Zitat: „Dass Objekte sich in der Nacht mit einem weiten Sehfeld besser identifizieren lassen als mit einem schmalen Sehfeld, unterstelle ich als empirisches Faktum, weil ich es so beobachtet habe.”
Antwort: „Daß sich die Sonne um die Erde dreht, unterstelle ich als empirisches Faktum, weil ich es so beobachtet habe.”
----------------------------------
Wenn ein rezeptives Feld Informationen über irgendwelche Details in 5 m Entfernung vom Reh liefert, dann hilft mir das nicht, das Reh besser von einer Wildsau zu unterscheiden. Nun könnte man natürlich sagen: Wenn ich dort noch ein weiteres Reh sehe und nicht eine Wildsau, dann wächst für den Beobachter die Wahrscheinlichkeit, daß es sich auch bei dem Objekt in der Sehfeldmitte um ein Reh und nicht um eine Wildsau handelt. Insofern hat der Randbereich die Erkennbarkeit in der Bildmitte gesteigert. Aber die Sache läßt außer acht, daß das Fernglas in der Sehfeldmitte die bessere Schärfe und größere Bildhelligkeit liefert als im Randbereich und daß auch das Auge ums Zentrum des Sehfeldes herum sowohl besser auflöst als auch lichtempfindlicher ist, weil die größere Stäbchendichte rezeptive Felder gleicher Größe mit mehr Sensoren oder rezeptive Felder mit gleich viel Sensoren, aber kleinerer Ausdehung und daher höherer Auflösung bilden kann. Mit anderen Worten: Wenn ich aufgrund dieser für den Randbereich sehr negativen Einflüsse dort ein Reh von einer Wildsau unterscheiden kann, dann werde ich es erst recht und wesentlich besser in der Bildmitte tun. Wenn also von dem einen Reh aufs andere geschlossen werden kann, dann umgekehrt von dem in der Sehfeldmitte auf das am Sehfeldrand: Wenn ich das, was ich in der Mitte sehe, als Reh identifizieren kann, dann wird wohl das, was ich am Rand nur noch schemenhaft sehe, wohl auch ein Reh und keine Wildsau sein.
Und noch ein Wort zur Parallelverarbeitung im Gehirn. Es ist bekannt und unbestritten, daß zu viele Informationen die Konzentration nicht erhöhen, sondern durch Ablenkung vermindern. Man könnte also mit sehr viel mehr Berechtigung vermuten, daß ein Fernglas mit kleinem Sehfeld das Hirn vom Ballast der Verarbeitung weiterer Informationen entlastet und man sich so besser auf die Details in der Sehfeldmitte konzentrieren kann. Dazu noch ein Beispiel: Wenn ich vor mir für z.B. eine Minute eine einzige Person sehe, werde ich mir mehr Details dieser Person einprägen können, als wenn ich 10 Personen vor mir habe, weil ich auch dann, wenn ich mich nur auf die eine Person in der Mitte konzentrieren will, unwillkürlich auch Details der anderen wahrnehme, was Kapazität meines Gehirns unnötig verplempert, mich ablenkt und auf der Festplatte unter der Schädeldecke unnötig Speicherplatz benötigt. Wäre es nicht so, dann müßte der richtige Rat an alle Eltern lauten: Laßt, während die Kinder ihre Hausaufgaben machen und für die Schule lernen, die Stereoanlage mit Hip-Hop und der Fernseher mit VIVA laufen. Die verstärkte Parallelverarbeitung im Gehirn der Kinder fördert die Konzentration und Lernfähigkeit. Tut mir leid, auch das muß ich als Unsinn bezeichnen.
Mein Vergleich mit dem Stadtplan ist nicht irrelavant. Denn erstens geht es dort sehr wohl weitgehend um Grobinformationen. Ich will ja nicht die Sauberkeit der gedruckten Linien und die Rasterpunkte der Farbflächen erkennen, sondern nur (grobe) Straßenverläufe. Und zwweitens, damit klar wird, wie ich den Vergleich mit dem Stadtplan meinte: Ich verstehe nicht, warum Informationen von weit draußen (Büsche am Bildrand bzw. Straßen im Münchner Vorort Vaterstetten) helfen sollen, fehlende oder nicht klar genug erkennbare Informationen im Zentrum (Reh in der Sehfeldmitte bzw. Straßen ums Rathaus herum) zu liefern oder besser erkennbar zu machen.
Die unwillkürlichen Augenbewegungen (Fachausdruck „Sakkaden“) sind größtenteils Bewegungen mit sehr kleiner Amplitude, die also gar nicht bis zum Sehfeldrand führen. Und wenn sie es täten, so hülfe der am Rand erkannte Busch auch nicht, das Reh vom Wildschwein in der Sehfeldmitte zu unterscheiden oder zu erkennen, wie viele Enden das Gehörn des Rehbocks hat.
Walter E. Schön