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Besser sehen im Dunkeln: Detailerkennung versus Objektidentifikation

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17. September 2006 11:40
Vielleicht wäre es hilfreich für die Diskussion, zwischen Objekterkennung oder Objektidentifikation einerseits und Detailerkennung andererseits zu unterscheiden. Beide Dinge müssen, besonders bei Dunkelheit, nicht notwendig etwas miteinander zu tun haben. Hinzu kommt, daß bei der Objektidentifikation (Zuordnung des betrachteten Objekts zu einer bekannten Repräsentation im Gedächtnis) die Prozessierung der Bilddaten im Gehirn anders abläuft als bei der Erkennung von Details, die das Gehirn stets in einen größeren Zusammenhang einzubetten versucht. Der Einfluß der Sehfeldgröße auf die Wahrnehmung hängt deswegen auch von den betrachteten Objekt selbst und von der Aufgabe ab, die sich dem Gehirn bei der Wahrnehmung stellt. Er kann daher je nach Szenerie verschieden ausfallen. Das macht die Dinge kompliziert. Noch komplizierter wird es, wenn man statische oder dynamische Objekte betrachtet. Und nochmals komplexer wird es, wenn man sich fragt, was im Falle von Wahrnehmung eigentlich "besser" bedeutet. Man gelangt hier rasch auf das Gebiet der Optischen Täuschung. Aber der Reihe nach.

Wichtig scheint mir noch einmal festzuhalten, daß es in der Diskussion immer um die Bilderkennung bei Dunkelheit gehen soll. Daraus ergibt sich, daß es hier weniger um Detailerkennung gehen kann - Details werden ja von der Dunkelheit geschluckt - sondern die Objektidentifikation die vorherrschende Rolle spielt.

Dem Eindruck von Holger Merlitz, daß bei Dunkelheit ein größeres Sehfeld die Objektidentifikation erleichtert, weil der zusätzliche Randbereich dem Gehirn für die Interpretation weitere Daten liefern kann, möchte ich ebenso zustimmen wie Herr Schön. Dies scheint unstrittig und die spekulativen Erklärungen dazu (Stichworte Kontext, Objektintegration, rezeptive Felder etc.) klingen plausibel. Es war dabei stets die Rede von der Wahrnehmung grober Strukturen, da für die Bildverarbeitung im Dunkeln mangels Licht ohnehin keine Details mehr zur Verfügung stehen.

Daß bei Dunkelheit die Detailerkennbarkeit im Zentrum des Sehfelds steigt, wenn das Sehfeld ausgeweitet wird (und alle anderen physikalischen Parameter eines Fernglases unverändert bleiben) hat also niemand behauptet. Herr Schön hat dies aber m. E. so aufgefaßt oder unterstellt, und er hat diese Auffassung dann in einer Art Spiegelfechterei in seinen Beiträgen am Beispiel von Rehen, Wildsauen, Flöhen, Stadtplänen und schließlich des Sonnensystems vehement bestritten.

Da mir Herrn Schöns ambitionierte Beiträge immer sehr gut gefallen, möchte ich diese meine Einschätzung nicht als persönlichen Angriff verstanden wissen!! Und ebenso verstehe ich Herrn Schöns Vorwürfe an Holger Merlitz (Stichworte: krause Theorie, Unsinn, magische Kräfte in China, Unkenntnis wissenschaftlicher Doppelblindtests) nicht so, sondern betrachte sie als unvermeidliche Kollateralschäden einer produktiven Auseinandersetzung. Es ging ja generell um den Einfluß des Sehfelds für die Bildwahrnehmung bei Dunkelheit (nicht die Detailerkennbarkeit) und ich halte die Spekulationen von Holger Merlitz über die Natur dieser Sache für anregend und keinesfalls unsinnig:


