Vorab: In meinem Text steht nirgendwo, daß es einfach sei. Ich weiß also mit Ihrem ersten Satz nicht so recht etwas anzufangen. Aber kommen wir zu Ihrer durch Beobachtung gewonnenen Feststellung.
Die Negativ-Positiv-Linsenkombination ist mit Sicherheit ZUNÄCHST allein zu dem Zweck eingebaut worden, den langen Glasweg im Rhombusprisma zu überbrücken (andernfalls läge der Primärfokus irgendwo innerhalb des Glases, wahrscheinlich sogar näher an dessen Eintrittsfläche als im hinteren Teil). Es ist aber natürlich nicht auszuschließen, daß die Optikkonstrukteure bei Vixen so schlau waren, die damit gewonnenen zusätzlichen Freiheitsgrade – speziell bei der Wahl der Glassorten für diese beiden Linsen – dazu zu nutzen, eine zur chromatischen Aberration des Objektivs entgegengesetzte chromatische Aberration zu erzielen, also die Farbfehler des Objektivs wenigstens teilweise zu kompensieren. Ein Optikkonstrukteur, der ein fest eingebautes (also nicht ein auswechselbares, für mehrere unterschiedliche Fernrohre vorgesehenes) Linsensystem so konstruiert, daß es für sich genommen möglichst wenig chromatische Aberration zeigt, während er gleichzeitig weiß, daß das zur Kombination mit diesem Linsensystem vorgesehene Objektiv als FH-Objektiv großen Öffnungsverhältnisses deutlich wahrnehmbare chromatische Aberration aufweist, hätte seinen Beruf verfehlt. Ich gehe deshalb davon aus, daß die Vixen-Optikkontrukteure die sich ihnen bietende Chance zur Reduzierung der Farbsäume sehr wohl genutzt haben. Das heißt aber noch lange nicht, daß dieses Linsenpaar zum Zweck der chromatischen Korrektion eingeplant wurde, sondern nur, daß man diesen möglichen Nebeneffekt erfreulicherweise nicht ignoriert, sondern genutzt hat.
Ihr letzter Satz „Haben die zusätzlichen Linsen nicht doch eine achromatisierende Wirkung?” klingt so, als hätte ich das bestritten, aber das ist nicht der Fall. Vielmehr habe ich mich in meinem vorherigen Beitrag nur darauf beschränkt, die Falschaussagen, z.B. zum „telezentrischen System”, zu korrigieren und die eigentliche Aufgabe des Negativ-Positiv-Linsensystems ohne Erwähnung der jetzt beschriebenen erfreulichen „Nebenwirkungen” darzustellen.
Walter E. Schön