Ihre Bemerkung bzgl. "richtiges" Fernglas vs. Fernglas-Imitation regt zum Nachdenken an. Was sollte man eigentlich als richtiges Fernglas anerkennen?
Vor 100 Jahren waren noch die kleinen Galilei Fernglaeser verbreitet, und trotz ihrer simplen Konstruktion und (hach heutigen Masstaeben) miserablen Leistung stellten sie dennoch eine riesige Bereicherung dar: Sie zeigten den Feind auf dem Schlachtfeld oder den Opernstar auf der Buehne aus einer deutlich geringeren Distanz.
Dann kamen die Prismenfernglaeser, die weitere Sehfelder erlaubten, und hoehere Vergroesserungen. Dann kam die Verguetung der Linsen: Mehr Licht und weniger Reflexe. Schritt fuer Schritt wurden die Geraete robuster und zuverlaessiger, spaeter, durch neue Materialien, dann leichter und mobiler. Aber zu jedem Zeitpunkt waren es Geraete, die genau diesem Zweck dienten: Zeige ein entferntes Objekt aus einer geringeren Distanz.
Ich wuerde daher vorschlagen, auch simplere und billigere Fernglaeser mit Respekt zu behandeln, denn auch sie erfuellen im Grundsatz bereits das wesentliche, das Frau Waldner als "Laie" von einem Fernglas erwartet. Voraussetzung ist fuer mich, dass eine Fernglaskonstruktion "ehrlich" ist, d.h. man spart bei der Konstruktion, ohne fundamentale Ansprueche zu verletzen. Beispiel: Ein Fernglas, das wegen billiger Konstruktion dejustiert ist, und daher Kopfschmerzen erzeugt, oder dessen Fokussierrad klappert und sich staendig verstellt, erfuellt seinen minimalen Zweck nicht. Ein anderes Fernglas, das nicht wasserdicht ist, oder ohne Zentralfokussierung, sonst aber gut funktioniert, ist "ehrlich". Man hat an einigen Stellen gespart, aber nicht an der grundlegenden Funktion. Der Einsatzbereich eines solchen Fernglases ist zwar eingeschraenkt, aber innerhalb dieses eingeschraenkten Bereichs funktioniert es einwandfrei.
Ich kenne das Steiner nicht so genau. Vermutlich ist seine Verguetung nicht so toll, daher mag es im der Nacht Reflexe an Strassenlaternen zeigen. Vermutlich hat es Streulicht, weil man auf teure Streulichtblenden verzichtet, also wird es bei schwierigen Lichtverhaeltnissen einen geringeren Kontrast haben. Das Sehfeld wird nicht besonders gross sein. Wer sich aber diesen Einschraenkungen bewusst ist, der kann damit auch leben. Am Tage, bei normalen Lichtverhaeltnissen, kann man "fast alles" sehen, und zwar nicht viel schlechter als mit einem teuren Zeiss.
Viele Gruesse,
Holger Merlitz