Willkommen! Anmelden Ein neues Profil erzeugen

Erweiterte Suche

Definition der Verzeichnung und resultierende Folgen (vorsicht, langer Beitrag!)

Juelich-Logo

 
Impressum
 
Forumregeln
 
Lupen
Mikroskope
Schulung
Messtische
Mess-Software
Mikroskopierdienst
Mikroskopservice
Sonderanfertigungen
 
Ferngläser
Spektive
Teleskope
Globen
 
Sonderposten
Veranstaltungen
Forum
Testberichte
 
AGB
Impressum
Haftungsauschluss
Datenschutzerklärung
Kontakt

 

13. Januar 2008 18:40
Unter Verzeichnung einer optischen Abbildung versteht man die Abweichung der Bildpunktlage von dem Ort, an dem die Bildpunkte eigentlich (nach den Gesetzen der Zentralperspektive) liegen sollten.

Wenn man den Strahlengang durch ein Objektiv in stark vereinfachter Form auf dem Papier in einer Ebene aufzeichnet, die die optische Achse enthält, kann man zu jedem Gegenstandspunkt so den nach der geometrischen Optik zu erwartenden Bildpunkt finden: Man verbindet den Gegenstandspunkt durch eine gerade Linie mit dem „Mittelpunkt des Objektivs“ und verlängert diese Linie über diesen Mittelpunkt weiter geradlinig bis zum Schnittpunkt mit der Bildebene. Wenn man dann mehrere verschiedene Gegenstandspunkte in gleicher Entfernung vom Objektiv annimmt (z.B. Punkte auf einer zu fotografierenden oder mit dem Fernglas zu beobachtenden Testtafel), die unterschiedlichen Abstand von der optischen Achse haben, dann haben auch deren Bildpunkte in der Bildebene unterschiedlichen Abstand von der optischen Achse, und zwar in der Weise, daß alle Gegenstandspunktabstände von der optischen Achse proportional sind zu den jeweils entsprechenden Bildpunktabständen von der optischen Achse. Bestünde die Testtafel aus einen Liniengitter mit konstantem Linienabstand (z.B. 5-mm-Kästchenpapier aus dem Schulheft), so wäre auch das Bild davon wieder ein Liniengitter mit weiterhin geraden Linien und konstanten Abständen benachbarter Linien, nur je nach Verkleinerung oder Vergrößerung der Abbildung mit verkleinerten oder vergrößerten Linienabständen.

Man kann diese sehr stark vereinfachte Darstellung des Strahlengangs präziser machen, wenn man das Objektiv nicht als unendlich dünn (im obigen Fall eigentlich sogar punktförmig) annimmt und dann die sog. Hauptebenen definiert, aber das macht zwar die Abstandsverhältnisse der Gegenstands- und Bildpunkte vom Objektiv präziser, ist aber für die Betrachtung der Verzeichnung unerheblich. Darüber hinaus könnte man den Strahlengang durch sog. Raytracing-Berechnung noch präziser darstellen, was dann schon einen enormen mathematischen Aufwand erfordert. Aber auch das ist bezüglich der idealerweise zunächst als verzeichnungsfrei angenommenen Abbildung unwesentlich. Wir können daher hierfür bei diesem sehr einfachen Strahlengangs-Modell bleiben.

Bei einer solchen unverzeichneten Abbildung bleiben gerade Linien gerade und ihre Abstände voneinander proportional (ändern sich also nur im Verhältnis der jeweiligen Verkleinerung oder Vergrößerung).

Tatsächlich aber erzeugen die Objektive und Okulare des Fernglases (auch das Okular ist ein abbildendes Objektiv) jeweils eine gewisse Verzeichnung. Das bedeutet, daß der Bildpunkt nicht genau dort entsteht, wo er nach der oben angenommen einfachen Strahlengangzeichnung sein sollte, sondern ein wenig näher an der optischen Achse (= negative Verzeichnung) oder weiter davon entfernt (= positive Verzeichnung). Um ein Maß für die Verzeichnung angeben zu können, mißt man in der Bildebene den Abstand des Bildpunktes vom Durchstoßpunkt der optischen Achse mit der Bildebene (normalerweise also von der Bildmitte*), und zwar sowohl für den Soll-Bildpunkt (dessen Abstand wird als 100% angenommen) und für den tatsächlichen, also den Ist-Bildpunkt. Den Abstand von der optischen Achse in der Bildebene bezeichnet man als Bildhöhe. Wenn die Ist-Bildhöhe kleiner als die Soll-Bildhöhe ist, z.B. bei einem Bildpunkt nahe der Bildecke einer Kleinbildaufnahme bei 19,4 mm statt bei richtig 20 mm, also bei 97% der Soll-Bildhöhe, dann ist die Verzeichnung (= Abweichung von der richtigen Lage, siehe ganz oben, erster Satz) negativ und beträgt in diesem Falle -3%.

