Hallo konfokal,
nun habe ich das Gefühl, daß unser Gerangel auf der Bühne, insbesondere die mathematischen Dialogpassagen, das Publikum zu langweilen beginnt. Ich glaube schon ein Gähnen gehört und eine überreife Tomate klatschend einschlagen gesehen zu haben. Auch kann ich mich des Verdachts nicht erwehren, daß Sie Gefahr laufen, Ihre darstellerische Leistung ganz schön mit genau den schauspielerischen Mitteln zu erzielen, die Sie Ihrem ewigen Antagonisten häufig schon im Eröffnungsakt vorwerfen. Aber vielleicht ist es wie bei den Urwaldindianern, die durch den Verzehr der Herzen ihrer Gegner deren Stärke auf sich übergehen lassen wollen.
Daher denke ich, wir sollten, anstatt der französischen Tradition des Dramas in fünf Akten zu folgen, die italienische Variante des Dreiakters wählen, wobei ich für meinen Teil jetzt den Auftritt im letzten Akt liefere.
Nun waren mir die von Ihnen vorgetragenen Gesetze der optischen Komposition fürwahr nicht unbekannt und ich glaube, wir müssen auch nicht stur aneinander vorbeisingen, aber zwei Gedanken möchte ich noch darlegen.
Daß der Hinweis auf das Sehfeld, oder viel besser auf den SSW bei Maximalvergrößerung auch schon sehr interessant sein kann, läßt sich damit begründen, daß man so sehr schnell erkennen kann, welche Ziele der optischen Auslegung zugrunde liegen. Das Vario des neuen Dialyt quält sich erst bei Maximalvergrößerung mit Ach und Krach auf 60°. Die Vorgabe war wohl, wenigstens dort, wo es am einfachsten ist, das Weitwinkelkriterium gerade so zu erfüllen, mit einer roten Null an der 60. Daraus resultiert dann ein Tunnelblick mit ca. 41° SSW bei Mindestvergößerung und mehr oder weniger schlechtes Mittelmaß bei den Sehfeldern der Vergrößerungen zwischen Min. und Max.. Das erkennt man also recht schnell an der SSW-Angabe bei Vmax. Das alte Diascope Vario hingegen schafft es bei Mindestvergrößerung schon auf ca. 48°, liefert dann in der Mitte einen Bereich um die 60°, ist also weitestgehend weitwinklig, bevor es bei Maximalvergrößerung satte 68° liefert. Kennt man den Endwert, läßt sich leicht erkennen, wie das Zoom ausgelegt wurde und was man von den Sehfeldern zu erwarten hat.
Nach wie vor bin in der Meinung, daß man Flächen, also auch die Sehfelder, vergleichen sollte, wenn Sie als Flächen wahrgenommen werden. Schauen Sie einmal durch ein Ofenrohr und danach durch eine echte Weitwinkeloptik mit 70° SSW oder mehr. Der Flächeneindruck wird in meinen Augen und in meinem Gehirn, gerade im Vergleich, für uns visuelle Geschöpfe unzureichend durch den eindimensionalen Vergleich der Durchmesser vermittelt oder wiedergegeben. Sie hatten wohl wenig Gelegenheit das alte Diascope Vario-Okular mit dem inzwischen nicht mehr erhältlichen Diascope Okular mit der längsten Festbrennweite von 16,7 mm zu vergleichen, daher wähle ich es für mein Beispiel und liefere ich Ihnen dazu etwas Augenfutter zum Schmöckern [
www.juelich-bonn.com] (v.a. der vorletzte Absatz des zweiten Teils). Falls Ihnen der Text dort zu lang sollte, will ich gern helfen und nehme mir die Freiheit, mich einmal selbst zu zitieren, allerdings nur sinngemäß.
Das Festbrennweitenokular liefert am Diascope 65 eine Vergrößerung von 23fach und zeigt dabei ein Sehfeld mit einem Durchmesser von 52 m. Das Sehfeld im Vario hat bei 23fach einen Durchmesser von 40 m auf 1000 m. Vergleicht man nun die Durchmesser von Fest-BW und Vario, errechnet man im Kopf, daß das Sehfeld im Festbrennweitenokular einen 1,3mal so großen Durchmesser hat. Schön, also 30% mehr. Vergleicht man die Sehfelder, also die sichtbare Fläche ergibt sich, daß diese 1,69mal so groß ist.
Das ist ein Gewinn von fast 70%! Und so erleben Sie das Bild auch. Der Eindruck - gerade im direkten Vergleich der Sehfelder - ist umwerfend, viel stärker, als ich(auch zuerst Augen- und danach Kopf(rechen)tier) es anhand des Durchmesservergleichs mit 30%igem Unterschied erwarten würde. Das hat nichts damit zu tun, daß "...die Zahlenwerte derart quadratisch aufgepumpt sind...", sondern damit, daß der Sehfeld(flächen)unterschied derart quadratisch vom Durchmesser(unterschied) abhängt.
In diesem Sinne schwenke ich den Hut, blicke ins weite Rund und verabschiede mich aus diesem Stück von Ihnen, lieber MM, sowie von unserem Publikum.
Jan Münzer