MP schrieb:
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> Zeiss hatte jahrelang Mühe, diese Qualität zu
> übertreffen. Die Design Selection waren optisch
> brillanter, aber zu schwer und viel zu unhandlich,
> das Victory I brachte optisch m.E., wenn
> überhaupt, keine wesentlichen Vorteile. Das sahen
> wohl auch andere so und das Modell wurde ein
> weiterer Flop aus dem Hause Zeiss. Es wurde
> folglich nur wenige Jahre produziert.
Wobei das ursprüngliche Zeiss Victory schon ein kurioses Fernglas war. Ich habe das Glas damals unmittelbar nach Erscheinen gekauft, und zwar als 10x40. Das Glas benutze ich heute noch, von daher kann ich es, wie ich meine, ganz gut einschätzen. Und um es vorwegzuznehmen, meiner Ansicht nach ist dieses Glas damals zumindest teilweise zu Unrecht kritisiert worden.
Natürlich hatte das Glas seine Macken - die merkwürdigen Clips, an die man den Tragriemen anklipsen konnte, waren eine völlige Fehlkonstruktion und alles andere als vertrauenerweckend. Die Armierung war gewöhnungsbedürftig und wirkte nicht sehr "wertig", speziell bei heißem Wetter fühlte sie sich ein bisschen wie ein zu warm gewordener Autoreifen an, zudem "sammelte" sie Flusen und Staub. Die angeschägten Augenmuscheln gehörten in die Kategorie "passt oder passt nicht"; manche Beobachter kamen mit den Dingern sehr gut klar, andere überhaupt nicht. Das Gegenlichtverhalten war ziemlich schwach, bei hellen Lichtquellen im oder knapp außerhalb des Bildfeldes überstrahlte das Bild schnell, und man musste den Augenabstand ganz exakt einstellen, sonst hatte man recht deutliche Farbsäume.
Dafür war das Glas gegenüber dem klassischen 10x40 BGATP wirklich dicht und hatte eine deutlich neutralere, kühlere Farbwiedergabe und eine sichtbar höhere Transmission. Die Randschärfe war für damalige Verhältnisse hoch, mit einem weichen Übergang von der Bildmitte bis zum äußersten Bildrand. Die weiche Armierung machte das Glas sehr griffig, selbst bei nassem und kaltem Wetter. Optisch schlechter als das klassische 10x40 BGATP fand ich das Glas jedenfalls trotz der oben beschriebenen Macken im direkten, ausgedehnten nicht, eher "anders, aber etwas besser".
Nachdem Zeiss auf die Kritik in der Fachpresse reagiert und die Tragriemenaufhängung überarbeitet hatte, habe ich das Glas zu Zeiss geschickt, mit der Bitte, die Aufhängung zu ändern und bei der Gelegenheit den sehr leichtgängingen Mitteltrieb etwas straffer einzustellen. Als ich das Glas zurückbekam, stellte sich schnell heraus, dass Zeiss bei der Gelegenheit ein paar andere Dinge, die mittlerweile in die Produktion eingeflossen waren, gleich mit geändert hatte, mit der Folge, dass sich das Gegenlichtverhalten im direkten Vergleich zu einem unveränderten Victory ganz deutlich verbessert hatte. Damit war die für mich grösste Schwachstelle des Victory behoben.
Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass sich mein Glas gut gehalten hat. Die Armierung "klebt" nicht mehr so, sieht sicherlich nicht sehr schön aus, ist aber heil und hat sich trotz intensiver Benutzung kaum verändert, die Fokussierung ist präzise wie am ersten Tag, beide Strahlengänge sind sauber und staubfrei. Mit den abgeschrägten Augenmuscheln komme ich wunderbar zurecht; ich habe kein anderes Glas, mit dem ich so schnell die optimale Position an den Augen habe. Die oft bemängelten Farbränder "sehe" ich kaum, das mag an mir liegen oder auch daran, dass das Glas so gut zu meinen Augenhöhlen passt und ich so leicht eine ideale Position erreichen kann. Natürlich ist das Victory FL von der Optik her noch einen Tacken besser, aber schlecht ist das alte Victory damit nicht. Und abgesehen von der besseren Farbkorrektur des FL war der Modellwechsel zum Victory FL wohl auch dem Bauchgefühl der Benutzer, denen die Armierung des Victory nicht gefiel, geschuldet.
Wer heute ein Victory der "verbesserten" Baureihe und in gutem Zustand günstig erstehen kann, macht aus meiner Sicht jedenfalls keinen Fehler. Hier ist neulich so ein Glas für unter 400 Euro verkauft worden, in sehr gutem Zustand. Das halte ich dann schon für ein Schnäppchen.
Hans
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.04.11 01:03.