Überprüft man auf gleiche Weise die Abweichung der Bildlage für weitere Bildpunkte, z.B. für solche, die 1 mm, 2 mm, 3 mm, 4 mm, ... bis 21 mm weit von der optischen Achse entfernt liegen SOLLTEN, dann kann man nach Berechnung der jeweiligen Prozentwerte eine Verzeichnungskurve für den Verlauf der Verzeichnung von der optischen Achse (= Bildhöhe 0 mm) bis zur Bildecke (= Bildhöhe ca. 21 mm) aufzeichnen. Man kann dann feststellen, daß bei den meisten langen Teleobjektiven diese Kurve zunächst bei 0 horizontal beginnt, denn zunehmend steiler aufwärts weist und z.B. bei Werten um 2% bis 4% in der Bildecke bei 21 mm Bildhöhe endet. Eine solche Verzeichnung ist positiv und steigt über den gesamten Bereich hinweg allmählich und fast immer zunehmend an.

Die meisten Weitwinkelobjektive verhalten sich insofern anders, als die Verzeichnungskurve fast immer von 0 aus nach unten verläuft, also negativ ist. Ferner wird sie zunächst auch immer steiler, doch meistens beginnt sie ab irgendeiner Bildhöhe wieder flacher zu werden. Sie kann eventuell sogar ab einer weiteren Bildhöhe sogar wieder leicht ansteigen, also sich der x-Achse im Diagramm annähern, wenn die negativen Verzeichnungswerte dem absoluten Betrag nach kleiner werden (z.B. ..., -1,2%, -1,1%, -0,9%, -0,6%, ...).

Betrachtet man schließlich Zoomobjektive aus vielen Linsen (oft mehr als 15) im Weitwinkelbereich, so kommt es sehr oft ähnlich wie bei Weitwinkelobjektiven fester Brennweite zu einer Verzeichnungskurve, die zunächst horizontal beginnt, dann immer stärker negativ wird, also immer steiler abfällt, dann ab einem sog. Wendepunkt wieder flacher wird, dann in einem sog. Minimum wieder horizontal und danach wieder immer steiler werdend aufsteigt, die x-Achse durchschneidet und von da an weiter aufwärts positive Werte annimmt. Ab irgendeiner Bildhöhe kann diese Kurve dann bei einem weiteren Wendepunkt auch wieder flacher werden. Es wechselt also sowohl das Vorzeichen der Verzeichnung (negativ/positiv) als auch die Richtung (abfallend/aufsteigend/evtl. wieder abfallend).

Betrachten wir nun eine gerade vertikale Linie in einem Querformat-Kleinbildfoto nahe dem rechten Bildrand.

1. Nehmen wird zunächst das Telefoto. Die Mitte einer vertikalen Linie im Abstand von 1 mm zum Bildrand hat die Bildhöhe 17 mm. Wenn diese Linie im Bild gerade wäre, weil das Objektiv nicht verzeichnet, dann hätten der oberste und der unterste Punkt (= 12 mm über der horizontalen Mittellinie) dieser geraden Linie eine Bildhöhe von 20,81 mm, berechnet nach Pythagoras h = Wurzel aus (17² + 12²). Da bei diesem Objektiv die Verzeichnungskurve ständig im positiven Bereich aufwärts läuft, ist die Verzeichnung an dieser Stelle größer als in der Mitte der geraden Linie mit der Bildhöhe von nur 17 mm. Darum werden die beiden Enden dieser Linie ein wenig weiter nach außen verschoben, und zwar in radialer Richtung (also von der optischen Achse weg schräg nach rechts oben bzw. schräg nach rechts unten). Die Linie wird als kissenförmig durchgebogen.
Eine solche kissenförmige Durchbiegung entsteht also immer, wenn die Verzeichnung weiter außen „positiver“ als weiter innen ist, unabhängig davon, ob sie negativ oder positiv ist (z.B. ist -0,8% zwar negativ, aber positiver als -1,1%).

2. Nehmen wird dann das Weitwinkelfoto. Hier stellen wir meistens schon relativ weit innerhalb, also schon weit vor dem Bildrand, eine tonnenförmige Durchbiegung fest, wenn sich dort gerade Linien befinden. Das liegt daran, daß sich in dem noch relativ nahe an der Bildmitte liegenden Bereich die Verzeichnungskurve schon ziemlich steil nach unten bewegt, die Verzeichnungswerte also immer „negativer“ werden. Dort, wo die Verzeichnungskurve dann einen Moment lang horizontal verläuft, bevor sie wieder ansteigt, bleiben die geraden vertikalen Linien auch im Bild gerade, ob wohl dort die negativen Verzeichnungswerte den größten Betrag haben (z.B. -2,8%). Und noch weiter außen nahe dem Bildrand kann dann, obwohl die Verzeichnungswerte immer noch negativ sind, sogar eine kissenförmige Durchbiegung auftreten, weil die Kurve ansteigt (z.B. von -0,6% auf -0,3%).

3. Bei Weitwinkelzooms ist dieses Verhalten oft noch viel stärker ausgeprägt, und dort wechselt oftmals auch das Vorzeihen der Verzeichnung. Aber ich betone nochmals: Nicht das Vorzeichen (also negativ oder positiv) ist für die Durchbiegung verantwortlich, sondern nur das mehr oder weniger starke Abfallen oder Ansteigen der Kurve.

