Das Canon 12x36 IS II (bitte auf die römische II achten; andernfalls ist es das viel schwerere Vorgängermodell mit höherem Stromverbrauch und geringerer Transmission) ist ein für seinen Preis hervorragendes Fernglas mit allerdings auch vier wichtigen Schwächen:
Vorteile:
1. Sehr gute Schärfe, sogar auch im Randbereich.
2. Kaum Bldfeldwölbung (die man sogar bei Nobelgläsern findet), so daß auch ältere Beobachter mit eingeschränkter Akkommodationsfähigkeit den Rand scharf sehen, wenn sie auf die Mitte fokussiert haben.
3. Sehr gute Helligkeit (dank Porrosystem ohne lichtschluckende Verspiegelung einer Prismenfläche), nicht weit vom Niveau eines Victory Fl oder Ultravid entfernt, also erstaunlich hoch, zumal für ein bildstabilisierendes Fernglas, das ja zusätzliche Vari-Angle-Prismen und zur Anpassung an die Augenweite zusätzliche Rhombusprismen eingebaut hat. Demgegenüber sind die teureren und viel schwereren Canon-IS-Gläser 15x50 und 18x50 ausgespochen dunkel und grünlichgelb.
4. Farbneutral, also kein Farbstich.
5. Nur in kritischen Motiven (kontrastreiche Kanten, z.B. schwarze Äste gegen hellen Himmel) leichte Farbsäume, kaum mehr, als man auch in den meisten Spitzengläsern sieht.
6. Mit nur 670 g für ein 12x36 trotz Bildstabilisierung noch angenehm leicht (wenn auch ein bißchen voluminös) und deshalb auch auf langen Wanderungen nicht lästig oder ermüdend.
Nachteile:
1. Nicht wasserdicht; zwar angeblich wassergeschützt, aber darauf würde ich mich nicht verlassen, zumal sich beim Fokussieren die Objektive (von vorn gut sichtbar) axial verschieben und diese Tubusführung nicht abgedichtet ist.
2. Sehr weite Nahgrenze, die laut Hersteller 6 m betragen sollte, tatsächlich aber ca. 8 m ist (ich hatte ein neues 12x36 IS II, das sich nur bis 7,95 m schartsellen ließ, an Canon zur Justage geschickt, weil 6 m Nahgrenze angegeben war, aber nach einer Wartezeit von fast 2 Monaten und mehrfacher telefonischer Reklamation ein neues Fernglas im Austausch erhalten, das sich nun auf knapp über 7 m scharfstellen läßt. Wahrscheinlich hat man 2 Monate gebraucht, um im Lager ein Modell zu finden, das sich so „nah“ einstellen läßt). Neulich hörte ich von einem anderen Käufer dieses Modells, daß sich auch sein Glas nur auf 8 m nah einstellen läßt.
3. Die Stülpaugenmuscheln sind unpraktisch und führen beim Umklappen oft zu Fingerabdrücken auf den Okularlinsen, also schlecht, wenn zwei Personen dasselbe Glas benutzen und eine mit und die andere ohne Brille beobachten möchte.
4. Die Bildstabilisierung macht das Fernglas im Falle eines Falles (= Sturzes) oder Schlages erheblich empfindlicher. Wenn also starke mechanische Beanspruchungen zu erwarten sind (z.B. beim Klettern in den Bergen), ist so ein IS-Glas nicht gerade zu empfehlen.
Das Zeiss Conquest ist in der Dämmerung zwar etwas heller, aber optisch nicht besser, hat ein etwas kleineres Sehfeld (80 m statt 87 m auf 1000 m) und zeigt mangels Bildstabilisierung freihändig eindeutig weniger. Aber es hat keinen der vier Nachteile des Canon 12x36 IS II, ist also wasserdicht, hat eine ordentliche Naheinstellung, gute Drehaugenmuscheln und ist, obwohl noch ein wenig leichter, sehr rubust.
Ich besitze u.a. ein Canon 10x30 IS (bis auf die Objektive identisch mit dem 12x36 IS II), das meine Frau wegen des etwas kleineren Volumens lieber mag, ein Canon 12x36 IS, das mein Lieblingsglas sein könnte, wenn es wasserdicht wäre, eine Naheinstellung bis wenigstens 3 m hätte und so robust wie mein Nikon 10x32 HG wäre (das mein Lieblingsfernglas ist, obwohl man im 12x36 IS II mit Bildstabilisierung erheblich mehr Details erkennen kann).
Sie müssen nun entscheiden, wie wichtig in Ihrem Einsatzbereich Wasserdichtheit, Naheinstellung und mechanische Unempfindlichkeit sind, ob das 12x36 IS II deswegen evtl. nicht in Frage kommt, oder ob Sie sich doch an seiner unglaublichen Detailwiedergabe dank Bildstabilisierung erfreuen wollen. Falls Sie sich dafür entscheiden, vermute ich, daß bald ein Steiner Safari 12x40 bei eBay günstig zu haben sein wird.
Walter E. Schön