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Auflösungsvermögen von Foto-Teleobjektiv und Spektivobjektiv

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16. Dezember 2007 13:08
Da ich seit Wochen kaum Zeit für dieses Forum habe und das auch noch eine Weile so bleiben wird, konnte ich mich zu den an mich gerichteten Frage noch nicht äußern. Ich will jetzt wenigstens kurz darauf eingehen.

Herr Weigand hat berechtigt darauf hingewiesen, daß Teleobjektive für den fotografischen Einsatz und Spektivobjektive nach sehr unterschiedlichen Vorgaben optimiert werden und daher schwer vergleichbar sind:

1a) Spektivokulare sollen mit wenigen, möglichst dünnen Linsen auskommen, um leicht zu sein. Drei Linsen sind die Regel (zwei eigentliche Objektivlinsen und eine Fokussierlinse, die natürlich in der Optikrechnung mit den anderen beiden zusammen ein Einheit betrachtet und korrigiert wird).

1b) Fotoobjektive dürfen auch ziemlich viele Linsen enthalten, wenn es die diversen Korrektionserfordernisse (siehe weiter unten) notwendig machen. Teleobjektive ähnlicher Brennweiten (ca. 400 mm oder 500 mm) können durchaus zehn und mehr Linsen haben. Das Gewicht darf zwar auch hier nicht beliebig hoch werden, ist aber bei weitem nicht so kritisch. Solche Objektive wiegen inkl. Gehäuse (Tubus), das hier allerdings auch Elemente enthält, die es bei Spektiven nicht gibt (z.B. Irisblende, Springblendenmechanik, evtl. Autofokusmotor, evtl. Bildstabilisierung), können bei den genannten Brennweiten gut doppelt so schwer sein wie ein komplettes Spektiv inkl. des sehr schweren Umkehrprismensystems und der Okulars, also etwa 5- bis 10mal so schwer wie das Spektivobjektiv mit dessen Fassung allein.

2a) Spektivokulare müssen optisch so aufgenaut sein, daß sich vor der Brenn- bzw. Bildebene ein ausreichend langer Freiraum (schätzungsweise 15 bis 20 cm) befindet, in dem das Umkehrprismensystem eingebaut werden kann. Mit dem Prismensystem wird dieser lange Freiraum natürlich stark verkürzt, weil die Strahlführung mehrfach „zickzack“ umgelenkt wird, aber wenn man den Weg „entfaltet“, dann sieht man, wie unerwartet lang er ist.

2b) Teleobjektive können optisch so aufgebaut sein, daß die letzte Linse bis zu ca. 45 mm (etwa gleich dem sog. Auflagemaß) nah an der Brenn- bzw. Bildebene liegt. Es muß nur sehr wenig Freiraum für den hochklappenden Spiegel der Spiegelreflexkamera und den vor dem Film oder Sensor liegenden Schlitzverschluß bleiben.

3a) Spektivokulare üblicher Brennweiten (ca. 400 mm bis 500 mm) müssen bei üblicher Mindestvergrößerung (ca. 15fach bis 20fach) und einem gewünschten scheinbaren Sehwinkel von mindestens ca. 65° und Berücksichtigung einer leichten kissenförmigen Verzeichnung des virtuellen Bildes einen Bildkreis von ca. 28 mm bis 30 mm auszeichnen. Bei höheren Vergrößerungen wird davon nur der innere Teil genutzt, so daß maximale Auflösung (für 60fache Vergrößerung) nur in einem Kreis von knapp 10 mm Durchmesser erforderlich ist und das Auflösungsvermögen zum Rand hin ungefähr umgekehrt proportional zum Bildradius abnehmen darf.