Eine mögliche Bedeutung Rezeptiver Felder

Bei der Verschaltung der Netzhautzellen zu rezeptiven Feldern kommt es meines Wissens in erster Linie zu einer Kontrastverstärkung der noch wahrnehmbaren Helligkeitsunterschiede an den Übergängen von helleren zu dunkleren Bereichen. Dadurch treten Konturen deutlicher hervor. Die Frage wäre nun, ob die dieser unstrittige Effekt von der Sehfeldgröße beinflusst wird. Meine Vermutung ist: ja, wenn die Konturen in Randnähe liegen. In Randnähe würden die konturumgebenden rezeptiven Felder zum Teil angeschnitten oder ausgeblendet und trügen weniger Helligkeitsinformation zur Bildverarbeitung bei. Würde nun das Sehfeld erweitert, sollten die dann zusätzlich beleuchteten rezeptiven Felder ihren kontrastverstärkenden Beitrag leisten können. Die Konturen einer Wildsau, die man in einem großen Sehfeld bei Dunkelheit betrachtet, sollten also nur dann etwas verblassen, wenn das Sehfeld in unserem gedachten Glas soweit zugezogen würde, daß sein Rand nur mehr knapp über die Wildsau hinausreichte. Eine geringfügige Sehfeldverkleinerung dürfte hingegen für die Umrißerkennung des Tiers keine Auswirkungen haben.
Ein empirischer Test sollte diese Hypothese ohne weiteres überprüfen können.

So hilfreich rezeptive Felder für die Objektidentifikation im Dunkeln jedoch sein mögen, es wäre geradezu widersinnig, sie als Begründung für bessere Details heranzuziehen, da sie ja genau im Gegenteil die Detailerkennbarkeit (nicht jedoch die Detailerkennung!) zugunsten einer Kontrasterhöhung reduzieren. Rezeptive Felder können nur dort helfen, wo es um die Erkennung grober Strukturen oder größerer Muster, um Umrisse etc. geht, die dann zur Objektidentifikation herangezogen werden müssen, wenn für Details das Licht nicht mehr reicht.


Mögliche Einflüsse der Umgebung auf die Erkennung im Zentrum

Die Vermutung von Herrn Schön, kleinere Sehfelder könnten die Wahrnehmung im Bildzentrum verbessern, da sie die Konzentration auf Details erleichterten, würde ich dahingehend abwandeln, daß kleinere Sehfelder bei Dunkelheit die Detailwahrnehmung gar nicht, die Objektwahrnehmung aber völlig, verändern können. Und daß dies nichts mit gesteigerter Konzentration zu tun haben muß, aber sehr wohl mit der Unterdrückung von Ablenkungen zu tun haben kann. Dazu zwei Beispiele.


Statische Objekte in der Peripherie

können Einfluß nehmen auf die wahrgenommene Helligkeit im Sehfeldzentrum. Man stelle sich ein Schachbrettmuster, betrachtet von schräg oben vor. Wir ändern an der Szene nichts, alles bleibt gleich, auch die Helligkeit, fügen nun aber am Rand des Musters einen dreidimensionalen festen Körper hinzu, einen Quader oder Zylinder etc. Sofort nimmt das Hirn in Erwartung eines Schattenwurfs eine entsprechende Fläche auf dem Schachbrettmuster dunkler wahr, während die übrige Fläche gleich hell wahrgenommen wird wie zuvor. Gegen diesen Eindruck kann auch intensivste Konzentration nichts ausrichten. Der dunkle Schatten verschwindet erst, wenn wir den Körper entfernen oder das Sehfeld soweit zuziehen, das er nicht mehr sichtbar ist. Wohlgemerkt, die objektive Helligkeit der Schachbrettfläche bleibt stets gleich, jedes Meßgerät der Welt würde keine Veränderung registrieren. Wir nehmen hier also ein flächiges Objekt wahr, den Schatten, der objektiv gar nicht im Bild vorhanden ist und nehmen ein objektiv gleich hell vorhandenes Muster dort wo wir den Schatten vermuten plötzlich dunkler wahr, so daß Kontrast und Helligkeit des Musters abnehmen. Ein großes Sehfeld wirkt in diesem Fall auf die Mustererkennung also partiell verdunkelnd! Es hemmt aber nicht unsere Konzentration oder Aufmerksamkeit.


