Da ich gerade nochmals an Ihre Quizfrage von gestern dachte, kam ich auf die Idee, daß der von Ihnen genannte „Vergrößerungsfaktor” der Fokussierlinse auch anders als zunächst von mir angenommen gemeint sein könnte. Und daraus resultierte allerdings für mich die Vermutung, daß Sie sich für Ihre Frage Hilfe bei einem Fernglas-Optikrechner geholt haben könnten, der diesen Begriff als firmeninternen Terminus benutzt.
Wie Sie wissen, ergibt sich die Nominalvergrößerung eines Fernglases als Quotient aus Objektiv- und Okularbernnweite. Wenn nun das Objektiv ohne die Fokussierlinse z.B. eine Brennweite von 160 mm und das Okular eine Brennweite von 20 mm hätte, wäre die Nominalvergrößerung 8fach (denn 160 mm : 20 mm = 8). Eine Fokussierlinse mit negativer Brechkraft in einem gewissen Abstand hinter dem eigentlichen Objektiv, jedoch noch vor der Feldblendenebene, verlängert wie eine Barlowlinse die Brennweite für das Gesamtsystem. Das führt dann zu einer etwas höheren Vergrößerung, weil im Quotienten aus Objektivbrennweite und Okularbrennweite der Zähler größer geworden ist. Wenn Sie also mit Ihrem „Vergrößerungsfaktor” den Faktor meinen, um den sich durch Einfügen der Fokussierlinse die Fernglasvergrößerung in der Einstellung auf unendlich verändert, dann müßte ein Vergrößerungsfaktor kleiner als 1 (nämlich in Ihrem Falle 0,98) eine Sammellinse als Fokussierlinse voraussetzen. Denn diese reduziert bei gleicher Anordnung hinter dem Objektiv die Gesamtbrennweite und somit auch die Fernglasvergrößerung.
Auch wenn es, wie ich schon schrieb, nicht üblich und strenggenommen auch nicht möglich ist (die Begründung steht in meinem vorherigen Beitrag), Linsen, die nicht als Lupen oder Korrekturlinsen von Okularen eingesetzt werden, einen Vergrößerungsfaktor zuzuordnen, so könnte es doch sein, daß die Optikrechner eines Fernglasherstellers den oben beschriebenen Faktor, um den sich die Brennweite des Gesamtsystems aus Objektiv und Fokussierlinse gegenüber der Brennweite des Objektivs allein verändert, firmenintern als Parameter nutzen und unter Kollegen salopp als „Vergrößerungsfaktor“ der Fokussierlinse bezeichnen.
Wenn das zutreffen sollte und dann Ihre Fokussierlinse mit dem so definierten Vergrößerungsfaktor 0,98 eine Sammellinse sein muß, wäre die für eine kürzere Einstellentfernung nötige Verschiebung der Fokussierlinse natürlich umgekehrt, nämlich zum Objektiv hin.
Sie sehen hoffentlich, wie fatal sich eine unpräzise Fragestellung auf die richtige Lösung auswirkt: Je nachdem, wie man Ihren nicht sinnvollen und nicht branchenüblichen „Vergrößerungsfaktor“ auffaßt, ergeben sich zwei genau gegensätzliche Antworten. Klären Sie also, was Sie wirklich gemein haben, und formulieren Sie Ihre nächsten Fragen dann bitte so, daß sie eindeutig sind.
Walter E. Schön