Da ich die neuen Zeiss Victory HT-Modelle im Frühjahr diesen Jahres auf der Hansebird nur kurz in Augenschein nehmen konnte, wollte ich sie mir nun etwas genauer ansehen. Dazu hatte ich mir das Victory 10x42 HT und zum Vergleich das Swarovision 10x42 übers Wochenende mit nach Hause genommen - bei meinem Händler in Braunschweig (Fa. Knappworst) ist das problemlos möglich.
Erster Eindruck:
Das Zeiss HT sieht wirklich edel und wertig aus. Im Gegensatz zu den aktuellen Victorys liegt es traumhaft in der Hand. Es fühlt sich sehr gut an, und ich kann es problemlos ruhig halten. Großen Anteil an der sehr guten Handlage hat die speziell geformte Gummierung. Hier hat sich Zeiss wirklich etwas einfallen lassen. Leider muß man aber auf die gewohnten Objektivschutzkappen verzichten. Das Swarovision sieht zwar für meinen Geschmack nicht ganz so edel aus, ist aber durch den Durchgriff sicher und gut zu halten.
Beide Gläser sind schon recht schwer. Das Zeiss ist mit 860 g (ohne Trageriemen und Schutzdeckel) deutlich schwerer als die angegebenen 795 g. Das Swaro wiegt 851 g und damit 16 g mehr als angegeben.
Die Augenmuscheln des Zeiss verfügen über eine feinere Rasterung als die des Swaro. Für mich ist es angenehmer, wenn ich mir meinen optimalen Augenabstand auch einstellen kann. Die Swaro-Augenmuscheln sind dafür wohl besser für den Brillenträger geeignet.
Das Fokussierrad beim Zeiss ist sehr gut. Der Mitteltrieb läuft aber etwas rauh und deutlich hörbar. Beim Swaro läuft er geschmeidiger, ist aber in der einen Drehrichtung etwas schwergängiger als in der anderen Drehrichtung.
Optische Leistung am Tage:
Getestet wurde in der Mittagszeit aus dem geöffneten Fenster heraus.
In der Bildmitte bilden beide absolut scharf ab (Betrachtung einer Zeitung in ca. 15 m Entfernung). Während beim Zeiss nur ein kleiner zentraler Bereich absolut scharf war, erstreckte sich die Schärfe beim Swaro über nahezu das gesamte Gesichtsfeld. Beim Zeiss HT also keine erkennbare Verbesserung der Randschärfe gegenüber den aktuellen Victorys.
Im direkten Vergleich wirkt das Swaro ein wenig kontrastreicher und farbneutraler. Beim Schönschen Papiertest erschien mir das Bild im Swaro sogar etwas heller, obwohl das Zeiss effektiv ein paar Prozentpunkte mehr Transmission aufweist (2-3 % - gemessen bei einem Mitbewerber von Zeiss). Zeiss gibt die Transmission mit "über 95 %" an und macht damit richtig Werbung. Die aktuellen Victorys haben ja schon 92-93%. Einen Unterschied von 2-3 % in der Transmission dürfte allerdings kaum jemand mehr wahrnehmen. Das Bild im Zeiss weist eine leichte gelbgrüne Tönung auf . Wohingegen das Bild im Swaro farbneutral ist - ein weißes Blatt Papier ist auch absolut weiß. Bei den meisten Glassorten wird der blaue Bereich des Spektrums am stärksten absorbiert. Bei Swarovski hat man allerdings Mittel und Wege gefunden die Transmission bei blau auf dem gleichen Niveau zu halten wie bei grün und rot.
Beim Schwenken des Swaro bemerkte ich im Gegesatz zum 10x50 und 8x32 ein leichtes "Abrollen" des Bildes (Globuseffekt) - für mich aber nicht störend.
Das Einblickverhalten ist beim Swaro gut - auch der Randbereich ist gut zu überblicken. Das Gesichtsfeld ist gleichmäßig ausgeleuchtet und weist keine Aufhellungen oder Reflexe auf.
