Kürzlich wurde hier in einer Diskussion um ein kostengünstiges Fernglas (Preisklasse ca. 300 bis 400 Euro) das Swift Eaglet 7x36 vorgeschlagen. Herr Robatzek, der ein solches Fernglas offenbar erst vor kurzem gekauft hat, war so freundlich, mir sein Exemplar zur Prüfung und Messung des scheinbaren Sehwinkels für ein paar Tage zur Verfügung zu stellen. Besten Dank dafür; ich werde das Fernglas zusammen mit den beiden anderen (Zeiss 8x20 und Leitz Binoxit 8x30, siehe meine aktualisierte Liste der scheinbaren Sehwinkel) noch heute zurückschicken. Das Swift Eaglet habe ich mir näher angesehen und folgendes festgestellt:
Das Swift Eaglet 7x36 wird mit einem breiten Trageriemen in einer schwarzen, weichen Kustledertasche geliefert, die ein bißchen zu groß ist (weil wohl baugleiche Taschen auch für andere, etwas größere Swift-Ferngläser verwendet werden). Ein ziemlich stramm klemmender und beim Abnehmen und Aufsetzen leise quietschender Okularschutzdeckel mit seitlichen Ösen für den Trageriemen sowie zwei einzelne, nicht am Fernglas anhängbare Objektivschutzdeckel, die man abgenommen z.B. in der Hosentasche verstauen muß, gehören ebenfalls zum Lieferumfang. Hier sollte vom Hersteller nachgebessert werden.
Das Fernglas scheint sehr massiv gebaut zu sein und wirkt sehr robust. Es liegt in der Größe und im Gewicht (ohne Schutzdeckel und Trageriemen 587 g) ziemlich genau in der Mitte zwischen Leica Ultravid 8x32 und Swarovski EL 8x32. Die relativ dicke Knickbrücke läßt es aber etwas massiger wirken. Die dunkle, grünliche Gummiarmierung hat eine glatte Oberfläche, die aber nicht rutschig ist, und sie sondert keine unangenehmen Gerüche ab , wie man es von vielen anderen Ferngläsern dieser Preisklasse kennt. Das Eaglet wird, denn die betreffende Aufschrift nicht nur für die Abdeckung des Stativgewindes gilt, auf der sie zu lesen ist, nicht in China, sondern in Japan gefertigt und läßt somit höhere Qualität erwarten. Das Stativgewinde werden zwar die wenigsten Käufer nutzen, aber ich möchte es dennoch als ein lobenswertes Ausstattungsmerkmal erwähnen, über das auch Leica, Swarovski und Zeiss nachdenken sollten.
Das Gehäuse liegt gut in der Hand, aber die seitlich herausragenden Ösen für den Trageriemen befinden sich leider genau an einer Stelle, an der sie sich in die Handmulde zwischen Daumen und Zeigefinger drücken. Ein knapper Zentimeter höher oder tiefer wäre besser gewesen.
Die Fokussierwalze ist gut erreichbar und griffig, hat gerade das rechte Mittelmaß zwischen Friktion und Leichtgängigkeit, läßt sich fast über den vollen Bereich und in beiden Richtungen mit ziemlich demselben Drehmoment bewegen; nur mittendrin (etwa für 5 m Entfernung) gibt es eine Stelle, an der sich manchmal ein etwas höherer Widerstand zeigt. Gelegentlich auftretende leise Schmatzgeräusche verraten, daß wahrscheinlich ein bißchen zuviel „Fett im Getriebe“ ist. Leider dreht die Fokussierwalze „falsch herum“ (für unendlich nach links), wenn man „richtig“ als die Drehrichtung der bekannten Top-Ferngläser definiert (im Uhrzeigersinn in Richtung Ferne und gegen den Uhrzeigersinn in Richtung Nähe). Außerdem ist die Fokussierung sehr schnell, nach meinem Empfinden eigentlich schon zu schnell (noch deutlich schneller als bei den Nikon HG-L), nämlich genau eine volle Umdrehung von über unendlich (der Überhub dürfte fast 10 dpt betragen!) bis zur kaum mehr bzw. fast nur noch monokular sinnvoll nutzbaren Nahgrenze von 1,26 m. Zum besseren Vergleich mit anderen Ferngläsern: von unendlich bis 2 m knapp unter einer halben Umdrehung! Diese zu steile Übersetzung erschwert leider das präzise Fokussieren.
Die Dioptrieneinstellung fürs rechte Auge erfolgt mit einem viel zu schwergängigen, leicht geriffelten Ring, der in nicht markierten Stufen von ca. 1/3 dpt spürbar rastet. Wegen der Schwergängigkeit kann man das Fernglas während des Verdrehens nicht gut ruhig genug halten, was auch diese Einstellung erschwert. Beiderseits des als Einstellindex dienenden Dreiecks gibt es keine Skala, sondern nur links ein Minus- und rechts ein Plus-Zeichen.
