Über den Ihnen von Forumsteilnehmer „MP” mitgeteilten Link haben Sie die neusten Ergebnisse der von Herrn Uwe Kuhn mit einem Spektralphotometer durchgeführten Messungen vorgefunden, das sonst für farbmetrische Zwecke benutzt wurde (wofür eine Kalibrierung aus Absolutwerte überflüssig ist). Leider steht dort kein expliziter Hinweis darauf, daß die Meßvorrichtung in seinem Labor nur Vergleichsmessungen erlaubte und Herr Kuhn deshalb für seine mehr als zwei Jahre zurückliegenden ersten Messungen einfach das ziemlich weitverbreitete und daher gut bekannte Docter Nobilem 10x50 (vermutlich sein eigenes und deshals für jeden neuen Meßdurchlauf problemlos verfügbare Fernglas) als Referenz-Fernglas beutzte und dessen gemessenen Vergleichswert willkürlich auf 100% festlegte. Sie hätten auch den Beitrag von Herrn Kuhn vom 12.3.2005 lesen müssen, den Sie hier finden:
www.juelich-bonn.com/jForum/read.php?9,8654,8654
Herr Kuhn hat dann in späteren ergänzenden Messungen an diesem Referenzwert festgehalten und u.a. am 30.6.2005 sowie am 11.4.2007 die Ergebnisse weiterer Ferngläser hinzugefügt.
Da es in der Praxis vor allem um den Vergleich zwischen den verschiedenen Ferngläsern geht, ist das nicht weiter schlimm. Man muß nur aufpassen, die angegebenen Werte nicht für absolute Transmissionswerte zu halten und evtl. mit solchen aus anderen Quellen, z.B. aus Zeitschriftentests oder Herstellerangaben, zu vergleichen. Wollte man das tun, so müßten erst für das als Referenz benutzte Docter Nobilem 10x50 der absolute Transmissionswert neu gemessen und dann alle Zahlenwerte der Kuhnschen Tabelle mit dem so gewonnenen Korrekturfaktor multipliziert werden.
Die über 100% liegenden Angeben bedeuten also nicht, daß aus dem Okular „mehr Licht” herauskommt, als vorn ins Objektiv einfällt – wäre das möglich, so könnten wir aus einer Fernglaskaskade Kraftwerke bauen und alle unsere künftigen Energieprobleme lösen. Die Zahl bedeutet vielmehr, daß bei dem betreffenden Fernglas entsprechend mehr (oder bei Zahlen unter 100%: weniger) Licht hinten herauskommt als bei einem Docter Nobilem 10x50, in das vorn ebensoviel Licht wie beim anderen Fernglas einfällt.
Ihre Frage nach den Meßschritten (0,5 nm von 440 nm bis 720 nm) wird in Herrn Kuhns Beitrag erklärt, den Sie mit dem obigen Link finden. Die Zeiss-Kaltlichtquelle KL1500LCD ist eigentlich eine Schott-Kaltlichtquelle. Sie hat ohne Konversionsfilter eine Farbtemperatur von 3200 K, was leider nicht ideal war. Besser wäre es gewesen, wenn Herr Kuhn mit Konversionsfilter bei 5500 K gemessen hätte. Um aber ganz präzise zu sein, hätten die Meßergebnisse dann auch noch nach der V-Lambda-Kurve für Tageslicht- (Zapfensehen) bzw. nach der V'-Lambda-Kurve für Nachtbeobachtung (Stäbchensehen) gewichtet werden müssen.
Alles das sind erhebliche Vorbehalte gegen blindes Vertrauen auf die Relavanz der Meßwerte von Herrn Kuhn für die Praxis. Ich sehe beispielsweise in der Verwendung der Farbtemperatur 3200 K (also einer sehr stark rotlastigen Spektralverteilung) eine unzulässige Begünstigung der Dachkantferngläser mit Silberverspiegelung, da Silber eine im Blaubereich gegenüber Aluminium und dielektrischer Verspiegelung deutlich abfallende und im Rotbereich (bis ins Infrarot hinein) stark ansteigende Relexionsgradkurve hat. Davon wäre aber in der letzten Tabelle von Herrn Kuhn vom 11.4.2004 wohl nur das Nikon 10x42 HG (mit dem relativen Wert 104,1%) betroffen, weil meines Wissens dieses das einzige Fernglas seiner Auswahl mit Silberverspiegelung ist.
Trotz dieser Bedenken und Einschränkungen halte ich die Meßwerte von Herrn Kuhn für nützlich, wenn man sie nicht überbewertet und nicht aus unterschiedlichen Nachkommastellen Qualitätsurteile ableitet, sondern sie Werte nur als grobe Anhaltswerte betrachtet. In der Praxis sind Unterschiede erst in der Größenordnung von ca. 2 bis 3% wirklich bemerkbar und somit relevant, und dafür ist die Tabelle von Herrn Kuhn genau genug. Soweit ich die dort angegebenen Ferngläser aus eigener Erfahrung kenne, und das sind doch ziemlich viele, entsprechen die relativen Transmissionswerte doch recht gut meinen visuellen Eindrücken von der jeweiligen Bildhelligkeit (auch nach meinem hier schon mehrfach vorgestellten und empfohlenen „Papiertest”, auf den ich übrigens in den nächsten Tagen wegen der völlig unsinnigen Kritik eines sich Kompetenz anmaßenden Dummkopfs im Forum Astronomie.de noch einmal ausführlich eingehen werde, sobald ich dafür ausreichend Zeit finde).
Walter E. Schön