Nein, klemmen darf da nichts. Lassen Sie sich nicht vom Verkäufer mit einem solchen blödsinnigen Argument abspeisen! Sowohl bei meinem 10x30 IS als auch bei meinem 12x36 IS II läuft die Fokussierwalze geschmeidig über den gesamten Einstellbereich.
Beide Modelle haben eine etwas ungewöhnliche Fokussierung. Normalerweise ist eine Okular- oder eine Innenfokussierung üblich:
1. Bei der Okularfokussierung werden beim Scharfstellen die Okulare axial verschobenen (das ist die Regel bei Porroprismengläsern, egal ob mit Einzelokular- oder Zentralfokussierung), um die Okulare zusammen mit der jeweils damit starr verbundenen, also mitbewegten Feldblende entsprechend der unterschiedlichen Bildweite (große Bildweite bei nahen, kleine bei fernen Gegenständen) an den Ort des scharfen Bildes nachzuführen.
2. Bei der Innenfokussierung wird eine einige Zentimeter hinter dem Objektiv befindliche Negativlinse abenfalls axial verschoben, um wie mit einer beweglichen Barlowlinse die Brennweite des Gesamtsystems aus Objektiv und Negativlinse (quasi als Varioobjektiv) so zu verändern, daß die Lage des scharfen Bildes konstant in der Ebene der stationären Feldblende der Okulare bleibt. Bei fernen Gegenständen wird die Negativlinse zum Objektiv hin bewegt, um eine lange Gesamtbrennweite zu erzielen. Bei kurzem Beobachtungsabstand, der eine verlängerte Bildweite zur Folge hätte, wird die Negativlinse vom Objektiv weg bewegt, so daß sich die Gesamtbrennweite verkürzt und somit trotz der verlängerten Bildweite die Bildlage unverändert bleibt.
Beim Canon 10x30 IS und 12x36 IS II dagegen wird das gesamte Objektiv verschoben:
3. Bei der Objektivverschiebung wird das Objektiv für ferne Gegenstände zum Okular hin bewegt, weil die Bildweite kurz ist. Das scharfe Bild fällt dann in die Feldblende des Okulars. Bei nahen Gegenständen verlängert sich die Bildweite, das Bild läge also hinter der Feldblende. Also muß das Objektiv nach vorn, vom Okular weg bewegt werden.
Sie sehen diese Objektivbewegung normalerweise nicht, weil der äußere Fernglastubus starr ist. Aber wenn Sie während des Drehens der Fokussierwalze von vorn auf die Linsen des Objektivs schauen, können Sie sehen, wie sie bei der Ferneinstellung einwärts und bei der Naheinstellung auswärts bewegt werden.
Nach dieser langen Vorrede sind wir so weit, daß ich zu Ihrer Frage eine Empfehlung geben kann: Da Ihre Fokussierung bei der Naheinstellung schwergängig wird, könnte das daran liegen, daß die Objektive (oder auch nur eines von beiden) sich in seinem Tubus mit zu großer Reibung bewegt, weil ein Fremdkörper zwischen die Linsenfassung und die Führung gekommen ist. Stellen Sie also mal die Fokussierung auf ganz fern (Objektive so weit wie möglich eingefahren) und schauen Sie, ob Sie z.B. eine Verschmutzung an der Innenseite des Objektivtubus erkennen können, die Sie abwischen oder mit einem feinen Holzspan zwischen Objektivfassung und Tubus herausfummeln können. Hier liegt gewiß eine der Schwachstellen dieser sonst sehr guten Ferngläser (siehe auch meine unter Punkt 1 der Nachteile aufgeführte Kritik in meinem ersten Beitrag dieser Diskussion). An dieser Stelle kann nicht nur Schmutz, sondern auch Wasser oder ganz allgemein Feuchtigkeit eindringen, und da nützt dann eine wasserabweisende Gummiarmierung außer ums Gehäuse nicht viel, auf die Canon gern hinweist, um Bedenken wegen der fehlenden Wasserdichtheit zu zerstreuen. Eine dicht abschließende Planglasplatte (Schutzglas) vor dem beweglichen Objektiv, ähnlich wie bei den großen Modellen 15x50 IS und 18x50 IS) hätte diesbezüglich Abhilfe bringen können, auch wenn sie die Reflex- und Streulichtempfindlichkeit erhöht und die Transmission geringfügig reduziert hätte.
Ich hoffe, der Fehler liegt bei Ihrem Fernglas an dieser Stelle und kann auf die beschriebene Weise behoben werden. Wenn es intern klemmt, was natürlich auch möglich ist, z.B. weil ein eingedrungener Fremdkörper mittlerweile tiefer drin sitzt, hilft nur der Canon-Service (rechnen Sie damit, mindesten zwei Monate auf die Behebung des Fehlers warten zu müssen, Canon arbeitet im Kundendienst im Schneckentempo).
Walter E. Schön