"In der Begegnung mit dem sehr erfahrenen Vogelbeobachter wurde übrigens noch einmal bestätigt dass das Hören bei der Bestimmung der Vogelarten viel wichtiger ist als das Sehen ( mit oder ohne Fernglas )."
Den Satz möchte teils bestätigen, teils relativieren. Altersbedingt (Hochtonschwerhörigkeit beginnt oft schon mit 30 Jahren) kann ich wie viele andere auch z.B. leider einige hohe Töne, z.B. von Goldhähnchen oder das Klingeln durchziehender Heckenbraunellen, nur noch aus der Nähe hören. Es gibt auch Personen, die diese hohen Töne gar nicht mehr hören. Mediziner sehen aber keinen Handlungsbedarf, solange die Hörbarkeit menschlicher Stimmen nicht messbar beeinträchtigt ist, und das ist sie in meinem Fall nicht. Trotzdem sind meine Zählergebnisse bei manchen Singvögeln aber leider wohl nicht mehr vergleichbar mit denen jüngerer geübter Beobachter. Man merkt eine derartige Hochtonschwerhörigkeit übrigens erst, wenn man mit anderen, dann meist deutlich jüngeren Beobachtern, Exkursionen unternimmt. Vor diesem Problem werden früher oder später wohl fast alle "sehr erfahrenen" Vogelbeobachter stehen. Eine Lösung dafür gibt es leider nicht. Für die Erstellung landesweiter genauer Atlanten, die quantitative Unterschiede wiedergeben wollen, stellen derartige körperliche Fähigkeiten der Beobachter einen nicht zu unterschätzenden Unsicherheitsfaktor dar.
Wer in fremden Kontinenten vor allem Waldvögel beobachten will, sollte sich immer die (oft schon im Internet) erhältlichen Stimmen auf einen ipod oder einen ähnlichen mp3-player herunterladen. Das erleichtert in vielen Fällen eine Bestimmung vor Ort und vor allem eine relative Einschätzung der Häufigkeiten bestimmter Arten.
Soweit die Bestätigung.
Nun die Relativierung: Manche Rufe von Vögeln ähneln sich leider so sehr oder sind bisher auch nicht genau dokumentiert worden, so dass ein Sichtnachweis, ein Fotobeleg oder gar ein Fang erforderlich ist, um einen Vogel sicher bestimmen zu können. Nur auf Grund einer Rufbeschreibung würde mir niemand zum Beispiel die Feststellung eines Gelbbrauenlaubsängers glauben, auch wenn das inzwischen in Norddeutschland und erst recht in den Niederlanden eine regelmäßige alljährliche Erscheinung ist. Vielleicht würde dazu nicht einmal eine Tonaufnahme der Rufe reichen.
Selbst die Gesänge einiger Arten können sich sehr ähneln. Man muss z.B. mit dem Gesang der Sperbergrasmücke sehr vertraut sein, um sie anhand einer kurzen Strophe eindeutig bestimmen zu können. Gartengrasmücken können ganz ähnliche Strophen singen. Nur die Sichtbeobachtung hilft dann weiter. Aus den Niederlanden hörte ich von einer Untersuchung, aus der hervorgeht, dass Zählungen nur aufgrund des Gesanges von Tannen- und Sumpfmeisen völlig falsche Ergebnisse erbringen können. Genaue Zahlen erhält man streng genommen nur mit Sichtbestätigung. Bei einigen Grasmücken des Mittelmeergebietes muss man sich als Mitteleuropäer immer wieder vor Ort "einhören", um sicherer zu werden, und muss dann zuerst auch eine Sichtbeobachtung anstreben. Wer z.B. verschiedene Schwarzkehlchen-Formen voneinander unterscheiden möchte, dem hilft die Stimme auch nicht weiter, sondern der muss z.B. den Unterflügel des Tieres sehen können (Spektiv erforderlich).
Dialekte und Hybridsänger kommen hinzu und bieten zum Teil leider zur Zeit unlösbare Bestimmungsprobleme, sofern man das Tier nicht fangen kann oder darf.
Bei weiter entfernten Greifvögeln, Seevögeln, beim Fang von jungen Singvögeln im Herbst usw. spielen die Stimmen oft auch gar keine Rolle. Wenn man junge Teichrohrsänger fängt, kann man sie u.U. nicht von jungen Sumpfrohrsängern unterscheiden, da sich die Maße überschneiden. Selbstverständlich muss man ein solches Tier unbestimmt freilassen. Es dürfte allerdings sogar vorgekommen sein, dass in besonderen Fällen Vogelwarten Jungvögel in Käfighaltung genommen haben, um zu sehen, als was sich diese Tiere nach der Mauser entpuppen würden.
Zusammengefasst würde ich doch sagen, beides, Hören und Sehen, gehören zusammen. Aber ich möchte auch ausdrücklich darauf hinweisen, dass auch "sehr erfahrene" Vogelbeobachter oft in Situationen geraten, in denen sie auf die Frage, um was für einen Vogel es sich handelt, keine Antwort geben können.
MP
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.07.07 15:04.