Hallo Frank,
da stellst Du mich vor ein kleines Rätsel. Die AP ist, da wiederhole ich mich jetzt, das reelle Abbild der Eintrittspupille (also der bei annähernd achsenparallel einfallendem Licht wirksamen Begrenzung des Strahlenbündels an der Objektivfassung). Nun will ich mal ein klein bißchen rechnen:
1. Der Abstand zwischen der Eintrittspupille und dem Okular (genauer: dessen erster Hauptebene) ist näherungsweise gleich der Summe der Brennweiten von Objektiv und Okular. Nehmen wir mal bei einem kompakten 8x40 grob eine Objektívbrennweite von 120 mm an, dann muß bei 8facher Vergrößerung die Brennweite des Okulars etwa bei 15 mm liegen. Der Abstand der EP zum Okular (1. Hauptebene) wäre somit ca. 135 mm.
2. Das alte Leica 8x40 hatte noch Uppendahl-Dachkantprismen, nicht wie die heutigen Trinovids und Ultravids Schmidt-Pechan-Prismen. Beim Uppendahl ist die Dachkante näher am hinteren Ende des Prismas (in Lichtlaufrichtung vom Objektiv zum Okular gesehen) als beim Schmidt-Pechan, denn bei Uppendahl sind die Dachflächen die letzten reflektierenden Flächen, während beim Schmidt-Pechan dahinter noch eine weitere Reflexion an der schrägen Fläche quer durchs ganze Prisma erfolgt. Wenn ich mir so die sehr kleinen und daher nicht gerade in den Einzelheiten deutlichen Schnittdarstellungen von Leica im Internet (PDF-Kataloge) ansehen, dann liegt die Dachkante bei den neuen Modellen im achsennahen Bereich wohl ca. 20 bis 25 mm vor der Sehfeldblende. Und wenn ich mir die schematische Schnittdarstellung in einem alten Leica-Katalog von 1983 für die Uppendahl-Version ansehen, so könnte dort die Dachkante eher nur 15 bis 20 mm vor der Sehfeldblende liegen.
In beiden Fällen ist der Entfernungsunterschied zwischen a) EP zum Okular und b) Dachkante zum Okular so riesig, daß die Dachkante vom Okular sehr weit hinter der AP abgebildet werden muß und Du nicht beide fast gleichzeitig scharf sehen kannst (es sei denn, Du wärst ein außergewöhnlicher Akkomodationsakrobat). Wenn ich bei 15 mm Okularbrennweite bleibe und in beiden Fällen den größeren Abstand (20 mm beim Uppendahl und 25 mm beim Schmidt-Pechan) zugrunde lege, müßte die Dachkante längs der opt. Achse gemessen beim Schmidt-Pechan-Glas etwa 21 mm hinter der AP liegen und beim Uppendahl um ca. 43 mm dahinter. Diese Schärfentefe im Nahbereich schaffe ich jedenfalls nicht mehr. Und ich habe noch folgenden Versuch gemacht, um meinem Auge eine Fokussierhilfe zubieten: Ich habe eine Bleistiftspitze ungefähr entlang der opt. Achse innerhalb dieses Entfernungsbereichs von der AP des Fernglases weg bewegt, dabei die Bleistiftspitze fürs Auge im einer Linie zur Mitte der AP gehalten und das Auge auf die sich langsam zum Auge hin bewegende AP fokussiert. Irgendwann hätte der Ort kommen müssen, an dem dann wenigstens für einen Moment die Dachkante sichtbar wird. Aber leider (oder gücklicherweise, weil das für eine „unschtbare“ Dachkante spricht) habe ich sie bei meinem Nikon 10x32 HG nicht gesehen.
Da Tatsache, daß sich in Deiner Beobachtung bei der Verlagerung des Auges nach oben oder unten die Linie relativ zur AP bewegt hat, beweist, daß sie in einer anderen Entfernung abgebildet wird. Sie müßte, wie oben gezeigt, etwa 2 bis 4 cm näher zum Auge als die AP scharf zu sehen sein. Und das wiederum heißt, daß sich beim Bewegen des Auges nach unten die Linie relativ zur AP nach oben verschiebt und umgekehrt. Wenn Du diese Linie siehst, die sich bei meinen Ferngläsern vor meinen Augen verbirgt, kann ich nur vermuten, daß 1. Deine Akkomodationsfähigkeit wohl deutlich besser als meine sein muß (kein Wunder, da ich ein paar Jährchen mehr auf dem Buckel habe) und daß 2. die fragliche Dachkante wohl doch sehr „dick” bzw. grob sein dürfte.
Vielleicht müßten wir mal gemeinsam durch dieselben Ferngläser schauen, um das Rätsel zu lösen, aber bei einigen hundert Kilometer Luftlinie Distanz wird das schwer realisierbar sein.
Walter E. Schön