Dynamische Objekte in der Peripherie

können Einfluß nehmen auf die wahrgenommene Bewegung im Sehfeldzentrum.
Man stelle sich eine Kugel vor, die von schräg oben betrachtet über einen Boden mit Schachbrettmuster gleichmäßig hin- und herschwebt und dabei stets den gleichen Abstand zum Boden haben soll, sich also zu diesem parallel bewegt. Die Wahrnehmung dieser Bewegung kann (auch bei Dunkelheit) durch die Größe des Sehfelds völlig verändert werden. Wir lassen bis auf den Bildausschnitt alle Bildparameter gleich, die Helligkeit, die Bewegungsart, die Flughöhe der Kugel etc.und geben duch ein grösseres Sehfeld den Blick auf nur ein weiteres sich bewegendes Objekt frei: einen wandernden grauen Fleck unterhalb der Kugel. Das Gehirn interpretiert in dieser Szene den Fleck unweigerlich als Schatten der Kugel, mit verrückten Konsequenzen: Wenn man nur die Bewegung dieses Flecks ändert (alles andere bleibt exakt gleich) paßt das Gehirn die wahrgenommene Bewegung der Kugel entsprechend an, obwohl sich die Kugel OBJEKTIV genauso bewegt wie zuvor: Wir lassen den Schatten s-förmig unter der Kugel laufen, die Kugel scheint ebenfalls eine schlangenlinie zu vollführen, wir lassen den Schatten senkrecht zur Bewegungsrichtung der Kugel schwingen, die Kugel scheint nun zu hüpfen, wir lassen den Schatten in einem weiten Bogen zur Kugel hin und von ihr weg laufen, die Kugel scheint wie an einem Pendel zu schwingen mit wechselndem Abstand zum Boden, usw. Ziehen wir das Sehfeld wieder zu, schwebt die Kugel wieder ruhig und geradlinig...Hier zeigt ein kleines Sehfeld die Bewegung objektiv, ein großes verfälscht sie.


Diese beiden Beispiele aus dem Bereich der Wahrnehmungspsychologie sollen nur verdeutlichen,
daß ein großes Sehfeld nicht grundsätzlich besser oder schlechter für die Bildinterpretation ist, sie aber wesentlich beeinflußt und dabei die Wahrnehmung im Bildzentrum fundamental verändern kann, auch wenn hier objektiv gar keine Veränderung vorliegt.

In der Mehrzahl der Fälle, bei der Beobachtung unserer natürlichen Umgebung, einer Aufgabe, für die unser Gehirn bestens mit sinnvollen Vorurteilen über die Wirklichkeit ausgestattet ist, dürfte es aber eher von Vorteil sein, im Dunkeln alle nur möglichen Informationen für die Bildwahrnehmung heranzuziehen und dazu ein möglichst großes Sehfeld zu nutzen.

Mathias Metz



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.09.06 11:53.
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Weitwinkel gut fuer die Nacht?

Holger Merlitz 2218 14. September 2006 08:37

Re: Weitwinkel gut fuer die Nacht?

Randolf 1276 14. September 2006 08:52

Weites Sehfeld ist grundsätzlich vorteilhaft, aber ...

Walter E. Schön 1281 14. September 2006 13:24

In der Nacht nimmt die Bedeutung der Randbereiche zu

Holger Merlitz 1086 15. September 2006 05:52

Ziemlich krause Theorie!

Walter E. Schön 1409 15. September 2006 11:54

Kraus ist leider der Muenchener Stadtplan

Holger Merlitz 1041 15. September 2006 12:35

Erneut Widerspruch!

Walter E. Schön 1143 15. September 2006 13:33

Re: Erneut Widerspruch!

Holger Merlitz 1096 15. September 2006 15:24

Das hieße doch: je dunkler es wird, desto heller sehen wir!

Walter E. Schön 1156 15. September 2006 16:14

Rand wird heller, RELATIV zur Mitte

Holger Merlitz 1084 16. September 2006 04:02

Beitrag aus der Praxis

Manfred Freund 1601 16. September 2006 07:59

Re: Beitrag aus der Praxis

Holger Merlitz 1119 16. September 2006 12:00

Korrekte Beurteilung ist nur bei korrekten Voraussetzungen möglich

Walter E. Schön 1149 16. September 2006 10:39

Besser sehen im Dunkeln: Detailerkennung versus Objektidentifikation

konfokal 1420 17. September 2006 11:40

Antwort folgt erst einige Tage nach Ende der Photokina

Walter E. Schön 1026 17. September 2006 12:02

Abhaengigkeit vom Hintergrund

Holger Merlitz 1026 17. September 2006 13:58

Hat " Seh - Erfahrung " auch Einfluss?

Dick van den Berg 1114 17. September 2006 15:33

Re: Hat " Seh - Erfahrung " auch Einfluss?

Holger Merlitz 956 18. September 2006 02:37

Re: Abhaengigkeit vom Hintergrund

Gunnar 1117 17. September 2006 15:46

Re: Abhaengigkeit vom Hintergrund

Holger Merlitz 1073 18. September 2006 03:09



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