Die Okulare haben Drehaugenmuscheln, die sich knapp über 12 mm ausfahren lassen. In der ganz eingefahrenen Position ist mir (Brillenträger mit ca. -5 dpt) der AP-Längsabstand zu weit, so daß bei Augenbewegungen flüchtige Abschattungen auftreten (Kidney-Beaning). Für gutes Einblickverhalten muß ich die Augenmuscheln um 3 mm herausdrehen. Da das Heraus- und Hineindrehen recht schwergängig läuft, besteht kaum Gefahr, daß sich die als optimal gefundene Einstellung unbeabsichtigt verstellt, auch nicht beim Aufsetzen oder Abnehmen der etwas klemmenden Okularschutzdeckel.
Nun zu den optischen Eigenschaften. Der Öffnungsdurchmesser beträgt 35,5 mm, der Austrittspupillendurchmesser 5,1 mm. Die angegebenen Daten 7x36 sind also in Ordnung, weil innerhalb der zulässigen Toleranz. Die Nahgrenze von 1,26 m, bei der die Überlappung der beiden Sehfelder des linken und rechten Auges nur knapp ein Viertel des Gesamtsehfeldes beträgt, und den großen Überhub von schätzungsweise knapp 10 dpt hatte ich schon genannt.
Daß die Transmission das Niveau der fünf- bis achtfach teureren Spitzenmodelle nicht erreicht, war zu erwarten. Das Bild ist merklich dunkler und leicht gelblich getönt, für die Preisklasse aber nicht zu beanstanden (hier muß ich der Aussage von Herrn Michael Brücker vom 14.06.2008 unter www.juelich-bonn.com/jForum/read.php?9,80886,81422 entschieden widersprechen!). Die Dachkantprismen haben einen Phasenkorrekturbelag, der allerdings nur mäßig wirksam ist. Auch das ist in dieser Preisklasse nicht sehr schwerwiegend, u.a. deshalb, weil die volle schärfesteigernde Wirkung des Phasenkorrekturbelags ohnehin erst dann zur Geltung kommt, wenn die Abbildungsleistung der Objektive und Okulare schon sehr hoch ist, also höher als in dieser Preisklasse realisierbar.
Die Bildschärfe ist für diese Preislage in einem weiten Bereich um die Bildmitte, etwa bis auf 60% Sehfeldradius, recht gut und beginnt dann wegen einer merklichen Bildfeldwöbung abzunehmen, ohne daß das Bild aber richtig unscharf wird. Jüngere Beobachter mit noch gutem Akkommodationsvermögen dürften von der Schärfeabnahme zum Rand deshalb nicht sehr viel merken, ältere ab etwa 50 Jahre aber schon. Allerdings muß man dieses für ein Fernglas dieser Preisklasse recht positive Urteil zur Bildschärfe relativieren: Der scheinbare Sehwinkel beträgt nur 50,3°, also ziemlich genau soviel, wie ihn die kleinen Faltferngläser 8x20 oder 10x25 bieten. Das ist schon ziemlich nahe am Tunnelblick. Und das ist dann auch nach meiner Einschätzung der entscheidende Punkt, ob man dieses Fernglas jemandem empfehlen sollte, der nur ca. 300 bis 350 Euro ausgeben kann oder möchte, oder nicht. Wer sich mit dem engen Sehwinkel nicht abfinden kann, sollte die Finger davon lassen. Wer es kauft, muß mit dem engen Sehfeld leben können.
Farbsäume kann man an sehr kritischen Motiven sehr schwach auch nahe der Bildmitte erkennen; sie fallen aber bei normalen Motiven nicht auf. Zum Rand hin werden sie jedoch sichtbar, auf der einen Kantenseite (hell innen, dunkel außen) erst grün und nahe dem Sehfeldrand gelbgrün, auf der anderen (hell außen, dunkel innen) erst rot und noch weiter außen lilarot. Die Stärke der Farbsäume ist ähnlich wie beim Leica Ultravid, allerdings bei deutlich kleinerem Sehwinkel (also am Rand ca. 25° abseits der opt. Achse so stark wie beim Leica erst 30° abseits der Achse). Ein auffälliges Steulichtverhalten bei Gegenlicht konnte ich nicht feststellen.
Leider wird das Einstellen bester Bildschärfe durch die viel zu schnelle Fokussierübersetzung erschwert, und so glaube ich, daß insbesondere Anfänger ohne die erforderliche Übung sich oft nur in der Nähe bester Schärfe befinden werden. Darum möchte ich jedem, der den Kauf dieses Fernglases erwägt, zu einem Test raten: Mehrfach auf wechselnde Entfernungen scharfstellen und prüfen, wie leicht oder schwer es fällt, schnell genug die optimale Einstellung zu finden.
Um mit zwei Positiva abzuschließen: Mit diesem Fernglas können selbst extrem Kurzsichtige ohne Brille auf unendlich scharfstellen, und aufgrund des sehr weiten AP-Längsabstandes dürfte es kaum einen Weitsichtigen (selbst mit +8 dpt) geben, dem bei eingefahrenen Drehaugenmuscheln der AP-Längsabstand zu kurz wäre.
Walter E. Schön