3b) Teleobjektive für das Kleinbildformat gleicher Brennweite müssen einen Bildkreis von ca. 43 mm Durchmesser auszeichnen. Wünschenswert, wenn auch tatsächlich (schon allein wegen der aufgrund der Fassungsvignettierung und der elliptischen Verformung der Pupille zum Rand hin zunehmenden Beugung) nie erreichbar ist eine möglichst über die volle Fläche gleichmäßige Schärfe, also ein möglichst wenig zum Rand hin abfallendes Auflösungsvermögen. Da sowohl beim Film als auch beim Sensor die nutzbare Auflösung durch die Silberhalogenid-Körnung (Korngröße und mittlere Kornabstände) bzw. durch die Pixelrasterweite begrenzt ist, braucht im Zentrum bei weitem kein so hohes Auflösungsvermögen erzielt zu werden wie bei einem Spektivobjektiv. Meistens bieten aber hochwertige Teleobjektive im Zentrum des Bildkreises ein deutlich höheres Auflösungsvermögen als nötig, dennoch aber weniger, als ein Spektivobjektiv haben muß.

4a) Bei Spektivobjektiven ist die Bildfeldwölbung zwar unerwünscht, aber in gewissen (im Vergleich zur Bildfeldwölbung von Teleobjektiven) sehr weiten Grenzen tolerierbar, weil das Bild nicht in einer Ebene von einem Film oder Sensor aufgezeichnet wird (bei der Digiskopie ändert sich das allerdings etwas), sondern das betrachtende Auge beim Fixieren von Bildpunkten außerhalb der Bildmitte durch Akkommodation „nachfokussieren“ kann. Obwohl das Akkommodationsvermögen mit dem Alter stark abnimmt, deutlich merkbar etwa ab 45 Jahren, bleibt auch in hohem Alter noch mehr Spielraum für zulässige Bildfeldwölbung als bei einem Fotoobjektiv.

4b) Bei Teleobjektiven ist eine sehr gute Bildfeldebnung notwendig, um die Randschärfe der Fotos nicht zu sehr zu verschlechtern. Die nicht völlig ebene Filmoberfläche (außer bei Vakuum-Filmansaugung an die Filmandruckplatte, die es im Kleinbildformat nur bei einer Contax gab) war der Grund dafür, daß man früher einen ganz kleinen Rest an Bildfeldwölbung zuließ. Aber da die Sensoren von Digitalkamera völlig eben sind, sind heute die Anforderung an gute Bildfeldebnung noch höher geworden.

5a) Bei Spektivobjektiven sollte der Konstrukteur beim optischen Design berücksichtigen, daß der Beobachter seine Augenpupille fast nie exakt zur Austrittspupille zentriert hat, also insbesondere bei niedriger Vergrößerung, wenn die AP recht groß wird (z.B. bei einem 80-mm-Spektiv und 20facher Vergrößerung einen Durchmesser von 4 mm erreicht) eine Dezentrierung um 1 mm bis 1,5 mm möglich ist, ohne daß der Beobachter dies an Abschattungen im Bildfeld bemerkt, die ihn zu einer Korrektur der Augenposition veranlassen. Also muß die Optik bezüglich einer solchen Dezentrierung relativ tolerant sein (tatsächlich stellen viele Beobachter bei solcher Dezentrierung z.B. verstärkte Farbsäume und bei astronomischer Beobachtung astigmtische und koma-behaftete Sternabbildungen fest).

5b) Bei Teleobjektiven tritt das genannte Problem nicht auf.

6a) Spektivobjektive sind hinsichtlich der Verzeichnung nicht sehr kritisch. Die fast immer deutliche kissenförmige Verzeichnung des Bildes ist wahrscheinlich in den allermeisten Fällen im wesentlichen vom Okular und nicht vom Objektiv verursacht, aber gerade deshalb ist es beim Spektivobjektiv nicht schlimm, wenn die Verzeichnung Werte von 1% deutlich übersteigt. Die Verzeichnung des virtuellen Bildes fällt nur bei sehr hohen Werten auf, weil die Bildbegrenzung ein Kreis ist und keine geraden Kanten enthält, die den Vergleich mit durchgebogenen Linien im Bild ermöglichen.

6b) Teleobjektive sollte die Verzeichnung, die hier fast immer schwach kissenförmig ist, möglichst klein sein. Bei professionellen Teleobjektiven der genannten Brennweiten zu Preisen ab 3000 Euro (etwa doppelter Preis eines kompletten Spektivs inkl. Umkehrprismensystem) liegen die Verzeichnungswerte um und unter 0,3%. Gebäudekanten nahe dem geradlinien Bildrand würden schon bei nur sehr schwacher Durchbiegung sofort als gekrümmt erkannt werden. Nebenbei sei angemerkt, daß die Durchbiegung nicht von der in Prozent angegebenen Verzeichnung, sondern von der Steigung (= dem Gradienten) der Verzeichnungskurve abhängt, aber darauf detailliert einzugehen, sprengte hier den Rahmen.

