Ich glaube inzwischen, zu wissen, was vielen Lesern (vor allem "Unkundigen") am Schön'schen "Papiertest" stört: es ist seine... Einfachheit: was nichts kostet, kann nichts wert sein! Heute haben wir sehr teure Geräte, die komplizierteste Messmethoden erlauben, wir können Dinge messen, die unsere Vorfahren nicht messen konnten, aber davon abzuleiten, dass einfachere, "primitive" Messmethoden nichts taugen ist falsch.
Nur zwei Beispiele, die mir gerade in den Sinn kommen:
1. der dreissigjährige Krieg war noch keine dreissig Jahre vorbei, als Roemer 1676 die Lichtgeschwindigkeit ziemlich korrekt mit dreihunderttausend Kilometern pro Sekunde mit Hilfe der "Verspätung" genau vorhergesagten Finsternisse errechnet hat (natürlich hat er sich damals einer anderen Längeneinheit bedient, da der Kilometer erst über hundert jahre später, ich glaube, ungefähr kurz nach der französischen Revolution "erfunden" wurde); im achtzehnten Jahrundert begnügte man sich mit diesem Wert und unternahm weiter nichts (?), um ihn durch neuere Messungen zu verbessern;
im neunzehnten Jahrhundert hat man dann im Labor, mit Hilfe von rotierenden Spiegeln o.ä. weiter experimentiert, ich erinnere mich noch an die Namen von Fizeau, Wheatstone (dem Erfinder der "Brücke"?) und natürlich an Arago und Foucault (ja, der mit dem "Pendel"), die einen sehr exakten Wert fanden. Ohne besonders aufwendigen Apparaturen....
aber es geht noch viiiiiel einfacher:
2. (aus meiner Praxis als Cembalobauer...)
(Herr Schön hat mich mit seinen "Mikrometern" darauf gebracht:
heute misst man die Drahtdurchmesser mit einem Mikrometer; das Gerät ist jedem bekannt, es kostet nicht mehr sehr viel (auf der Bucht habe ich meinen Mikrometer vor einer Woche für 4,37€ verkauft, siehe 160209524506 !), aber es gibt ihn erst seit vielleicht einem, höchstens zwei Jahrhunderten (?), jedenfalls NICHT in der Zeit des Cembalobaus (etwa vom XV. bis zum XVIII. Jh.).
man fand aber, als man damit anfing, sich dafür zu interessieren (das war etwa in den vierziger Jahren des zwanzigsten Jh.), dass die Saitendurchmesser vieler alten Instrumente eine Steigung von ziemlich genau sechst vom Hundert (6%) aufwiesen, das heisst, man hatte eine reihe von Durchmessern wie folgt: 0,30mm, 0,318, 0,337, 0,357mm...;
und dies fand man bei so vielen Instrumenten, dass es kein Zufall sein konnte; auch wiesen die Saitenkataloge dieser Zeit solche feine Abstufungen auf, die natürlich nicht in Tausendstel Millimeter wie heute ausgedrückt werden konnten: man konnte sich aber eines einfachen Tricks bedienen: dem "Gewicht" pro Längenmaß, oder, umgekehrt, der LÄNGE pro Gewichtseinheit (korrekter müsste ich schreiben: pro Masse-einheit); denn WIEGEN, und LÄNGEN MESSEN konnte man auch vor vierhundert Jahren sehr genau; wenn also von zwei Mengen Draht, die beide sagen wir dreissig Gramm gewogen haben, der eine zwanzig Zentimeter länger war, als der andere, dann liess sich mühelos rechnen, wieviel dünner dieser als jener war ! Und einmal 30m, einmal 30.2 zu messen war für unsere Vorfahren im XVI.Jh. keine grosse Kunst! Man musste beim Drahtziehen also das Ziehloch nur soweit kleiner oder größer "klopfen", bis der Längenunterschied gestimmt hat!
Heute, mit ihren "Shadowgraphs" genannten opto-elektronischen Messgeräten und anderen Komparatoren von Zeiss und Nikon vermag die moderne Drahtindustrie Abstufungen herzustellen, die teilweise viel gröber sind (also drahtdurchmesser von 0,20, 0,25, 0,30, 0,35mm ...), als früher, wo man nur seinen Kopf, eine Waage und ein Messlatte zur Verfügung hatte.
Dieser Exkurs nur, um zu zeigen, dass die Kompliziertheit einer Messmethode, eines Experiments nichts mit deren Exaktheit zu tun haben muss!
Man sollte die Fähigkeiten des menschlichen Auges nicht unterschätzen!
In vielem ist er jeder Apparatur überlegen; und das gilt für das Ohr wahrscheinlich noch viel mehr. Von der Nase ganz zu schweigen.
Marc Champollion