Das nächste Fernglas.
Heute waren wir zu siebt mit 6 Ferngläsern unterwegs: Victory 7 x 42, dto. 8 x 32, Conquest 8 x 30, Leica Ultravid 8 x 42, Hensoldt 6 x 30 GA (mein Paddelglas) und, auf besonderen Wunsch, Fujinon eventum 5 x 21. Die Route war abwechslungsreich ausgewählt; von Geest mit Mischwald ging’s in die Flussniederung mit Deich und wieder zurück, insgesamt sollten es knapp 20 Kilometer werden. Im lichten Mischwald schlugen sich alle Gläser im Kontrastvergleich annähernd gleich gut, einzig die Vergrößerung setzte erkennbare Grenzen. Bei der Farbtreue wurden erste, wenn auch nur ganz leichte Unterschiede registriert: „Grün bleibt grün, blau blau und die Brauntöne werden ebenfalls exakt wiedergegeben, aber dennoch erscheint mir das Bild bei gleicher Schärfe in den Victorys „knackiger“, dicht gefolgt vom Ultravid, und dann kommt das Conquest. Das Hensoldt ist aber auch nicht merklich schlechter, liegt gleichauf mit dem Fujinon“, beschrieb eine als besonders kritisch bekannte Dame (Ex-Rektorin) ihre Eindrücke. Dem Gesagten stimmten alle nach nochmaligem Vergleich (wohl nicht nur aus Respekt)zu. Beim Blick vom Deich lagen Ultravid 8 x 42 und Victory 7 x 42 in der Sympathie um Haaresbreite vorn, und dann fragte einer der Herren, ob „das da hinten“ nicht das Gebäude eines kürzlich angesiedelten Wassersportausrüsters sei, und ob man da nicht auch mal gucken gehen könnte, schließlich hätte der doch auch Ferngläser im Sortiment? Ich sagte nichts, ließ die Gruppe entscheiden. Allen war klar, dass sich dort, wenn’s denn Ferngläser vor Ort gäbe, wunderbar würde vergleichen lassen. Wir marschierten also hin. Im Laden waren keine anderen Besucher, der anwesende Mitarbeiter zeigte reges Interesse an unserem Anliegen, und so gingen die einschlägigen Marken in den verschiedenen Qualitätsstufen von Hand zu Hand. Vom neben dem Geschäftsraum gelegenen Balkon aus gab’s freie Sicht, und der Mitarbeiter wurde in das umfangreiche Vergleichsprogramm einbezogen, was ihn sichtlich freute. Von meinen Mitwanderern wurde einhellig das erstaunlich billig angebotene Fujinon WP 7 x 50 mit extra aufzurufender digitaler Anzeige des Kompasses als im Gesamteindruck bestes Glas bezeichnet und von einem der noch fernglaslosen Herren (für 120 statt 350 Euro!) prompt gekauft. Es war das letzte Exemplar einer nicht mehr hergestellten Serie, in der Optik einen Hauch besser als das WPXL, bei dem die Kompassanzeige permanent & analog erfolgt. Den Kompass brauche er sowieso nicht, stören würde er, weil bis zum Aufruf unsichtbar, ebenfalls nicht, zu schwer oder groß empfände er das Glas (ca. 1 kg) auch nicht, und zum Einstieg sei es sicher keine schlechte Wahl. Dem stimmten alle zu. Die Firma aus Bayern war mit ihrem gesamten Programm vertreten, wurde aber auch bei den Spitzenmodellen als schwächer beurteilt. „Ja, wenn ich von der Brücke einer Yacht immer nur in die Ferne gucken müsste, wäre das vielleicht zu überlegen, aber so? Und wo sind diese Gläser überhaupt wirklich richtig scharf? Nee, das is nix für mich“ lautete ein mir im Gedächtnis gebliebener Kommentar.
Das Fujinon ließ sich vom neuen Besitzer trotz Einzelokularverstellung ohne das Glas abzusetzen völlig problemlos bis auf etwa 7 Meter Nahgrenze fokussieren und ebenso mühelos an weitere Entfernungen anpassen. Ein bemerkenswertes Glas: „Made in Japan“ steht drauf, und die griffigen Okulare klicken beim Verstellen wie beim Docter 7 x 40. Die Okularmuscheln sind geradlinig verschiebbar und stören beim Verstellen nicht. „Rundherum wie extra für ihn gemacht“ – so seine strahlende Ehefrau, die sich für das 8 x 32 Victory entschieden hatte.
Inzwischen war der Ladenschluss nahe gekommen und wir hungrig geworden. Da hatte der frischgebackene Fernglaseigner die glänzende Idee, den Verkäufer nach einem ordentlichen, in der Nähe gelegenen Restaurant zu fragen, und setzte hinzu, er wäre übrigens mit eingeladen. Der Verkäufer wusste nicht nur guten Rat, sondern hatte auch Platz für uns alle in seinem Kleinbus. Anschließend brachte er uns noch zur Straßenbahn. Wir verabredeten uns für einen Fernglasspaziergang am morgigen Sonntag, dann fuhren alle zufrieden nachhause. Bis auf einen. Der war, wie er mir eben noch am Telefon versicherte, mit seinem ersten Fernglas überhaupt, regelrecht glücklich: „Du, so hab ich den Mond noch nie gesehen! Der ist ja fast zum Greifen nah! Ist das schön! Else ruft, ich mach jetzt Schluss. Bis morgen!“
Liebe Grüße, Jan Himp 2