Da ich mir eigentlich mal wieder ein uneingeschränkt outdoortaugliches Fernglas zulegen wollte, das auf dem Stand der Technik ist, habe ich mir in den letzten vier oder fünf Monaten diverse Dachkantgläser der Spitzenklasse angesehen. Alle diese Gläser waren von den „großen Drei“, alle aus europäischer Fertigung. Die Gläser habe ich mir bei Händlern angeschaut, dazu habe ich mir ein paar Gläser angeschaut, die Bekannten gehören.
Warum so viele Gläser? Ganz einfach, weil ich mich nicht entscheiden konnte. Alle drei Hersteller haben von ihren Eigenschaften her interessante Gläser im Angebot, die sich – bei allen Gemeinsamkeiten – deutlich unterscheiden, z.B. in der Auslegung der Optik (geebnetes Gesichtsfeld oder nicht etc.), aber auch in Größe und Gewicht sowie von der Ergonomie her.
Das Ergebnis war ernüchternd. Wirklich. Denn diverse Gläser hatten die Funktion beeinträchtigende Macken, waren offenbar durch die Qualitätskontrolle (an deren Existenz man manchmal zweifeln könnte) gerutscht. Da gab es Gläser, bei denen der Dioptrienausgleich falsch justiert war (der Rekord war ein um 3 Dioptrien nach + verschobener Dioptrienausgleich), da gab es zwei Gläser, bei denen der Mitteltrieb ~3-4mm Spiel hatte. Bei einem Glas waren irgendwelche Partikel im Okular, die bei bestimmten Entfernungseinstellungen gegen den Himmel Schatten warfen. Bei einem anderen lag auf der Innenseite des Objektivs ein Haar. Zwei Gläser, bei denen die Fokussierung auf beiden Seiten nicht sauber parallel lief, sich bei der Einstellung der Entfernung verschob. Bei einem anderen Glas ließ sich der Dioptrienausgleich nicht einstellen, er war fest. Bei wieder einem anderen waren beide Seiten nicht gleich, eine Seite war knackig scharf, die andere nicht (und auch nicht so scharf einzustellen wie die andere). Ganz zu schweigen von hakeligen Mitteltrieben.
Insgesamt war knapp ein Fünftel der Gläser, die ich in der Hand hatte, nach meinen Maßstäben nicht in Ordnung. Und ich bin wirklich nicht sehr pingelig, über einzelne dunkle Partikel auf den Prismen oder ruppig gehende Okularmuscheln rege ich mich nicht auf.
Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe die Lust auf einen Fernglaskauf ein bisschen verloren. Natürlich bringen die drei Hersteller die Gläser in Ordnung, wenn man den Fehler bemerkt und das Glas an den Kundenservice schickt. Aber dazu habe ich keine Lust, das nervt. Und natürlich kann man so lange shoppen gehen und sich so viele Gläser ansehen, bis man eins gefunden hat, das wirklich einwandfrei ist. Aber das nervt auch und sollte bei Produkten in der Preisklasse nun wirklich nicht nötig sein. Und was mich am meisten nervt, ist, dass dieselben Hersteller das früher absolut im Griff hatten. Da konnte man ein x-beliebiges Glas kaufen und sich darauf verlassen, dass es in Ordnung war. Und heute?
Ich glaube, ich werde meine „uralten“ Dachkantgläser (von 1993 und 2001) erstmal weiter benutzen. Optisch können sie mit den modernen Gläsern nicht mithalten, ganz klar. Aber sie sind nach all den Jahren der Benutzung noch in Ordnung. Und ich habe das Gefühl, dass ich mich auf die Gläser auch verlassen kann, z.B. auf Auslandstouren. Denn wie soll ich mich auf ein Glas verlassen, bei dem schon ein erklecklicher Anteil der fabrikneuen Gläser Macken aufweist?