Es stimmt, daß die Wahrnehmung der Helligkeit etwas von der Farbtönung beeinflußt werden kann, wenn die individuelle spektrale Empfindlichkeitskurve des Beobachters nicht mit der gemittelten und in Normen zugrundegelegten V-Lambda-Kurve exakt übereinstimmt. In Normen geht das nicht anders, als sich auf Mittelwerte zu beziehen, die in statistischen Untersuchungen an ausreichend vielen Probanden ermittelt werden, damit eine für möglichst viele Anwender halbwegs zutreffende Aussage möglich wird. Aber das ist kein Argument gegen, sondern für meinen Test:
Wenn z.B. ein Beobachter bei meinem Test ein leicht gelblich getöntes Bild als ein wenig heller empfindet als ein leicht bläulich getöntes oder gar als ein farbneutrales eines anderen Fernglases, obwohl beide bei einer exakten Messung mit V-Lambda-Gewichtung denselben Meßwert liefern, so hat er exakt dieselbe „verschobene“ Helligkeitsempfindung auch bei der normalen Beobachtung mit diesen beiden Ferngläsern (also beim Blick ins Okular statt ins Objektiv), nur mit dem Nachteil, daß sie dort von zusätzlichen Effekten überlagert und somit verfälscht wird, z.B. von Umgebungsfarben oder von den Eigenfarben des Motivs*). Insofern gibt mein Test hinsichtlich der wahrgenommenen transmissionsbedingten Bildhelligkiet immer exakt dasselbe wieder, das auch bei der normalen Beobachtung vom selben Beobachter wahrgenommen wird, nur daß mein Test die Unterschiede in der Helligkeitswahrnehmung viel deutlicher und unbeeinflußt von Umgebungsfarben, Motiv-Eigenfarben und Bildgrößen sowie unbeinflußbar von mangelndem Helligkeitsgedächtnis und Wunschdenken oder einer Erwartungshaltung, also einfach „objektiver“ zeigt. Für diesen Beobachter ist also mein Papiertest ideal zur Feststellung, mit welchem der beiden Ferngläser er selbst (und nicht unbedingt auch jeder andere Beobachter) auch bei normaler Beobachtung den Eindruck eines helleren Bildes haben wird.
In der Regel ist es jedoch so, daß stark farbstichige Ferngläser zugleich die mit der geringeren Transmission sind, und das kann man auch bei meiner Testmethode sehr deutlich sehen. Der oben beschriebene Einfluß ist keineswegs so groß, daß er die Transmissionsreihenfolge beliebig umkehren könnte.
Machen Sie doch einfach mit mehreren Ferngläser niedriger und hoher Qualität selbst diesen Test. Sie werden überrascht sein, wie deutlich manches Fernglas, das Sie bisher mangels korrekter Vergleichsmöglichkeit für recht hell gehalten haben, tatsächlich gegen ein Spitzenmodell wie Leica, Swarovski oder Zeiss oder auch gegen eines der Porro-Spitzenmodelle von Nikon abfällt. Sie werden aber auch sehen, daß es beinahe unmöglich ist, in der Helligkeit bei Leica Ultravid, Swarovski EL und Zeiss FL Unterschiede zu sehen (im Farbton sind Unterschiede leichter wahrzunehmen). Der Grund dafür ist, daß diese Topmodelle tatsächlich fast gleich hohe Transmission bieten. Und wenn Sie schon mit meinem Papiertest Mühe haben, Helligkeitsumterschiede zu erkennen, um wieviel weniger können Sie dann im Feld bei normaler Beobachtung hinsichtlich der Transmission Unterschiede wahrnehmen? Wenn Sie meinen, solche bei normaler Beobachtung zu erkennen, so behaupte ich, daß das in mindestens 99% der Fälle nur Einbildung aufgrund anderweitiger Einflüsse oder Ihre Erwartungshaltung ist. Würden Sie die Vergleiche mit äußerlich zur Unkenntlichkeit veränderten (z.B. bis auf die Objektiv- und Okularlinsen in undurchsichtige Plastikfolie eingewickelte) Ferngläsern machen, also jeweils nicht wissen, um welches Modell es sich gerade handelt, würden die Urteile nach dem Zufallsprinzip streuen.
Mein Test hilft also nicht nur, die billige Streu objektiv von Weizen zu trennen, sondern auch die überflüssigen Diskussionen um Nachkommastellen zu verhindern, die in technischen Daten Unterschiede angebenen, die in der Praxis keine Bedutung mehr habem (ähnlich wie bei der unsäglichen HiFi-Kabel-Diskussion, die nur von Voodoo-Effekten lebt und keinerleit Bezug zur Wirklichkeit hat).
Walter E. Schön
*) Die Eigenfarbe des Motivs bei „normaler“ Beobachtung spielt insofern eine stark verfälschende Rolle, als z.B. eine rote Fläche kein oder fast kein grünes Licht reflektiert, also eine Schwäche in der Grüntransmission gar nicht erkennen lassen kann. Um einen Farbstich zuverlässig sehen und beurteilen zu können, muß die Fläche, die man betrachtet, alle Farben gleich stark reflektieren, und das heißt, daß diese Fläche weiß oder neutralgrau sein muß. Ich habe in zahlreichen Tests festgestellt, daß man in einem nicht zu hellen, also vor allem nicht blendenden Weiß oder einem sehr hellen Neutralgrau sowohl die Farb- als auch und vor allem die Helligkeitsabweichungen am deutlichsten sehen kann. Deshalb empfehle ich, das praktisch überall verfügbare weiße Schreibmaschinen-/Kopier-/Laserdruckerpapier zum Test zu benutzen. Hellgraue Papiere oder Kartons, die wirklich neutralgrau sind, also alle Spektralfarben gleich stark reflektieren, sind gar nicht so leicht zu finden. Nicht zuletzt deshalb ist z.B. die bei Fotografen bekannte und zur Belichtungsmessung sowie zur Farbfilterung beim Vergrößern benutzte Kodak-Graukarte so teuer: Sie wird mit einer eigens dafür hergestellten, wirklich neutralgrauen Farbe bedruckt.