Zuerst mal allen früheren Postern in diesem Forum ganz herzlichen Dank! Ich einen Grossteil der Beiträge der vergangenen Jahre gelesen und konnte für die Wahl meines neuen Fernglases sehr profitieren.
Ich bin Hobby-Ornithologe, mache mit beim neuen Schweizer Brutvogelatlas, bin 51 und Brillenträger (wegen Hornhautverkrümmung auf einem Auge ist der Einblick mit Brille unabdingbar).
Bis Ende 2012 hatte ich nur den Habicht 7 x 42 von Swarovski, der mir bis dahin aber 23 Jahre lang gute Dienste leistete. Aber dann war mir doch im freien Gelände und am Fluss Aare (100 Meter breit) die 7-fache Vergrösserung zu klein und der Einblick bei 46 Grad scheinbarem Sehwinkel irgendwann einmal zu eng.
So habe ich mir vor zwei Jahren das bildstabilisierte Canon 12 x 36 IS II gekauft. Bis vor vier Wochen war ich damit sehr zufrieden. Aber in einem etwas prall gepackten Rucksack wurde es so beschädigt, dass sich der vordere Teil eines Tubus gelöst hat und die Scharfeinstellung zum Teil schwergängig geworden ist. Ausserdem strengt der Einblick nun sehr an, ich musste zuletzt immer das linke Auge zukneifen - es war mir klar, das Glas war nicht mehr vernünftig zu gebrauchen.
So fuhr ich zum Spezialgeschäft, das in der Schweiz neben den Topmarken auch Gläser von Kite, Kowa und Meopta vertreibt. Ich war mir noch nicht sicher, welche Vergrösserung es sein sollte und ob es letztlich wieder zwei Gläser würden oder nur noch eines.
Meopta-Gläser waren leider keine vorrätig, aber sonst eine gute Auswahl. Das Rennen machte das Zeiss Conquest HD 10 x 42. Ruhiger Einblick für mich, sehr gute Bildqualität, angenehm in der Hand und ein Metallgehäuse (wie der Habicht, der 25 Jahre gehalten hat), das etwas verträgt.
Welche Gläser mit 10-facher Vergrösserung ich sonst noch bei dieser Evaluation in den Händen hatte:
- Swarovski EL 10 x 42 Swarovision: etwas schwerer, lag mir noch besser in der Hand, Schärfe bis an den Rand, null chromatische Aberration, aber leider sehr teuer.
- Swarovski EL 10 x 50 SV: ein (natürlich immer subjektiv) noch besseres Glas! Noch schwerer und grösser, aber passt wie angegossen in meine Hände, für mich das allerschönste Bild der EL-Serie (10 x 32, 8,5 und 10 x 42, 10 und 12 x 50 konnte ich testen). (Beim 12 x 50 störte das Zittern meiner Hände, sonst wären am meisten Details zu sehen gewesen.)
- Leica Ultravid 10 x 42 (nicht Plus-Version): Vielleicht eine Spur besseres Bild als das Conquest, aber gegenüber dem Swarovision deutlich im Hintertreffen.
- Kite Ibis 10 x 42: Bild gut, aber leider nur Polycarbonat-Gehäuse, und das bei fast gleichem Preis wie das Conquest (mit gummiarmiertem Alu-Gehäuse).
- Kite Petrel 10 x 42: Nur halb so teuer wie das Conquest, Bild an sich nicht schlecht, aber da lohnte sich für mich die Investition in das Zeiss.
- Bilder meiner Meinung nach ungenügend (auch für die jeweilige Preisklasse) bei Kite Toucan 10 x 42, Kite Birdwatcher 10 x 42, Kowa BD 10 x 42 XD Prominar.
Das Zeiss Conquest HD 10 x 42 stellte für mich also den besten Gegenwert fürs Geld dar (weniger als die Hälfte des Swaro EL). Damit habe ich jetzt ein universelles Immer-dabei-Fernglas.
Ich habe überraschenderweise kein grosses Problem, das Glas ruhig zu halten. Das Bild "steht" natürlich nicht wie bei einem bildstabilisierten Fernglas. Aber letztlich ist das freihändige Hochhalten des Canon auch einmal ermüdend. Das Überwachen eines speziellen Gebietes kann ein, zwei Stunden dauern, und da braucht man ein Stativ. Bei Beobachtungsentfernungen von 100 bis 150 Metern erlaubt allerdings die 12-fache Vergrösserung (und die Bildstabilisierung) des Canon bei kleineren Vögeln eine Bestimmung, die mit 10-facher Vergrösserung (und freihändig) nicht mehr zu leisten ist (Beispiel: Unterscheidung von Flussuferläufer, Bruchwasserläufer und Waldwasserläufer). Aber bei 150 Metern ist dann auch Schluss und ein stärker vergrösserndes Fernglas muss her oder ein Spektiv oder Fernrohr (und ein Stativ).
Ich habe erst jetzt realisiert, dass ich den Bereich unter 20 Metern Abstand bisher nicht richtig nutzen konnte. Der Habicht und das Canon sind zu "langsam" bei der Handhabung. (Beim Habicht ist die Scharfstellung zu schwergängig, beim Canon der Tiefenschärfen-Bereich zu gering und das Gesichtsfeld zu klein - 88 Meter auf 1000 Meter, Conquest und Habicht haben 115 und 114 Meter.)
Die Dämmerungsleistung des Conquest ist sehr zufriedenstellend. Dank der stärkeren Vergrösserung kann ich mehr Details erkennen, auch wenn der Habicht in sehr fortgeschrittener Dämmerung heller wirkt.
Ich hätte noch vorgestern nicht damit gerechnet, dass ich jetzt für die Vogelbeobachtung die 10-fache Vergrösserung empfehlen würde - und das noch ohne Bildstabiliserung! Der Effekt beim Drücken der Stabi-Taste ist halt so eindrücklich, dass man meint, es ginge nicht mehr ohne. Aber das ist nicht so: Das Wichtigste ist, dass ein Fernglas gut zu halten ist und der Einblick angenehm. Und das ist etwas sehr Individuelles, und das kann man wirklich nur beurteilen, wenn man die Gläser in die Hand nimmt.
Danke für die Geduld beim Lesen!
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 09.11.14 22:41.