7a) Spektivobjektive müssen immer mit voller Öffnung arbeiten. Sie werden zwar bei niedriger Vergrößerung (großer AP) und hellem Umgebungslicht aufgrund der dann kleinen Augenpupille indirekt abgeblendet, aber wegen der gerade in diesem Falle mangelhaften Zentrierung der Augenpupille (siehe unter 5a) nicht wie ein Fotoobjektiv konzentrisch. Deshab müssen beim Spektivobjektiv Zonnenfehler aller Art besonders gut behoben werden.

7b) Teleobjektive werden zwar auch bei voller Öffnung eingesetzt, wenn z.B. kurze Verschlußzeiten zur Vermeidung von Bewegungs- und Verwackelungsunschärfe nötig sein, können aber auch abgeblendet werden, wenn z.B. das Motiv sich nicht oder nur wenig bewegt und ein Stativ oder eine Bildstabilisierung benutzt werden. So lassen sich verbliebene Aberrationen oft noch merklich reduzieren.

[In diesem Zusammenhang stellt sich evtl. die Frage, warum es noch kein Spektiv mit Bildstabilisierung gibt, denn Teleobjektive ähnlicher Öffnung und Brennweite gibt es schon mit Bildstabilisierung. Der wahrscheinlich derzeit (noch?) am meisten Schwierigkeiten bereitende Grund ist, daß die derzeitigen Bildstabilisierungssysteme den mit Spektiven erreichbaren sehr hohen Vergrößerungen und den daraus erwachsenden Anforderungen an das Auflösungsvermögen nicht gewachsen sind. Es wäre vielleicht schon möglich, durch bewegte Umkehrprismen (ähnlich wie bei den Stabi-Systemen von Zeiss beim 20x60 S oder von Fujinon und Nikon) eine ausreichende Stabilisierung für 20fache Vergrößerung zu erzielen. Aber wer ein solches Spektiv kaufte, würde natürlich auch höher vergrößernde Okulare einsetzten und müßte dann feststellen, daß etwa ab 30facher Vergrößerung die Stabilisierung nicht mehr ausreicht. Das wäre dann ein Reklamationsgrund. Ein Spektiv mit Bildstabilisierung anzubieten, hat also erst dann einen Sinn, wenn die Stabiliserung auch noch bei der höchsten mit dem Spektiv möglichen Vergrößerung einwandfrei funktioniert.

Eine Schwierigkeit bei bewegten Prismen wäre, daß ein Spektiv ein größeres und schwereres Umkehrprisma/-prismensystem hat als ein Fernglas und das größere Trägheitsmoment die Stabilisierung gegen hochfrequentes Zittern sehr erschwert oder extrem starke Motoren erforderte, die viel Strom verbrauchen. Motoren und Batterien wären dann übermäßig groß und schwer, also auch das Spektiv.

Eine alternative Bildstabilisierung mit Vari-Angle-Prisma wie bei den Canon-IS-Ferngläsern scheitert zumindest derzeit noch am benötigten großen Durchlaßquerschnitt. Man sah ja schon am Canon 10x42 L IS WP, daß Canon die effektive Öffnung klammheimlich auf 37 mm reduzieren mußte. Bei einem Spektiv aber ist der Öffnungsdurchmesser noch sehr viel größer. Hingegen wäre es bei einem nach gleichem Prinzip stabilisierten Teleobjektiv weit einfacher, da das Vari-Angle-Prisma weit nach hinten nahe zur Bildebene verlagert werden könnte, wo ein viel kleiner Durchlaßquerschnitt ausreichte. Beim Spektiv befindet sich dort aber das Umkehrprismensystem, so daß das Vari-Angle-Prisma davor angeordnet werden und deshalb einen sehr großen Durchlaßquerschnitt haben muß.

