Zitat:
„Darüberhinaus frage ich mich, warum das 10x42 Triplett, was ich mal hatte, trotz Phasenkorrektur die mir von älteren Dachkantgläsern bekannten balkenförmigen Reflexe am Mond gezeigt hat. Das ist auch eine Frage an die Experten hier im Forum: können diese Reflexe links und rechts einer hellen Lichtquelle auch an Dachkantgläsern mit Phasenkorrektur beobachtet werden?“
Zitatende
Fehlende Phasenkorrektur führt zwar in geringem Umfang zu dem beschriebenen „Strahleneffekt”, aber der ist wirklich nur gering, denn sonst wären bis zur Erfindung der Phasenkorrektur Dachkantferngläser kaum in der tatsächlich erreichten Stückzahl verkäuflich gewesen. So sicher die Phasenkorrektur eine weitere Qualitätssteigerung gebracht hat, so wenig darf man sie überbewerten.
Die von Dir beschriebenen „Balken” (darunter verstehe ich schon sehr kräftige „Strahlen”) können auch eine andere Ursache haben, die ich im vorliegenden Falle für die Hauptursache halte: Die Dachkante selbst! (Die Phasenkorrektur erfolgt nicht an der Dachkante, sondern an den beiden Dachflächen beiderseits der Dachkante - dies nur als Hinweis für Mitleser, die mit diesem Phänomen noch nicht vertraut sind.)
Man muß sich die Dachkante innerhalb des Strahlenquerschnitts in der Wirkung wie einen sehr dünnen Draht, also als lichtundurchlässiges Hindernis vorstellen, und dann wird schnell klar, daß die Dachkante eine ähnliche Wirkung wie die Fangspiegelspinnen-Streben eines Newton-Telskops haben müssen, nämlich durch Beugung rechtwinklig zum Verlauf der Strebe bzw. der Dachkante einen „Spike” (= Deinen „Balken” am Mond) zu erzeugen. Genauso, wie extrem dünne Fangspiegelspinnen-Streben nur schwach ausgebildete Spikes und dicke Fangspiegelspinnen-Streben dicke Spikes („Balken”) erzeugen, so tun das auch sauber* produzierte bzw. unsauber produzierte Dachkanten.
Eine nur theoretisch denkbare perfekte Dachkante wäre unendlich dünn, die Beugung daher nicht sichtbar. Aber wenn die Kante nicht perfekt scharfkantig, sondern (bei stark vergrößerter Betrachtung, z.B. unter dem Stereomikriskp) gerundet, zackig, zerbröselt ist, dann wirkt sie eben wie der eingangs erwähnte, quer durch den Strahlengang gespannte Draht, und zwar völlig unabhängig davon, ab die beiden Dachflächen beiderseits der Kante phasenkorrigiert sind oder nicht! Man kann also bei nicht perfekt scharfkantigen Dachkanten mit und ohne Phasenkorrekturbelag die von Dir beobachteten „Balken” rechtwinklich zum Verlauf der Dachkante sehen, also gegebenenfalls bei alten wie bei neuen Dachkantferngläsern oder bei (speziell den billigen) Amiciprismen für Teleskope.
Eine fehlende Phasenkorrektur kann diese Balken natürlich noch etwas verstärken, die Hauptursache ist sie indes nicht.
Walter E. Schön
* Daß Dachkantferngläser bei vergleichbarer Bildqualität immer deutlich teurer als Porroprismenferngläser sind, liegt vor allem daran, daß die Qualitätsanforderungen an die Dachkantprismen nur mit sehr hohem Aufwand in der Fertigung und Qualitätskontrolle zu erfüllen sind. Und da sind es vor allem diese beiden Punkte: 1. Einhaltung der Genauigkeit des Winkels zwischen beiden Dachflächen (in der Größenordnung von Winkelsekunden!) und 2. Erzielung einer nahezu „unsichtbaren”, also möglichst dünnen, scharfkantigen Dachkante (damit Du beim Blick durchs Fernglas nur „die Splitter im Auge Deines Nächsten und nicht den Balken im eigenen Auge siehst”, um ein Bibelzitat passend zurechtzubiegen).