Beim Zeiss ist der Randbereich nicht so gut einsehbar. Verkleinerte ich den Abstand zum Okular, um den Randbereich besser zu überblicken, so trat der Kidney-Bean-Effekt auf. Störender empfand ich aber die ringförmigen Aufhellungen zum Gesichtsfeldrand hin. Dazu später mehr.
Trotz allem sind die Unterschiede in der Bildqualität zwischen den beiden Gläsern nicht sehr groß. Wenn ich allerdings das Zeiss mit meinem Swarovision 10x50 vergleiche, so würde ich schon von einem Klassenunterschied sprechen. Sicher, das 10x50 hat eine größere Austrittspupille (ist angenehmer) und ein größeres Gesichtsfeld.
Erwähnen möchte ich noch, daß ich beim Zeiss Probleme mit der Einstellung der Schärfe hatte. Der Bereich der absoluten Schärfe ist wohl sehr klein. Hier wäre es warscheinlich besser gewesen, wenn der Mitteltrieb eine feinere Übersetzung gehabt hätte.
Optische Leistung in der Dämmerung bzw. in der Nacht:
In der tiefen Dämmerung dann die Überraschung: Nun gefiel mir das Bild im Zeiss besser, es erschien mir vor allem etwas heller. So war eine kleine Rauchwolke in ca. 500m Entfernung im Zeiss größer als im Swaro zu sehen.
Der Lampentest (Straßenlaterne in ca. 200m Entfernung scharf gestellt) ergab folgendes:
Beide Gläser zeigten im Gesichtsfeld keine störenden Reflexe. Brachte ich aber im Zeiss die Laterne zum Rand des Gesichtsfeldes, so hellte diese einen deutlich sichtbaren Bereich der Tubusinnenseite auf. Im Swaro dagegen war das kaum wahrzunehmen. Die störenden Aufhellungen, die ich am Tage bemerkt hatte, wurden also durch Reflexe an der Tubusinnenseite hervorgerufen - bei guten Lichtverhältnissen mehr, bei schlechten Lichtverhältnissen weniger.
Das erinnert mich an das Victory 10x25, das bei der Tagbeobachtung völlig inakzeptable Aufhellungen zeigte - ganz im Gegensatz zum Leica 10x25.
An kompetenter Stelle bei Zeiss angerufen erklärte man mir, daß Leica ja viel Wert auf Falschlichtunterdrückung lege und eben ein Spezialist sei!!!
Am Sternenhimmel waren beide in etwa gleichwertig: Die Plejaden boten in beiden Gläsern einen prachtvollen Anblick. Dabei störte mich die Randunschärfe des Zeiss weniger als ich befürchtet hatte. Da es in der Nacht nur wenige Wolkenlücken gab, konnte ich die Gläser nur kurz testen - Lichtschwache Objekte waren leider nicht zu erhaschen.
Fazit:
Das Swarovision ist sicher ein sehr gutes Fernglas. Von dem leichten Globuseffekt einmal abgesehen, ein Fernglas ohne Fehl und Tadel. Es ist aber, im Gegensatz zum 10x50 und 8x32 Swarovision, kein Glas mit Wow-Effekt.
Beim Zeiss gibt es Licht und Schatten. Zeiss bleibt mit den HT-Gläsern hinter seinen Möglichkeiten zurück. Defizite bein Einblickverhalten, Falschlichtunterdrückung und Randschärfe machen das Glas für mich uninteressant.
Ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, daß bei Zeiss seit einigen Jahren mehr die Kaufleute und Marketingstrategen das Sagen haben, weniger die Fachleute.
Hohe Gewinnmargen sind heute wohl wichtiger als der Anspruch die besten Ferngläser zu bauen.
PS: Folgendes möchte ich noch mal klarstellen: Ich bin kein Swarovskifan, sondern ein Fan von perfekten Optiken. Die bekam man früher mal von Zeiss (hatte selber fünf Zeiss-Gläser).
Herzlichen Gruß
Joachim Schmolke