Soeben habe ich mir mal alle meine 42er- und 32er-Ferngläser vorgenommen und die Farbwiedergabe nach der u.a. in meiner vorherigen Antwort beschriebenen Methode überprüft, weil in München gerade nach Tagen die Sonne herauskam und somit das korrekte Licht für diese Prüfung vorhanden war.
Ich muß jetzt nach dieser Prüfung meine „Berichtigung“ Ihrer Aussage über einen Gelbstich des Nikon-Glases 10x42 HG-L als Irrtum zurücknehmen: Ich hatte es aus der Erinnerung mit dem Porrofernglas Nikon 10x42 SE CF verwechselt! Sie haben also recht, das Nikon 10x42 HG-L zeigt einen zarten Gelbstich, und zwar in einem wärmeren (rötlicheren) Gelb als z.B. das zu einem sehr schwachen grünlichen Gelbstich tendierende Svarovski 8,5x42 EL. Interessanterweise ist das kleine Svarovski 8x32 EL noch eine Spur heller und neutraler und erscheint mir sogar mindestens so neutral wie das derzeit als „Maßstab“ in Sachen Transmission geltende Zeiss 8x42 FL, das mir auch eine winzige Spur kühl-grünlich erscheint. Da ich erst kürzlich mein Nikon 10x32 HG (ohne L) verkauft habe, kann ich es nicht mehr überprüfen, aber soweit ich mich erinnere, schimmert dessen Vergütung etwas mehr violett als die des neuen Nikon 8x32 HG-L mit blaugrün schimmernder Vergütung, und das HG zeigte in der Durchsicht einen etwas rötlicheren Ton als das HG-L. Das in der Schärfe exzellente, leider recht große und schwere Canon 10x42 L IS WB weist einen grünlichen Gelbstich ähnlich wie das Swarovski 8,5x42 EL auf und ist um eine winzige Spur weniger hell als dieses (die zusätzlichen Variangle-Prismen der Bildstabilisierung und die zusätzlichen Rhombusprismen zur Einstellung auf die Augenweite kosten ein bißchen Licht).
Der leichte Gelbton der Nikon-HG-L-Gläser dürfte nicht von Absorption durch die Gläser der Linsen und Prismen und auch nicht von deren Vergütung herrühren, sondern von der Silberverspiegelung der einen Prismenfläche, die nicht über den vollen Pupillenquerschnitt Totalreflxion bietet. Silber reflektiert zwar über den weitaus größten Teil des sichtbaren Spektrums um ca. 8% mehr als das meistens verwendete Aluminium (bei Leica Ultravid, Swarovski EL und Zeiss FL wird weder Aluminium noch Silber, sondern eine dielektrische Verspiegelung verwendet, die nochmals um oder knapp über 1% mehr reflektiert), aber die Reflexionsgradkurve fällt im kurzwelligen Bereich unterhalb ca. 480 nm merklich ab (von Blau zu Blauviolett etwa von 98% auf 92%). Wenn aber ein paar Prozent Blauviolett fehlen, erscheint das Bild komplementärfarben, also leicht gelblich getönt.
Leider habe ich derzeit kein Leica Ultravid dieser Größe zur Hand, um auch dieses in den Vergleich einzubeziehen.
Am farbneutralsten erscheinen mir das Zeiss 8x42 FL, Swarovski 8x32 EL und Nikon 10x42 SE CF, am hellsten das Zeiss 8x42 FL und das Nikon 10x42 SE CF.
Ungeachtet aller hier angegebener Farbtöne sind diese allesamt so gering, daß sie in der Praxis (und ohne den direkten Vergleich) wohl niemanden stören, selbst die kritischen Vogelbeobachter nicht. Da gibt es bei anderen, z.B. vielen russischen Ferngläsern um ein Vielfaches stärkere Verfärbungen, speziell bei (ehemaligen) Militärferngläsern oder davon abgeleiteten zivilen Versionen ganz kräftige Gelb- und Gelbgrün-Farbstiche, ganz zu schweigen von den irreführend als „nachtaktiv mit Rotvergütung“ beworbenen Schott- und Billiggläsern.
Walter E. Schön