Wenn der Sehwinkel viel größer sein soll, und das ich ja der wesentliche Grund, weshalb ein 6x30 oder 6x32 von nicht wenigen Fernglasfreunden gewünscht wird, dann müßte das Objektiv einen entsprechend größeren Sehwinkel bewältigen. Die vorhandenen Objektive kürzerer Brennweite aus den 32er-Gläsern sind nicht für diese größeren Sehwinkel (bzw. die größeren Zwischenabbildungen in der Feldblendenebene) gerechnet. Wie Sie wissen, zeigen diese Objektive bereits bei den Sehwinkeln bzw. Zwischenbild-Durchmessern der 32er-Gläser eine mehr oder weniger deutlich wahrnehmbare Randunschärfe. Die würde dann noch wesentlich größer, da die Randunschärfe weit überproportional zum Sehwinkel wächst.
Dazu kommt ferner, daß die im Durchlaß größeren Prismen proportional zur Durchlaßvergrößerung auch länger sind. Das bedeutet, daß die vom Prismensystem verursachten Aberrationen stärker sind und dann eine andere Abstimmung der Objektive erfordern, damit diese die genannten Aberrationen weitgehend kompensieren können.
Der viel kürzere Abstand zwischen Objektiv und Prismen-Eintrittsfläche erfordert dann auch eine Neukonstruktionen des Fokussiersystems, denn die Fokussierlinse kann sich in dem Bereich, in den jetzt das längere Prisma hineinragt, nicht mehr bewegen. Und da die Fokussierlinse integraler Bestandteil des Objektivs ist, hat eine Änderung der Lage und Brechkraft der Fokussierlinse automatisch entsprechende Konsequenzen für die nicht beweglichen Objektivlinsen.
Noch eine Anmerkung zu einem früheren Beitrag dieser Diskussion: Es war dort der Eindruck entstanden, eine Okularverschiebung zum Fokussieren sei eine Besonderheit von Porrogläsern. Das ist nicht der Fall. Prinzipiell könnte sowohl eine Innenfokussierung als auch eine Okularverschiebung zum Fokussieren sowohl bei Porro- als auch bei Dachkantgläsern verwendet werden. Es ist lediglich so, daß die meistens wasserdicht konzipierten Dachkantgläsern aus praktischen Gründen fast immer eine Innenfokussierung und die meistens sehr viel billigeren Porrogläser aus Kostengründen fast immer eine Okularverschiebung haben, die manchmal für beide Okulare gemeinsam (als Zentralfokussierung) und manchmal für beide getrennt (als Einzelokularfokussierung) erfolgen kann.
Walter E. Schön