520,- € ist m.E. günstig.
Beste Grüße
Carsten Gaebe