Ich habe die Berichte von Henry und Kimmo auch gelesen. Henry und Kimmo sind beides sehr erfahrene Optiktester, einen Fehler auf ihrer Seite kann man meines Erachtens getrost ausschlieĂen. Daher sind ihre Berichte schon ziemlich schockierend, finde ich. Ich glaube ĂŒbrigens nicht, dass Zeiss sich bei der Konstruktion verrechnet hat, eher glaube ich, das die GlĂ€ser einfach "durchgerutscht" sind oder, was mit EinschrĂ€nkung wahrscheinlicher ist, es in der Fertigung einen systematischen Fehler gibt.
Aber egal wie: So etwas darf bei einem Produkt in der Preisklasse nicht passieren. Nie und nimmer. Wenn die Produktion eines neuen Produktes anlĂ€uft, erwarte ich bei Produkten dieser Preisklasse zwingend, dass die ersten Bauserien sorgfĂ€ltig ĂŒberprĂŒft werden, um sicherzustellen, dass alles OK ist. Das ist offenbar nicht geschehen, solche GlĂ€ser dĂŒrfen niemals den Endverbraucher erreichen.
Klar, ein defektes Fernglas gefĂ€hrdet keine Menschenleben, im Gegensatz etwa zu den Produkten der Autoindustrie, wohl aber den eigenen Ruf. Heute gilt der Spruch "Bad news travel fast" mehr denn je, dafĂŒr sorgt schon das Internet. Offenbar hat Zeiss das noch nicht begriffen, sonst hĂ€tten sie sichergestellt, dass so etwas nicht passiert. Das Internet ist eben nicht nur ein nettes Medium, das man zu eigenen Werbezwecken nutzen kann, sondern auch ein Medium, in dem einem irgendwelche MĂ€ngel flott vor einem Riesenpublikum um die Ohren gehauen werden.
Wobei man sich bei der Gelegenheit wirklich Gedanken machen sollte, ob diese eierlegenden WollmilchsĂ€ue wirklich das Gelbe vom Ei sind. Offenbar haben es die Hersteller mittlerweile geschafft, das eigentlich "einfache" Produkt Fernglas so zu verkomplizieren, dass die Fertigung schwer beherrschbar wird. Das hat in den letzten Jahren ja nicht nur Zeiss betroffen - die erste Version der Nikon EDG z.B. hatte offenbar Riesenprobleme mit dem Dioptrienausgleich, Swarovski musste die MarkteinfĂŒhrung der Swarovisions verschieben (was das nicht sogar ein Jahr?), weil die Fertigung Probleme machte, beim Conquest 8x32 HD gab es sich verschiebende Fokussierlinsen etc. Und manche Zyniker meinen ja, dass die Fokussierung bei den Swarovisions auch heute bei manchen GlĂ€sern noch problematisch ist. Nur von Leica habe ich in der letzten Zeit noch nichts gehört. Die Schwierigkeiten mit dem Apo-Televid 77 (sich ablösende VergĂŒtungen auf dem Objektiv bei schwierigen Witterungsbedingungen aufgrund ungeschickter Materialwahl) liegen ja schon lange zurĂŒck.
Und was macht man jetzt als argloser Nutzer? Eigentlich ganz einfach: Man kauft sich eine neue, interessante Optik erst, wenn das Glas schon mindestens ein halbes, besser ein Jahr auf dem Markt ist. Man wartet also ab, was so an Problemen auftaucht und ob der Hersteller das in den Griff bekommt. Das war frĂŒher anders, da konnte man sich darauf verlassen, dass ein neues Glas auch in Ordnung war. Ich habe in den 80er und 90er Jahren GlĂ€ser auch "blind" gekauft, das ging da noch.
FernglÀser sind mittlerweile eben auch zur Bananaware degeneriert - die reifen beim Kunden.