Eigentlich ging es mir gar nicht darum, welches Modell nun gebaut werden sollte. Es ging um eine ganze Serie, oder, im Grunde, um eine eigene Philosophie, einen Paradigmenwechsel in der Denkweise: Weg von der Vorstellung, ein Top-Fernglas muesse zwangslaeufig eine eierlegende Wollmilchsau sein, die alles kann, aber nichts richtig und dabei extrem teuer ist.
Beispiel: Nehmen wir an, Zeiss moechte ein neues 8x32 auflegen, den Nachfolger des Victory FL. Man quetscht dazu noch einmal 2% mehr Transmission heraus, senkt den Nahpunkt auf 1.3m runter, feilt ein bischen herum, um 40g Gewicht zu sparen und liegt dann wieder vor den Bewerbern - in der Liste der Spezifikationen, nicht aber in der Alltagstauglichkeit. Nebenbei ist das neue Glas wieder einmal 400 Euro teurer geworden.
Stattdessen: Weg von diesem Schubladendenken. Ein neues Glas fuer die Tagesbeobachtung und Wanderung? Gut, dann bauen wir ein 8x28. Das schlaegt die Konkurrenz genau dort, wo es (gerade in dieser Anwendung) weh tut: Kompaktheit und Gewicht, denn das 8x28 Porro wuerde selbst eine hochgezuechtete 8x32 Dachkante im Gewicht schlagen, auch dann noch, wenn wir mit dem Sehfeld etwas grosszuegiger sind und ueber 60 Grad ansetzen. Wo verlieren wir? Vor allem in der Daemmerungstauglichkeit. Fuer die Daemmerung ist es aber auch gar nicht gemacht. Selbst ein 8x32 waere nicht wirklich leistungsfaehig genug fuer der Daemmerung, hier liegen die 8x42 ohnehin weit vorn.
Bauen wir also noch ein 8x42 mit allerhoechster Transmission und Schott HT-Glaesern, um die zahlreichen Konkurrenten in diesem Feld um 3% auszustechen? Nein, wir bauen ein 8x45, das in fortgeschrittener Daemmerung 15% mehr Licht bietet als ein 8x42 - diese Leistungssteigerung liesse sich durch keine Verguetung der Welt erreichen. Das 8x45 ist dann natuerlich nicht mehr kompakt und klein, und nicht dafuer gedacht, waehrend langer Wanderungen um den Hals getragen zu werden. Wer dennoch viel zu Fuss unterwegs ist und dieses Fernglas bereit halten muss, der legt sich das Tragesystem zu.
Ein Top-Fernglas muss eine sehr gute Optik haben und seine ihm zugedachte Funktion moeglichst perfekt erfuellen. Genau darum geht es, und wenn man sich auf dieses Prinzip einlaesst, dann spart man viel Geld durch Verzicht auf unnoetigen Firlefanz, der zu Kompromissen fuehrt und den Preis treibt. Wer das 8x28 und das 8x45 kauft, jeweils fuer 1000 Euro, der hat in vielen Faellen mehr als jemand, der nur ein 8x32 oder 8x42 Premiumglas fuer 2000 Euro kauft.
Sind die 8x32 und 8x42 Wollmilchsaeue also sinnlos? Keineswegs, sie haben ihre Berechtigung auf dem Markt, aber sie sind nicht der einzig moegliche Zugang zu einem Topfernglas. Leider denkt der Markt momentan anders - die Fernglaeser der 1000 Euro Liga versuchen lediglich, ebenfalls eierlegende Wollmilchsaeue zu sein, nur halt auf einem niedrigeren technischen Niveau als die Top-Wollmilchsaeue. Hier moechte ich ein Umdenken anregen - 1000 Euro, dabei hohes Niveau in der optischen Leistung, und ein Abschlacken im Leistungsumfang, ein Konzentrieren auf die eigentliche Aufgabe.
Viele Gruesse,
Holger