Dem kann ich nur zustimmen. Mancher Fernglasenthusiast schaut viel zu oft auf kahles Astwerk oder Dachantennen vor hellem Himmel, nur um letzte Reste von Farbsäumen zu entdecken, statt daß er das Fernglas zur Beobachtung dessen benutzt, wofür er es eigentlich gekauft hat (z.B. der Hobbyornithologe zur Vogelbeobachtung, der Jäger zur Wildbeobachtung usw.). In praxi sind derart kontrastreiche Kanten (weiß gegen schwarz) eher selten, also auch die Farbsäume erheblich schwächer und dann kaum oder gar nicht zu sehen.
Außerdem weckt bei den FL-Ferngläsern die Aussage, daß die Objektive dank fluoridhaltiger Gläser apochromatisch (oder „superachromatisch”, wie Zeiss sagt) korrigiert sind, bei manchen zu hohe Erwartungen. Denn Farbsäume werden nicht nur vom Objektiv, sondern auch vom Prisma und vom Okular erzeugt. Es müßte also die farbaufspaltende Wirkung des Prismensystems VOLLSTÄNDIG durch das optische System eliminiert worden sein und das Okular ebenfalls apochromatische Eigenschaften haben, was sich bei den heutzutage geforderten weiten Sehwinkeln deutlich über 60° kaum perfekt realisieren läßt.
Jedes optische System, also auch ein Fernglas, muß als Kompromiß angesehen werden, und Kompromisse sind nie ohne irgendwelche Zugeständnisse an Stellen geringerer Prioritätsstufe machbar, wenngleich der technische Fortschritt zu immer kleineren Zugeständnissen geführt hat.
Walter E. Schön