Ihrer grundsätzlichen Abneigung gegenüber Faltferngläsern kann ich insofern nicht widersprechen, als solche Beurteilungen immer sehr subjektiv sind und ich Ihnen nicht vorschreiben kann und will, wie Sie die Prioritäten zwischen optischer Leistung und Handlichkeit/Bequemlichkeit zu setzen haben.
Allerdings meine ich, daß Sie Sinn und Zweck von Faltferngläsern wohl nicht recht verstanden haben. Faltferngläser sind, und da stimme ich Ihnen zu, kein vollwertiger Ersatz für größere Ferngläser (ab etwa 8x30) und sollten deshalb auch nicht mit diesen in Konkurrenz gesehen oder beurteilt werden. Vielmehr sind sie dafür da, daß man ein Fernglas auch dann parat haben und zur Beobachtung einsetzen kann, wenn ein „ausgewachsenes” Fernglas aufgrund seiner Größe und seines Gewichts gar nicht mitgeführt worden wäre.
Aus meiner eigenen Praxis kann ich sagen, daß ich mit Kompaktferngläsern weit häufiger beobachtet habe als mit leistungsfähigeren größeren Ferngläsern, eben weil es keine Mühe machte oder belastet hatte, sie in der Gürteltasche mitzunehmen. Ich hätte sehr viel versäumt, wenn ich keine Kompaktferngläser gehabt hätte, denn in 99% der Fälle hätte ich nicht als Alternative ein größeres, sondern überhaupt kein Fernglas gehabt!
Wenn Sie es so sehen, werden Sie mir zustimmen müssen. Deshalb meine ich nach wie vor, daß jeder, der mindestens zwei Ferngläser hat oder haben will, als eines davon ein Kompaktfernglas haben oder kaufen sollte, um maximale Chancen für Fernglasbeobachtungen zu haben. Und da sich in diesem Falle fast immer das Kompaktfernglas als das am häufigsten genutzte erweisen wird (wenn man mal von beruflicher Nutzung beim Jäger, Ornithologen, Wachmann usw. absieht) und weil es außerdem weniger kostet als ein qualitativ vergleichbares größeres Fernglas, empfehle ich ein Kompaktfernglas auch als ideales Einstiegsfernglas, zumal man hier nicht gleich ein kleines Vermögen (große Top-Ferngläser kosten etwa das Dreifache) ausgeben muß, um Spitzenqualität zu bekommen.
Da ich Brillenträger bin (ca. -5 dpt) und Ferngläser immer mit Brille benutze, achte ich sehr wohl auf gutes Einblickverhalten mit ausreichend großer Pupillenschnittweite. Und da habe ich mit allen meinen drei kleinen Faltgläsern (Leica Trinovid 8x20 Titan, Swarovski 8x20 B, Nikon 8x20 HG) keine Probleme. Freilich gibt es auch Faltferngläser mit zu kleinen Pupillenschnittweiten, aber so etwas gibt es bekanntlich auch bei den großen Ferngläsern, so daß dies kein typisches Problem von Faltferngläsern darstellt.
Daß man die Faltferngläser wegen der vergleichsweise kleinen Austrittspupillen (ca. 2,5 mm) präziser auf die eigene Augenweite einstellen muß, sehe ich nicht als Nachteil. Im Gegenteil verleiten große Austrittspupillen bei Tageslicht zu ungenauer Abstandseinstellung, was zur Folge hat, daß die Abbildungsqualität mitunter beträchtlich abnimmt (weil die optischen Achsen von Okular und Auche nicht fluchten, als Dezentrierung voliegt), ohne daß es dem Beobachter bewußt wird. Das ist übrigens einer der Gründe, warum vielen, vor allem den weniger erfahrenen Beobachtern gute kleine Ferngläser oft schärfer abzubilden erscheinen als große!
Was schließlich Theater und Konzert betrifft, so möchte ich dort nicht unbedingt aussehen wie ein Oberförster, sondern mein Kompaktfernglas unauffällig versteckt halten. Ich hatte dabei noch nie Probleme mit einem zu kleinen Gesichtsfeld; sehen Sie sich doch mal die sogenannten „Theatergläser” galileischer Bauart an: die haben aufgrund ihrer Konstruktion (innenliegende Austrittspupille!) trotz geringerer Vergrößerung noch viel kleinere Sehfelder!
Walter E. Schön