Es tut mir leid, Ihnen widersprechen zu müssen. Das Problem scheint mir nicht zu sein, daß wir alle bemitleidenswerte Kreaturen ohne Sensibilität für Farbsäume und Sie der einzige Mensch mit scharfem Durchblick sind. Vielmehr fehlt es Ihnen wahrscheinlich noch an Übung, um das Fernglas korrekt vor die Augen halten zu können.
Die Spitzenferngläser von Leica, Swarovski und Zeiss (und auch das Canon 10x42 L IS WP sowie die HG-L- und SE-Modelle von Nikon) zeigen bei korrekt zu den Austrittspupillen zentrierten Augenpupillen in einem relativ weiten Bereich um die Sehfeldmitte keine störenden Farbsäume, genauer: nur so geringe Fernsäume, daß sie unter der Auflösungsgrenze des menschlichen Auges liegen. Das gilt, auch wenn Sie für sich überdurchschnittliche Sehschärfe reklamieren, auch für Ihre Augen, denn Die farbsensitiven Zapfen in Ihrer Netzhaut sind nicht signifikant enger (d.h. mit geringerer Rasterweite) gepackt, und selbst wenn sie es wären, gelten auch für Ihre Adleraugen die optischen Gesetze einschließlich der hier eine nicht überwindbare Grenze setzenden Beugung. Ich kenne alle 32er- und 42er-Ferngläser der obengenannten Hersteller aus eigener Erfahrung, so daß ich nicht Werbetexte nachplappern muß, sondern mich über mein physikalisch-optisches Wissen hinaus auf das stützen kann, was ich mit meinen eigenen Augen sehe bzw. gesehen habe.
Der springende Punkt ist die korrekte Zentrierung der Augenpupillen. Dazu ist, wie ich schon in meinem ersten Antwortbeitrag schrieb, zunächst einmal die Anpassung des Okularachsenabstandes des Fernglases an die eigene Augenweite notwendig. Allerdings ist das allein noch nicht hinreichend, um gleich Ihrem Einwand zuvorzukommen, daß Sie dies schon gemacht hätten. Es nützt nämlich nichts, den Abstand korrekt eingestellt zu haben, wenn dann trotzdem das Fernglas zu hoch, zu tief, zu weit nach links oder rechts verschoben und vielleicht zusätzlich auch noch etwas verkantet vor die Augen gehalten wird. Man kann die richtige Haltung etwas üben; ich weiß aus Erfahrung mit vielen Fernglas-Unerfahrenen, denen ich mal ein Fernglas zum Ausprobieren gegeben habe, wie oft das bei Anfängern vorkommt (siehe dazu hier den zweiten Absatz: [
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Gerade Ferngläser mit großer AP sind diesbezüglich kritisch, weil ein Versatz zwischen Okular- und Augenachse bis zur halben Differenz der Pupillengrößen* keinerlei Auswirkung auf die Sehfeldgröße und auf die Bildhelligkeit hat (also keine Vignettierung oder allgemeine Abdunkelung verursacht). Vor allem, aber nicht nur der Anfänger bemerkt eine mangelhafte Zentrierung speziell an einer solchen Vignettierung bzw. Abdunkelung. Vielleicht sind Sie noch nicht so weit, die erforderliche Genauigkeit der Zentrierung zu beherrschen. Für Sie wäre dann für die Tagbeobachtung ein Fernglas mit kleinerer AP sinnvoll. Also wäre z.B. ein 8x32 (mit immer noch großer 4-mm-AP) oder ein 10x32 (3,2-mm-AP) schon mal besser als ein 8x42 (5,25-mm-AP). Beim 10x32 bemerken Sie sehr schnell, also bei geringerer Dezentrierung, daß Sie nachjustieren müssen. Es kommt daher nicht unbemerkt zu so großen Abweichungen, daß die aus der Dezentrierung resultierenden Farbsäume störend stark werden.
* Wenn die Fernglas-AP 5,25 mm beträgt und Ihre Augenpupillen bei Tageshelligkeit z.B. 2,25 mm groß sind, tritt eine Vignettierung der Pupille erst ein, wenn die Dezentrierung über (5,25 mm - 2,25 mm) : 2 = 1,5 mm beträgt. Wenn die Fernglas-AP dagegen nur 3,2 mm groß ist, kommt es bereits bei einer Dezentrierung über (3,2 mm - 2,25 mm) : 2 = ca. 0,5 mm zur sichtbaren Vignettierung bzw. Abdunkelung. Je geringer die Dezentrierung, desto weniger Farbsäume haben Sie im zentralen Bildfeld.
Zu dem von Ihnen zitierten Text des (auch mir unbekannten) Herrn Langert möchte ich sagen, daß die folgende Aussage Unsinn ist: „O.K., das lässt sich nun mal bei Dachkantgläsern nicht vermeiden“, Bezüglich der Farbsäume, egal ob durch das optische System oder eine Dezentrierung der Augenpupillen verursacht, hat die Art des Umkehrprismensystems überhaupt keine Bedeutung. Wenn ein Dachkant- und ein Porroprismen-Fernglas dieselben Objektive und Okulare hätten, würden Sie exakt gleiche Farbsäume erzeugen. Der Satz von Herr Langert beweist nur, daß er von Fernglasoptik nicht viel Ahnung hat, so daß ich fürchten muß, daß auch seine anderen Aussagen schlecht fundiert und möglicherweise ebenfalls von schlechter Augenzentrierung beeinflußt sind.
Ein jegliche Diskussion über Abbildungsqualität erschwerender bis unmöglich machender Umstand ist, daß jeder von uns seine eigenen (bei Unerfahrenen und erst recht bei technisch Unbedarften oft maßlosen oder anderweitig unrealistischen) Erwartung hat. Deshalb kann ich Herrn Langert und Ihnen nicht widersprechen, wenn er sagt oder Sie sagen „Fernglas XYZ erfüllt meine Erwartungen nicht“. Nun, vielleicht erwarten Sie im Extremfalls, daß das Fernglas außer dem vergrößerten Bild auch noch die Gerüche des Motivs näherbringen müsse oder sein Vergrößerungsfaktor auch das Auflösungsvermögen der Augen entsprechend steigert. Erst kürzlich hatte hier ein Fernglasneuling (das ist nicht abwertend gesagt!) ein Fernglas gesucht, mit dem er auf 200 bis 300 m Entfernung ein Reh formatfüllen betrachten kann. Ich nehme niemandem solche unrealistische Erwartungen übel und lache auch nicht darüber, denn woher soll jemand, dem die Fernglaserfahrung noch fehlt, wissen, daß das eine um den Faktor 10 zu hochgespannte Erwartung ist? Jeder mit Optik Vertraute aber weiß, daß jedes optische Gerät nicht nur einen erwünschten optischen Effekt hat, sondern unvermeidbar auch allerlei Aberrationen produziert. Eine aberrationsfreie Abbildung gibt es nicht und wird es nie geben, schon allein deshalb, weil nichts völlig toleranzfrei produziert werden kann.
Nun noch zu Ihrem Vorschlag im letzten Satz Ihres Beitrags. Zunächst führt ja bereits die Augenpupille bei Tageshelligkeit zu einer solchen Abblendung der Objektive. Denn von dem Licht, das durch die z.B. 42 mm große Objektivöffnung ins Fernglas ein- und durch dieses hindurchfällt, wird von Ihren Augen nur der Teil durchgelassen, der durch die freie Öffnung Ihrer Augenpupillen fällt. Wenn Ihre Augenpupillen bei Tag ca. 2 mm bis max. 2,5 mm groß sind, dann ist das bei einem 8x42-Glas eine EFFEKTIVE Eintrittspupillenöffnung von 8 · 2 mm bis 8 · 2,5 mm, also nur 16 mm bis 20 mm. Das ergibt also eine noch viel stärkere Abblendung, als Sie sie vorschlagen. Wenn Ihre Augen korrekt zur Austrittspupille bzw. zu den Okularachsen zentriert wären, dann läge diese 16- bis 20-mm-Kreisscheibe der effektiven Öffnung genau in der Mitte der Objektive. Eine Abblendung an den Objektiven, wie von Ihnen vorgeschlagen, hätte dann überhaupt keine Wirkung bezüglich der Aberrationen und insbesondere der Farbsäume (außer einer durchaus erwünschten Verminderung des Falschlichts, das aber nichts mit den Farbsäumen zu tun hat).
Wenn Sie aber die Augenpupillen nicht korrekt zentriert haben, dann wirkt die Abblendung durch die relativ zur AP kleinere Augenpupille so, als ob Sie eine kreisförmige Blende von 16 mm bis 20 mm Durchmesser nicht in der Mitte der Objektive, sondern exzentrisch aufgesetzt hätten.
Andererseits ist Ihr Vorschlag dann, wenn Sie Probleme mit der korrekten Augenzentrierung haben, durchaus richtig. Denn wenn Sie eine entsprechende Blende, die hier sogar nur 20 mm klein sein dürfte, zentrisch vor die Objektive setzen, dann werden Sie eine nur 2,5 mm kleine AP erhalten, und dann werden Sie es sofort an einer Vignettierung des Sehfeldes und an einer allgemeinen Abdunkelung merken, wenn Ihre Augen nicht korrekt zentriert sind. Die kleine AP zwingt Sie also, die korrekte Zentrierung besser einzuhalten, und schon sind die von der Dezentrierung herrührenden Farbsäume beseitigt. Es ist dann aber einfacher, meinem weiter oben gegebenen Vorschlag zu folgen, und dann gleich ein kleineres Fernglas 8x32 oder 10x32 oder gar 8x20 zu nehmen, um diese Farbsaumproblem besser unter Kontrolle zu bringen.
Übrigens hatte ich Empfehlung zur präziseren Einstellung auf den eigenen Augenabstand hier im Forum schon mehrfach gegeben. Hier ...
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.. könnte Absatz 4.3 für Sie interessant sein und hier ...
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... wären die Ausführungen zu Punkt 1 vielleicht hilfreich (obwohl es dort um Kompaktferngläser geht). Ferner hatte ich auch schon vor Jahren die Empfehlung gegeben, zur präziseren Ermittlung des eigenen Augenweite die Objektive mit zentrischen Blenden zu versehen, aber leider konnte ich diesen Beitrag jetzt nicht wiederfinden.
Ich hoffe, das alles hilft Ihnen weiter und könnte eines Tages dazu führen, daß Sie keine störenden Farbsäume im zentralen Bereich des Sehfeldes mehr feststellen.
Walter E. Schön