Das räumliche Sehen entsteht in der Tat aus dem Zusammenspiel verschiedener Effekte. Man kann ja auch mit einem einzelnen Auge noch recht gut Entfernungen abschätzen - das ist eben die von Ihnen angesprochene Erfahrung.
Unter stereoskopischem Sehen versteht man aber konkret die Konstruktion der Tiefenwahrnehmung aus beiden zueinander versetzten Bildern. Das funktioniert mit dem Freien Auge im statischen Fall - durch reine Triangulation - bis etwa 10m Entfernung. Nun hat aber ein typisches 10x50 Porro Fernglas anstelle von 6-7cm Augenabstand einen Objektivabstand von etwa 15cm, daher also 2-3 fache Parallaxe, und dazu 10x Vergrößerung, wodurch sich eine stereoskopische Tiefenwahrnehmung bis etwa 250m Entfernung ergibt. Und das gilt für den statischen Fall - also für ein fest montiertes Fernglas. Ein Handfernglas wird aber bewegt, und durch diese Bewegung erweitert sich der Bereich der stereoskopischen Tiefenwahrnehmung nochmals um etwa einen Faktor 2 (das nennt man auch Bewegungsparallaxe). Man kann also sagen, dass ein typisches 10x50 Porro Handfernglas stereoskopisch nutzbare Informationen innerhalb eines halben Kilometers liefert, und auch aus diesem Grunde war diese Bauart erste Wahl bei militärischen Anwendungen. All diese Effekte sind auch beim Dachkantglas anzutreffen, wegen des geringeren Objektivabstands bleibt der stereoskopisch nutzbare Bereich aber auf eine kürzere Entfernung beschränkt.
Viele Grüße,
Holger Merlitz