Nomalerweise hat ein Objektiv eine Bildfeldwölbung, deren hohle Seite dem Objektiv zugewandt ist.
Das Okular ist im Prinzip auch ein Objektiv, nur mit dem Unterschied, daß es quasi umgekehrt eingesetzt wird, also mit dem kurzen Abstand (der sonst meistens die Bildweite ist) als Gegenstandsweite, wie das bei Projektionsobjektiven der Fall ist – nur projiziert hier das Okular ein im Grenzfall unendlich fernes und de facto ein virtuelles Bild im Endlichen vor statt hinter dem Okular. Also weist auch das Okular eine Bildfeldwölbung auf, die eine zur Wölbung des Objektivs entgegengesetzte Wölbung aufweist (hohle Seite zum Okular gerichtet).
Da die beiden Wölbungen von Objektiv und Okular entgegengesetzt sind, kompensieren sie einander weder ganz noch teilweise, sondern verstärken den Gesamteffekt.
Da das Objektiv eine lange Brennweite und einen kleinen Bildwinkel hat (z.B. nur 7°), ist seine Wölbung relativ flach (wie eine Untertasse). Das Okular aber hat eine sehr kurze Brennweite und einen sehr großen Bildwinkel (z.B. 65°), und deshalb ist seine Bildfeldwölbung ohne besondere Korrekturmaßnahmen nicht nur entgegengesetzt zu der des Objektivs, sondern auch noch viel stärker (wie eine Teetasse ohne Henkel). Es genügt also nicht, nur die Bildfeldwölbung des Objektivs zu beheben, sondern man muß auch die viel schlimmere des Okulars reduzieren. Deshalb, aber auch, weil die Korrekturlinsen das abbildende System möglicht wenig stören sollen, finden sich die „Bildfeldebnungslinsen“ nahe dem Zwischenbild (Feldblendenebene) vor dem Okular oder schon beinahe als dessen Bestandteil im Okular integriert.
An der Fokussiereinheit zu korrigieren, hätte kaum einen Effekt. Man muß, um einen nennenswerten Gewinn zu erzielen, am bzw. vor dem Okular Maßnahmen ergreifen („vor dem Okular“ bezieht sich auf die Lichteinfallsrichtung und meint die dem Objektiv zugewandte Seite des Okulars).
Daß Swarovski bei den SLC- und EL-Modellen eine bessere Bildfeldebnung erzielt als Leica oder Zeiss, liegt wohl daran, daß man diesem Aspekt in der Prioritätenliste einen höheren Rang eingeräumt hat. Bekanntlich sind je sehr viele Aberrationen zu korrigieren und wegen der teilweise gegensätzlichen Wirkung (Verminderung einer Aberration kann eine andere vergrößern) sowie nicht beschränkter Freiheitsgrade, beschränkter Glassortenauswahl, enger Kostenvorgaben usw. müssen Kompromisse eingegangen werden. Wenn die Reihenfolge der zu korrigierenden Aberrationen in der Prioritätenliste bei Swarovski anders aussieht als bei Leica oder Zeiss, kommen selbst exakt gleich schlaue und kreative Optikkonstrukteure zu verschiedenen Ergebnissen – in unserem Falle die von Swarovski zu besserer Bildfeldebnung und Leica bzw. Zeiss bei irgendwelchen anderen Aberrationen zu einem etwas besseren Ergebnis. Natürlich können auch größere finanzielle Spielräume eine Rolle spielen. Swarovski hat bekanntlich höhere Preise und könnte daher evtl. mehr Geld für zusätzliche Qualitätsverbesserungen (hier für geringere Bildfeldwölbung) zur Verfügung stellen. Das ist Spekulation, aber könnte durchaus so sein.
Walter E. Schön