Die Bildstabilisierungen der Teleobjektive arbeiten mit einer verschiebbaren Linse(ngruppe), die im Strahlengang weit hinten und somit an einem Ort liegt, wo der benötigte Durchmesser und damit die bewegte Masse schon sehr klein sein darf. Beim Spektiv müßte auch eine solche IS-Linse vor dem Umkehrprismensystem liegen und darum groß und schwer sein, was wiederum die schon genannten Probleme bei hochfrequentem Zittern bereitete.]

Ich bin damit noch nicht fertig, sondern könnte weitere wesentliche Unterschiede zwischen Spektiv- und Foto-Teleobjektiven angeben. Aber mir läuft die Zeit davon, und darum möchte ich hier einen Schlußpunkt setzen. Ich hoffe, daß auch diese noch unvollständige Gegenüberstellung schon klar genug gezeigt hat, wie verschieden die Anforderungen an ein Spektiv- und ein Teleobjektiv sind und sich daher beide nicht so pauschal vergleichen lassen, wie es der optisch nicht versierte Anwender gern tun möchte.

Aber da die Antwort auf die konkret gestellte Frage noch aussteht, noch dazu eine Anmerkung: Ohne Umkehrsystem würde ein Fotoobjektiv als Fernrohrobjektiv mit um 180° gedrehtem Bild bei niedrigen Vergrößerungen durchaus eine gute Figur machen – natürlich nur optisch und nicht ergonomisch (viel zu groß und zu schwer, nicht wasserdicht) und nicht ökonomisch (viel zu teuer). Im Bereich der höheren Vergrößerungen ab 30fach oder 40fach aber würde man wohl im Vergleich zu einem sehr guten Spektiv schon ein Nachlassen der Schärfe sehen. Auch die Transmission wäre merklich geringer und das Falschlicht (aufgrund der vielen Reflexionen an einer großen Zahl von Linsen) in kritischen Gegenlichtsituationen stärker.

Walter E. Schön
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Diascope 65 und Lichtreflexe

Holger SH 2182 01. Dezember 2007 11:13

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Werner Jülich 1201 01. Dezember 2007 11:17

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Holger SH 1158 01. Dezember 2007 11:34

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Holger SH 1225 11. Dezember 2007 17:57

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Dietmar Sellner 1247 11. Dezember 2007 18:43

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Gert Teichert 1408 12. Dezember 2007 10:42

Re: Diascope 65 und Lichtreflexe

Holger SH 1224 12. Dezember 2007 11:11

Ofenrohr vor dem Spektiv

Walter E. Schön 1447 12. Dezember 2007 11:48

Re: Ofenrohr vor dem Spektiv

Holger SH 1258 12. Dezember 2007 12:36

Man kann diese beiden Systeme nicht gleichsetzen

Norbert Weigand 1281 12. Dezember 2007 12:40

Re: Man kann diese beiden Systeme nicht gleichsetzen

Holger SH 1242 12. Dezember 2007 13:04

Fotoobjektiv als Spektiv

champollion marc 1287 12. Dezember 2007 15:22

Re: Fotoobjektiv als Spektiv

Holger SH 1291 12. Dezember 2007 16:25

Re: Fotoobjektiv als Spektiv

Werner Jülich 1174 12. Dezember 2007 16:35

Fotoobjektiv mit „Umkehr-Okular“ ist kein Spektiversatz

Walter E. Schön 1897 12. Dezember 2007 16:58

Re: Fotoobjektiv mit „Umkehr-Okular“ ist kein Spektiversatz

champollion marc 1102 12. Dezember 2007 18:16

Was verstehen Sie unter höherwertig?

Norbert Weigand 1007 12. Dezember 2007 18:30

Re: Was verstehen Sie unter höherwertig?

champollion marc 1231 12. Dezember 2007 18:59

Re: Was verstehen Sie unter höherwertig?

Volker Werres 1132 13. Dezember 2007 21:04

Auflösungsvermögen von Foto-Teleobjektiv und Spektivobjektiv

Walter E. Schön 1824 16. Dezember 2007 13:08

Re: Fotoobjektiv mit „Umkehr-Okular“ ist kein Spektiversatz

Holger SH 1218 12. Dezember 2007 21:59

Siehe auch "Teleobjektiv als Spektiv?"

Dietmar Streib 1144 12. Dezember 2007 20:51



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