Zwischen dem Ultravid 8x32 und dem Victory 8x32 FL sollte hinsichtlich der Bildhelligkeit (genauer: Transmission) kein nennenswerter Unterschied bestehen. Anders dagegen zwischen den entsprechenden 8x42- und 10x42-Modellen, denn da besteht in der Bauweise des Umkehrprismas ein Unterschied: Leica verwendet Schmidt-Pechan-Prismen, die eine kompaktere Form ermöglichen (ca. 2,5 cm kürzer), bei denen aber eine Glasfläche verspiegelt werden muß, weil dort aufgrund der Einfallswinkel nicht fürs gesamte Strahlenbüschel Totatreflexion möglich ist.
Während Leica die Prismen der Trinovids mit Aluminium verspiegelt, was einen Reflexionsgrad maximal um 90% liefert, verspiegelt Leica die Prismen der Ultravids mit dielektrischen Vielfachschichten (in der Größenordnung von schätzungsweise 50 Schichten), womit ein Reflexionsgrad nahe bei oder gar über 99% erzielbar sein sollte. Zeiss verwendet bei den Victory FL mit 32 mm Obektivdurchmesser ebenfalls Schmidt-Pechan-Prismen, um sie ähnlich kompakt bauen zu können und verspiegelt auch dielektrisch, so daß sich die Transmissionen von Ultravid und Victory FL kaum unterscheiden können. Bei den Victory FL mit 42 mm Objektivdurchmesser verwendet Zeiss hingegen Abbe-König-Prismen, die keine Verspiegelung benötigen und daher an allen spiegelnden Flächen 100% Reflexionsgrad durch Totalreflexion erreichen. Das ist deutlich mehr, als aluminiumverspiegelte Prismen (z.B. der Trinovids) erreichen, noch merklich mehr, als silberverspiegelte Prismen (wie bei Nikon HG) mit maximal ca. 98% ermöglichen, aber nur noch ein wenig mehr, als dielektrische Vielfachschichten bieten. Ob da der Unterschied noch mit dem Auge erkennbar ist, halte ich für fraglich. Allerdings kommt es ja auch noch auf die Absorptionen in den Linsen- und Prismengläsern sowie auf die Vergütung der Glas-Luft-Flächen an, wo ich aber auch kaum einen qualitativen Unterschied zwischen Leica und Zeiss sehe.
Ich bin daher skeptisch, wenn eine so „überlegene” Helligkeit der Victory FL behauptet wird, und halte das zumindest teilweise für eine Euphorie, die aus dem Vergleich mit Ferngläseren mit aluverspiegelten Prismen herrührt und vielleicht per „Wunschdenken” einfach auch auf andere Ferngläser übertragen wird. Man darf nicht vergessen, daß unser „Helligkeitsgedächtnis” extrem schlecht ist und man daher seinem Wunschdenken (oder sagen wir es neutraler: der Erwartung) leichter zum Opfer fällt, wenn man zwei Ferngläser NACHEINANDER benutzt. Für eine Präzise Aussage müßte man GLEICHZEITIG durch beide hindurchsenen können, z.B. über Strahlteiler die linke Bildhälfte durch das eine und die rechte durch das andere Fernglas betrachten. Deshalb mache ich folgenden Vorschlag:
Bitte machen Sie doch diesen von mir hier im Forum schon mehrfach beschriebenen Versuch, der eine viel präzisere Aussage über die Transmission ermöglicht als das übliche Durchschauen auf ein normales Motiv. Legen Sie ein weißes Blatt Papier bei Tageslicht so auf eine Unterlage, daß die Sonne direkt darauf strahlt. Halten Sie dann die beiden zum Vergleich herangezogenen Ferngläser mit dem Okular nach unten nebeneinander so mit etwa 20 cm freiem Abstand über das Papier, daß die Ferngläser keinen Schatten aufs Papier werfen und daß Sie beim Blick in die Objektive (nicht die Okulare!) aus etwa Armlängenabstand das weiße Papier als große helle kreisförmige Flächen sehen. Vergleichen Sie nun die Helligkeit und den Farbton dieser weißen Flächen innerhalb der Objektive mit Helligkeit und Farbton des Papiers (neben oder über den Ferngläsern, nicht durch die Optik hindurch) und untereinander bei Fernglas A und Fernglas B. Bei diesem Vergleich können Sie viel kleinere Helligkeits- und Farbtonunterschiede wahrnehmen als beim normalen „Durchblick” (ins Okular) auf ein übliches Motiv. Eventuell können Sie die Unterscheidbarkeit noch ein wenig steigern, wennn Sie statt des weißen Papiers eine helle neutralgraue Fläche wie z.B. die bei Fotogafen bekannte, im Fotohandel käufliche Kodak-Graukarte benutzen. Denn das Auge erkennt Farbstiche am besten „entlang der Grauachse des Farbraums”. Die Kodak-Graukarte ist mit einer grauen Spezialfarbe belegt, die über gesamte sichtbare Spektrum nahezu konstante Reflexion ohne Einbrüche oder Überhöhungen aufweist (deshalb ist sie deutlich teurer als normaler grauer Karton).
Es wäre interessant, wenn Sie nach Durchführung dieses Tests hier nochmals berichten können, ob Sie immer noch das Zeiss Victory 8x32 FL für (deutlich?, ein bißchen? nicht mehr?) heller als das Ultravid 8x32 halten. Mir standen leider nie beide Ferngläser gleichzeitig zur Verfügung, um diesen Vergleich einmal selbst anstellen zu können.
Zum Schluß noch eine Anmerkung zu Ihrer Vermutung, ein erhöhter Streulichtanteil könnte der Preis für größere Helligkeit sein. Das ist nicht der Fall, denn Streulicht resultiert zwar nicht ausschließlich, aber doch zu einem hohen Ant aus dem an den Glas-Luft-Flächen reflektierten Licht. Also kann ein Fernglas höherer Transmission, das weniger Reflexion erzeugt (die höhere Transmission ist nämlich das Resultat geringerer Reflexionsverluste!), nicht mehr, sondern muß weniger Streulicht erzeugen. Nur wenn z.B. die Innenflächen der Rohre oder mechanische Bauteile wir Prismen- und Linsenfassungen, die Führungen der Fokussiereinrichtung usw. schlecht geschwärzt wären, könnte das von diesen Teilen ausgehende Streulicht bei einem Fernglas hoher Transmission noch das Ergebnis verschlechtern. Aber das steht in keiner direkten Relation zur Transmission, kann also dann auch nicht der Preis für die hohe Transmission sein.
Walter E. Schön