Kraniche außerhalb der Brutzeit sind gesellig. Sie schlafen bei uns, wohl aus Sicherheitsgründen, stehend im Wasser, wachen vor Sonnenaufgang auf und beginnen normalerweise nach Sonnenaufgang mit dem Abflug auf die Nahrungsplätze, übrigens in der Regel nach schlafenden Gänsen. Sie fliegen also morgens ab, um zu fressen.
Falls Sie nun den Wegzug mit Ihrer Frage meinen, so weiß man von bestimmten Kleinvogelarten, dass eine Genkombination, die natürlich auch mutieren kann, die Zugrichtungen und die Zugzeit programmiert. Im Laborversuch wurde an Mönchsgrasmücken gezeigt, dass die Zugrichtungen nach den Mendelschen Regeln intermediär vererbt werden. So genannte "Irrgäste" sollten vielleicht besser als solche Mutanten interpretiert werden, denn es ist wichtig für die Individuen, sich neue Lebensräume unter wechselnden Umweltbedingungen erschließen zu können. Von südwestdeutschen Mönchsgrasmücken ist bekannt, dass sie seit ca. 50 Jahren zunehmend Südengland als Winterquartier nutzen, während die britischen Mönchsgrasmücken offenbar weiterhin nach Afrika fliegen.
Die Temperatur beeinflusst Vögel (direkt als Kältewirkung) kaum, nicht umsonst verwenden wir Daunen in Decken und Jacken. Kraniche und andere Arten ziehen also fort und kehren zurück, weil sie saisonal nicht mehr ausreichend Nahrung im Brutgebiet vorfinden. Man könnte auch umgekehrt formulieren: Sie sind nach der letzten Eiszeit in Europas Mitte und Norden gezogen, weil es dort nach Rückgang des Eises saisonal günstige Bedingungen für Ernährung und Brut gab und unter den genetisch programmierten Zugrichtungen dann entsprechend selektiert und die begünstigte dann weitervererbt wurde.
Im Berliner Raum sah man auch im letzten Winter mit tiefen Temperaturen vereinzelte kleine Kranichgruppen, von denen m.W. nicht bekannt ist, woher sie stammen. Da die Brutpaare sehr früh im Jahr zu beobachten sind, kann man vermuten, dass es sich um einheimische Brutpaare handelt. Der Vorteil eines nahen Winterquartiers liegt im Vermeiden der Gefahren, die auf dem Zugweg drohen, und der Vorteil der frühen Ankunft liegt in der Auswahl der besten Brutreviere, was die Fortpflanzungschancen erhöht. Das Risiko, da zu bleiben, liegt eben in der schlechteren Ernährungsmöglichkeit und dem womöglich stark ansteigenden Sterblichkeitsrisiko, vor allem bei Kältewintern.
MP
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.10.09 11:41.