Holger Merlitz schrieb:
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> Ich sehe es eher so: Ein wasserdichtes Fernglas
> hat den Vorteil, dass der Umgang mit einer solchen
> Optik bequemer ist, weil man weniger auf sie
> achten muss. Das bedeutet keineswegs, dass eine
> Optik fuer den serioesen Beobachter wasserdicht zu
> sein hat. Jeder ernsthafte Anwender teurer Optiken
> weiss, wie er diese zu behandeln hat, das gilt
> genauso fuer den Photographen, der seine Kamera
> auch nicht in eine Pfuetze legt oder unter dem
> Wasserhahn reinigt - es wurden zahllose
> grossartige Aufnahmen unter widrigsten Bedingungen
> im Kriegseinsatz mit nicht-wasserdichten Kameras
> gewonnen. Wer naemlich in der Lage und guten
> Willens ist, auf sein Instrumentarium Acht zu
> geben, der wird damit gute Resultate erzielen,
> egal, ob es wasserdicht ist oder nicht.
>
> So gesehen ist das Argument, ein gutes Fernglas
> muesse unbedingt wasserdicht sein, auch ein
> Argument der Faulen, oder der nicht ganz so
> ernsthaften Anwender ... <snip>
Nein, eine Optik *muss* nicht wasserdicht sein. Ich erinnere mich noch gut an die ersten Jahre auf Helgoland, Mitte der 80er Jahre, da benutzte praktisch kein Beobachter wasserdichte Optiken, da die wasserdichten Porros mit Einzelokulareinstellung bei der Beobachtung des Kleinvogelzuges nicht sonderlich praktisch sind. Das häufigste Glas waren das Zeiss 10x40 BGA und das Leica Trinovid 10x40, daneben gab es etliche Beobachter mit Porrogläsern, vom Zeiss Jena 10x50 bis hin zum Zeiss 15x60.
Und das ging auch. Allerdings habe ich dort auch diverse Male Leute getroffen, deren Gläser nach ein paar Tagen mit nassem Wetter von innen beschlagen waren, die Feuchtigkeit im Glas hatten, *obwohl* sie vorsichtig waren. Und wenn bei Nieselregen und Ostwind die Insel voller Kleinvögel ist oder bei Nordweststurm und treibendem Regen vor der Jugendherberge oder der Düne Raubmöwen und Röhrennasen durchziehen, steht das Beobachten im Vordergrund, dann geht man eben nicht ins Cafe Krebs und wartet auf besseres Wetter.
DAS war der Hauptgrund, warum in den 90er Jahren soviele Beobachter auf Leica Trinovid BA Gläser umstiegen. Die Optik war es sicherlich nicht, das Zeiss 10x40 BGAT der Baureihen mit Phasenkorrektur war dem Leica Trinovid 10x42 BA mindestens ebenbürtig, hatte weniger Farbränder und war leichter. Aber es war eben nicht wasserdicht. Die Leicas waren wirklich dicht, man konnte sich auf das Beobachten konzentrieren und musste nicht wie ein Schießhund aufpassen, dass das Glas ja nicht absoff. Und wenn die Objektive irgendwann im Laufe des Tages durch Salzsprühnebel völlig verschmiert waren, nahm man einfach seine Wasserflasche aus dem Rucksack und spülte das Salz ab. Das ging einfach und schnell, und man hatte nicht das Risiko, die Objektivlinsen durch trockenes Putzen zu verkratzen.
Ähnliches gilt übrigens auch für das Beobachten in trockenen, sandigen Gebieten und Touren z.B. in Nordskandinavien. Wasserdichte Gläser *haben* dort eindeutige Vorteile. Ich habe meine erste Schnee-Eule bei treibendem, nassem Neuschnee gesehen, im Juli, und ich war sehr froh, dass ich in dem Jahr ein (wasserdichtes) Leica 8x32 BA dabei hatte und nicht mein Zeiss 10x40. Klar, ich hätte sie auch mit dem Zeiss gesehen, aber so brauchte ich mir keine Gedanken zu machen, dass das Glas absaufen könnte und ich die nächsten Tage dann mit meinem "Reserveglas" beobachten müsste, sondern konnte mich auf das Wesentliche konzentrieren.
Mit anderen Worten: Es waren gerade die "Allwetterbeobachter", die "ernsthaften Beobachter", die Leute, die bei jedem Wetter draußen sind und nicht bei einem Schauer schon die Plastiktüte herausholen, die sich über die wasserdichten Gläser freuten.
Hans