Das bedeutet, daß der immer wieder (sogar in manchen Fotolehrbüchern) stehende Satz falsch ist, daß negative Verzeichnung tonnenförmige und positive Verzeichnung kissenförmige Durchbiegung bedeute. Richtig ist: Abfallende Verzeichnung bedeutet unabhängig davon, ob sie negativ oder positiv ist, tonnenförmige Durchbiegung, und ansteigende Verzeichnung bedeutet ebenfalls unabhängig vom Vorzeichen kissenförmige Durchbiegung.

Leider spricht man aber häufig von tonnenförmiger bzw. kissenförmiger Verzeichnung (statt Durchbiegung), und das trägt mit dazu bei, die tatsächlichen Verhältnisse zu verwischen. Man sollte also deutlicher zwischen den Begriffen „Verzeichnung“ und „Durchbiegung“ unterscheiden, um die übliche Fehlinterpretation zu vermeiden.

Zum Schluß steht noch meine Antwort auf Ihre konkrete Frage aus, ob bei einem Zebrastreifenmuster als Vorlage nur eine Verbiegung der Linien (= Grenzen zwischen hellen und dunklen Streifen) oder auch eine Änderung der Streifenbreite eintritt: Ja, es tritt auch eine Änderung der Streifenbreite ein, und zwar führt eine kissenförmige Durchbiegung zugleich zu einer relativen Verbreiterung und eine tonnenförmige Durchbiegung zu einer relativen Einengung der Streifenbreite.

Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß ich vor Verbreiterung und Einengung das Wort „reletive“ geschrieben habe. Das mußte ich machen, weil (anders als bei Betrachtung der Durchbiegung) zusätzlich auch noch das Vorzeichen einen gewissem Einfluß auf die Streifenbreite hat: Bei negativen Verzeichnungswerte werden die Streifen enger, bei positiven breiter. Das bedeutet, daß der Wechsel der Streifenbreite nicht synchron mit dem Ausmaß der Durchbiegung verläuft, weil die Streifenbreite von beiden Parametern „Vorzeichen“ und „Kurvensteilheit“ abhängt, die Durchbiegung aber nur vom Parameter „Kurvensteiheit“ und nicht vom „Vorzeichen“. Die Verhältnisse sind also nicht ganz trivial. Man könnte den Zusammenhang so formulieren: Bei kissenförmiger Durchbiegung WERDEN die Streifen breiter (nämlich von innen nach außen), bei positiven Verzeichnungswerten SIND die Streifen an dieser Stelle breiter (nämlich als sie bei einem unverzeichneten Bild wären). Man muß diesen Satz semantisch sehr genau nehmen. Dann ist es kein Widerspruch, wenn der Fall eintritt, daß an einer bestimmten Bildstelle, wo der Verzeichnungswert zwar negativ ist, die daher unter der x-Achse verlaufende Verzeichnungskurve jedoch aufwärts verläuft, die Streifenbreite zwar enger (als im unverzeichneten Foto) IST, aber dort breiter WIRD (als sie etwas näher an der Bildmitte war).

Ich hoffe, Sie und alle bis hierher gefolgten anderen Leser mit dieser weiter ausgeuferten Betrachtung nicht gelangweilt, sondern zu einem besseren Verständnis des Phänomens Verzeichnung beigetragen zu haben.

Walter E. Schön


* Der Durchstoßpunkt der optischen Achse ist normalerweise die Bildmitte, Aber es gibt optische Geräte, bei denen das Bild asymmetrisch zur Achse ist, z.B. wenn man mit einem sog. Shiftobjektiv fotografiert, dessen optischen Achse beim Fotografieren hoher Gebäude zur Vermeidung oder Verminderung „stürzender Linien“ nach oben verschoben ist. Deshalb mußte ich die obige Einschränkung mit dem Wort „normalerweise“ machen.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Andreas Werner 13176 12. Januar 2008 00:29

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Robert Fritzen 3165 12. Januar 2008 11:29

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Frank 3363 12. Januar 2008 11:36

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Robert Fritzen 3064 12. Januar 2008 12:09

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Roger Hannover 4787 13. Januar 2008 11:08

Drei Fragen zu Ihrem Erfahrungsbericht (Test?)

Walter E. Schön 3360 12. Januar 2008 16:49

Re: Testbericht Nikon Monarch 10 x 56 DCF

Andreas Werner 3094 13. Januar 2008 00:07

Schulnoten zur Bewertung, Überprüfung der Verzeichnung

Walter E. Schön 3473 13. Januar 2008 12:49

Bedeutet Verzeichnung Variation der Vergrößerung?

Volker Werres 2283 13. Januar 2008 14:33

Definition der Verzeichnung und resultierende Folgen (vorsicht, langer Beitrag!)

Walter E. Schön 3563 13. Januar 2008 18:40

Danke für die ausführliche Begründung, ich melde mich, wenn ich es komplett intus habe.

Volker Werres 2303 13. Januar 2008 20:41

Re: Testbericht Nikon Monarch auch monarch X getestet?

ika 2132 08. Juni 2010 22:20



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen