Sehr geehrter Herr Werner,
Eigentlich hatte ich dem Forum nur eine Frage über das Fernglas Hensoldt Dialyt 8x32 gestellt. Ich will eine jetzt evtl. enstehende Unsachlichkeit in der Diskussion über den Sinn der Jagd eigentlich gar nicht erreichen, aber wenn sie, ohne mich persönlich zu kennen, mich mit allen schwarzen Schafen in der Jägerschaft, die Sie schon persönlich kennenlernen mußten, in einen Topf werfen möchten, um eine Diskussion über Jagdethik anzukurbeln, ist das ihre ganz persönliche Auffassung. Gott Sei Dank muß ich mir persönlich keine Vorwürfe über jagdliche Verwerfungen in meinem bisher ruhigen beschaulichen Jägerleben machen lassen. Ich möchte betonen, ich bin ein glücklicher Jäger, falls Sie Zweifel daran hegen, dürfen Sie mich gerne in Brandenburg besuchen kommen.
Zu meinem und vielleicht auch Ihrem Verständnis der jagdlichen Ethik lassen Sie mich jedoch mal den antiken Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) eine Aussage zur Glücksethik machen :
Die Glücksethik des antiken Philosophen Aristoteles (384-322 v. Chr.) zählt auch heute noch zu den bedeutendsten Begründungsmodellen für moralisches Handeln. Danach ist das Ziel des menschlichen Lebens sowie des Handelns die Glückseligkeit.
Jäger stehen andauernd vor Herausforderungen, die sie zu moralischen Entscheidungen und Handlungen zwingen. Moralisch wertvolle Handlung begeht der Mensch nach Meinung des antiken Philosophen allerdings gerade nicht, um eines äußeren Zieles wie Ruhm, Ehre oder persönlicher Nutzen und Gewinn willen. Nur Handlungen, die um ihrer selbst willen geschehen, also ohne ein äußeres Ziel, führen hingegen zum höchsten Ziel, der Glückseligkeit. Und diese Handlungen sind diejenigen, bei denen der Mensch in richtiger Form das gebraucht, was ihn auszeichnet: seine Vernunft.
Die aristotelische Mesotes-Lehre, die auch die Lehre der richtigen Mitte genannt wird, ist eine gut verständliche ethische Regel, deren Anwendung das Glück des Menschen fördert. Danach wird der tugendhafte Mensch vor jeder wichtigen Entscheidung überlegen, wo für ihn persönlich die richtige Mitte zwischen Übermaß und Mangel liegt. Aristoteles gibt ein gutes Beispiel: Ein Soldat steht in vorderster Front und soll ins Kampfgeschehen eingreifen. Übermaß wäre, wenn er tollkühn in die gegnerischen Reihen stürmen würde. Ein Mangel wäre es, wenn er sich nur feige hinter seinen Mitkämpfern verstecken würde. Tapfer, und damit tugendhaft wäre es, je nach Situation, ein Verhalten, das zwischen diesen beiden Extremen liegt, zu wählen. Dabei sagt Aristoteles, dass diese Mitte bei den Menschen verschieden sein kann und sie auch in verschiedenen Situationen unterschiedlich ist.
Ein Jäger, der tollkühn auf gefährliches Wild losprescht oder der so viel Wild schießt, dass er den Bestand der Wildart gefährdet, oder eine seltene Art erlegt, würde maßlos übertreiben. Unmoralische wäre ebenfalls ein Waidmann, der tötet, um Ruhm, Ehre oder Beachtung zu finden oder einer, der jagen geht, um durch den Erlös des Wildbrets möglichst viel Geld zu scheffeln oder dies ausschließlich zur Befriedigung seiner tiefsten Lüste verrichtet. Hier geschieht das Jagen eben nicht um seiner selbst willen, sondern wegen eines äußeren Zieles. Ein Jäger, der zur Jagd geht, aber nie schießt, weil er Angst hat, würde allerdings nach dem anderen Extrem handeln. Gleiches gilt für einen, der Wild beunruhigt, massiv stört, aber schließlich kein Wild oder nur zu wenig erlegt.
Wie sähe die Mitte aus? Wie jede ethische Handlung hängt auch sie vom jeweiligen Menschen und den Rahmenbedingungen ab. Aber ein Mittelweg zwischen Übermaß und Mangel könnte die mutige, gekonnte und fachkundige Jagdausübung eines Jägers sein, der aus einem vernünftigen Grund genügend Beute macht und trotzdem den Bestand nicht gefährdet. Dabei wird er weder zu oft noch zu selten jagen, für sein Hobby weder zu viel noch zu wenig Geld ausgeben und der Jagd weder einen zu großen noch zu geringen Stellenwert in seinem Leben einräumen. Jeder Jäger kann seine Mitte finden. Vermeidet er Übermaß und Mangel in seinen Handlungen, dann ist die Chance recht hoch, dass er moralisch wertvoll handelt und wahrhaft glücklich wird.
Mit freundlichen Grüßen,