Wie „konfokal“ schon begründet hat, ist bei so großen Objektivdurchmessern, die einen deutlich* größeren Objektivachsenabstand erfordern, als der kleinste einstellbare Okularachsenabstand (zur Anpassung an die Augenweite des Benutzers) beträgt, ein Dachkant-Prismensystem nicht mehr sinnvoll. Ich möchte dazu noch einige Ergänzung machen.
* Solange der Achsenabstand der Objektive nur wenig größer als der der Okulare ist, kann das auch z.B. mit Abbe-König-Prismen gelöst werden. Hensold hatte schon von ca. 100 Jahren solche Prismensysteme patentiert. Zeiss setzt solche System z.B. bei den 56-mm-Victory-FL-Gläsern ein.
Dachkantsysteme sind bei gleicher optischer Qualität schwieriger und darum auch viel teurer herzustellen (extrem genau einzuhaltender 90°-Winkel der Dachflächen zur versatzfreien Überlagerung der durch Pupillenteilung entstehenden Bilder in jedem Rohr, extrem feine bzw. „scharfe“ Dachkante zur Vermeidung von „Spikes“ an hellen Lichtquellen durch Beugung) und erfordern bei den meisten üblichen Dachkantsystemen die Verspiegelung einer Prismenfläche in jedem Rohr. Diesen hohen Aufwand und die resultierenden Kosten nimmt man zugunsten der kompakteren, schlankeren Form in Kauf. Aber da bei so großen Öffnungen ab ca. 60 mm der mit Abbe-König-Dachkantprismen oder modifizierten Uppendahlprismen mögliche Versatz der optischen Achsen nicht mehr realisierbar ist und dann z.B. zusätzliche Rhombusprismen zur Vergrößerung des Objektivachsenabstandes nötig wären, ist es logisch, dann doch wieder zu Porroprismensystemen zurückzukehren, weil jetzt der sonst als Nachteil entstehende Achsenversatz jetzt eine Notwendigkeit und damit gegenüber Dachkant ein Vorteil wird.
Man muß deswegen nicht gleich an Porro 1 mit dem sehr großen Achsenversatz denken, der die sehr breite Fernglasform wie z.B. bei bekannten Zeiss 15x60 liefert. Es gibt ja auch noch Porro 2 mit dem deutlich kleineren Achsenversatz, der geradezu ideal für Ferngläser mit Öffnungen um 60 mm bis 70 mm wäre. Bekannte Beispiele für Porro-2-Ferngläser sind die bildstabilisierenden Canon-IS-Modelle mit Öffnungsdurchmessern von 30 mm bis 50 mm oder das Zeiss 20x60 S.
Da sich bei Porro 2 eine Okularachsenabstands-Verstellung durch Verdrehen der Porro-2-Prismensysteme um die optische Achse des jeweiligen Objektivs anbietet (wie bei den genannten Canon-IS-Modellen oder dem Zeiss 20x60 S), ergibt sich für den vorderen Teil des Fernglases von den Objektiven bis zu den Porro-2-Prismensystemen ein starrer Aufbau ohne Knickbrücke. Somit steht einer Innenfokussierung wie bei Dachkantprismengläsern mit zentraler Fokussierwalze nichts im Wege, sondern es wird sogar noch sehr viel einfacher als bei herkömmlichen Dachkantgläsern, weil die Beweglichkeit um eine Knickbrücke dort die Kraftübertragung von der Fokussierwalze zu den Innenfokussierungs-Linsen erschwert.
Ferner ist dann auch Wasser- und Staubdichtheit ebenso wie oder gar noch einfacher als bei Dachkantgläsern realisierbar.
Was die Kombination von Wasserdichtheit und Wechselbarkeit der Okulare betrifft, so sieht man an den Spektiven von Kowa, Leica, Nikon, Swarovski und Zeiss, daß auch das machbar ist.
Mit den Porro-2-Prismen wäre so ein größeres Fernglas (bis 70 mm würde auch ich noch nicht von „Großfernglas“ sprechen) zunächst ein geradsichtiges Fernglas. Um ein Fernglas mit 45° oder 60° abgewinkeltem Einblick zu bekommen, müßte man z.B. jedem Porro-2-Prismensystem noch ein Bauernfeindprisma vorschalten (ja, es muß im Strahlengang vor dem Prismensystem liegen, mit dem die Anpassung an die Augenweite erfolgt, weil sonst ein riesiger Aufwand mit einer zusätzlichen drehbaren Schnittstelle nötig wäre, um die Okularachsen parallel zu halten). Es gäbe aber auch noch andere um 45° oder 60° abknickende Prismen, sogar solche, die keine Verspiegelung erfordern (das um 45° abknickende Bauernfeinprisma hat eine zu verspiegelnde Fläche, was dank der heute möglichen dielektrischen Verspiegelung aber kein Problem darstellt). Man könnte sogar für die 45°- oder 60°-Abknickung an ein System aus zwei dielektrischen Oberflächenspiegeln denken, um erheblich Gewicht einzusparen, weil ein Umlenkprisma ziemlich groß und deshalb auch schwer wäre, weil es VOR dem Porro 2 liegen muß und darum einen sehr großen Durchlaßquerschnitt braucht.
Walter E. Schön