Eigentlich sollte man es ein wenig anders formulieren, denn es wird nicht eine höhere AP zur Wildbeobachtung als zur Himmelbeobachtung „benötigt”. Es wäre in beiden Fällen, also für die terrestrische Beobachtung in der Dämmerung wie für die Himmelsbeobachtung bei Nacht eine größtmögliche AP ideal - wenn nicht bei der Himmelsbeobachtung ein anderer Effekt der sinnvollen Maximal-AP eine Grenze setzte:
Bei der Himmelsbobachtung hat man es mit (auch bei stärkster Vergrößerung) punktförmigen Sternen vor mehr oder weniger schwarzem Himmel zu tun, also mit punktförmigen Objekten vor flächigem Hintergrund. Bei allen terrestrischen Beobachtungen, also auch von Wild in der Dämmerung, betrachtet man ausschließlich flächige Objekte.
Warum ist das ein so wichtiger Unterschied?
Die punktförmigen Sterne werden, durchs Fernglas betrachtet, um so heller, je größer die Objektivöffnung ist - unabhängig von der Vergrößerung. Denn die größere Querschnittsfläche der Objektive „sammeln mehr Licht”, das aber immer, auch unabhängig von der Vergrößerung (zumindest bei einem hochwertigen Fernglas mit so geringen Abbildungsfehlern, daß die Sternabbildung punktfömig bleibt) in einem entsprechend hell leuchtenden „Punkt“ auf der Netzhaut konzentriert wird. Das gesamte vom Objektiv eingefangene Licht fällt auf EINE Sehzelle des Auges, und je mehr Licht das Objektiv dank seinem großen Durchmesser eingefangen hat, desto heller ist der Punkt.
Anders ist es mit dem Himmelshintergrund, der aufgrund der Trübheit der Atmosphäre nie ganz schwarz und in der Nähe von künstlichen Lichtquellen (Straßen- und Schaufensterbeleuchtung, Autoscheinwerfer, leuchtende Fenster von Büros, Fabriken und Wohnungen usw.) eine mitunter erhebliche Aufhellung erfährt. Auch dieser Himmelshintergrund wird zunächst durch das große Lichtsammelvermögen großer Objektive genauso wie die Sterne heller. Aber nun hat das Fernglas ja auch noch einen Vergrößerungseffekt, und so verteilt sich bei einem flächigen Objekt, das z.B. 10fach vergrößert wird, das viele eingesammelte Licht auf eine 10ˆ2fache = 100fache Fläche, so daß die Lichtmenge pro Flächeneinheit (Leuchtdichte beim Durchblick durchs Fernglas bzw. Beleuchtungsstärke auf der Netzhaut) vom zuvor genannten erhöhten Helligkeitsniveau auf 1/100 dieses Niveaus zurückfällt.
Wenn der Beobachter z.B. eine 5 mm große dunkeladaptierte Augenpupille hat, so hat das bei einem Fernglas 10x50 (mit ebenfalls 5 mm großer Ausrittspupille) zur Folge, daß die punktförmigen Sterne zwar 100mal so hell* wie mit bloßem Auge zu sehen sind, der Himmelshintergrund aber trotz der auch hier 100fachen eingefangenen Lichtmenge aber doch nur genauso hell wie mit bloßem Auge aussieht, weil dessen 100fache Fläche den Helligkeitsgewinn wieder kompensiert.
* Die Empfindung 100facher Helligkeit ist weit geringer, als diese große Zahl vermuten läßt, denn das Auge registriert Helligkeitsunterschiede logarithmisch, also so, daß eine Helligkeitssteigerung von 50fach auf 100fach genauso groß empfunden wird wie eine von 1fach auf 2fach oder von 3fach auf 6fach.
Fazit: Große Objektive machen Sterne und Himmelshintergrund heller, aber die Vergrößerung sorgt dafür, daß der Helligkeitsgewinn nur bei den punktförmigen Sternen untem Strich erhalten bleibt, während der Himmelshintergrund wegen der Vergrößerung wieder auf seine ursprüngliche Helligkeit zurückfällt. Der Beobachter sieht nun natürlich viel mehr Sterne als mit bloßem Auge, denn auch diejenigen werden nun sichtbar, die vor der 100fachen Helligkeitssteigerung fürs bloße Auge noch zu dunkel waren.
Jetzt kommt der Knackpunkt: Ist der Himmel über der Stadt stark aufgehellt, so ist das Bild heller Sterne vor grünlichgrauem Hintergrund wenig ästhetisch. Man möchte leuchtende Sterne vor schwarzem Himmel sehen! Also wählt man bei aufgehelltem städtischen Himmel lieber eine etwas kleinere AP, was natürlich gleichermaßen Sterne und Hintergrund dunkler werden läßt. Bis zu einer gewissen Grenze sieht man aber deswegen noch nicht weniger Sterne, denn der Kontrast (= Helligkeitsverhältnis Stern zu Himmel) bleibt ja zunächst unverändert erhalten. Erst wenn die AP so klein wird, daß der Himmelshintergrund eine bestimmte Helligkeitsschwelle unterschritten hat (es ist die, bei der die „Gradationskurve” des Augen abflacht) reduziert sich der Kontrast Sterne zu Himmel, und man beginnt, weniger Sterne zu erkennen.
Erfahrungswerte sind, daß man beim leicht aufgehellten Himmel über dörflichen Gemeinden und kleinen Städten die AP nicht über 5 mm, bei Beobachtung in oder nahe größeren Städten nicht über ca. 4 mm und in oder bei Großstädten evtl. sogar nicht über ca. 3 mm wählen sollte. Im Gebirge dagegen mit klarer Höhenluft macht es höchstes Vergnügen, eine maximale Austrittspupille von 7 mm auszukosten, denn da bleibt wegen der Sauberkeit der Luft und wegen fehlender Aufhellung durch Großstadtlicht dennoch der Himmelshintergrund schwarz. Also sieht man hier wegen des durch den schwarzen Himmel gesteigerten Kontrastes mit 7 mm AP und z.B. 10facher Vergrößerung noch sehr viel mehr Sterne!
Das allein ist der Grund, weshalb ich im oben diskutierten Falle für die nächtliche Himmelsbeobachtung bei aufgehelltem Himmel eine kleinere AP als 5 mm empfohlen habe. Für die Wildbeobachtung aber haben alle diese Überlegungen keine Relevanz, denn da sind alle Objekte flächig, und es gibt keine punktförmigen Objekte - außer der Herr Oberförster richtet sein Fernglas dann doch wieder gen Himmel! Solange der Herr Oberförster aber nur Wildschweine und anders Wild beobachtet und seine Augenpupille noch bis 7 mm Öffnungsdurchmesser adaptieren kann, wird ihm jedes Mehr an AP bis eben zu diesem Grenzwert eine Steigerung der Helligkeit bringen – aber nur bis maximal zur gleichen Helligkeit wie ohne Fernglas! Das deutlich gesteigerte Detailerkennungsvermögen hat er nicht höherer Hellgkeit, sondern stärkerer Vergrößerung zu verdanken. So kann dann ein 7x50 oder 8x56 für ihn die beste Wahl sein.
Walter E. Schön